Von Apulien nach Kalabrien: eine blaue Welle, ein Schotterplatz und ein Pferdefreund..

Den Umweg von Gallipoli über Lecce und Brindisi nach Corigliano gab es gratis dazu wegen schlechter Strassenverhältnisse entlang der Küste.

Corigliano / Calabria

300 Kilometer und vier Stunden später kam ich in Corigliano auf dem Platz ‘Onda Azzurra’ an. Voilà: die blaue Welle..
Hier gibt es einen herrlichen Sandstrand neben einem Naturschutzgebiet.
Ausserdem lebt am Strand ein Rudel freundlicher, streunender Hunde, und in der Umgebung finden sich einige albanische Dörfer. Ein Besuch dort ist bestimmt interessant, wenn Feiertage mit Volksmusik und Trachten gefeiert werden. Das wär’s in etwa mit den den Attraktionen hier..

Aber dafür traf ich wieder auf Ellen und Thomas (den IT-Fachmann) und auf Michael mit seinem Hund Anak. Wir hatten viel Spass miteinander und sind ein paar Mal zusammen spazieren – und essen – gegangen. Das Camping-Restaurant hier hat zwar den Charme einer Auto-Einstellhalle, aber die Pizza aus dem Holzofen war Klasse ! Scusi: deliziosa natürlich !

Links der dichte Naturschutzwald, rechts der endlos scheinende Strand.

Und einmal mehr: Diese Blautöne ! Immer wieder einfach schön !

Der Strand endet dann doch, und zwar bei der Mündung des Flusses Crati. Der Schnee auf den Bergen erinnert einen daran, dass auch hier Winter ist.

Das sind sie, die freundlichen Streuner. Sie sind nicht übermässig scheu, aber auch überhaupt nicht aggressiv. Sie gehen einem gerne aus dem Weg, und irgendwo haben sie einen Durchgang zum Camping, denn in der Nacht zieht jeweils das ganze Rudel durch den Platz. Deshalb liegen sie tagsüber meistens faul in der Sonne.

Die wilden Katzen schleichen gerne um die Abwaschtröge herum; man weiss ja nie, ob nicht eine Delikatesse herunter fällt..

Der Camping-Mercato ist einen Besuch wert. Es gibt hier alles ! Und wenn es etwas nicht gibt, organisiert der Betreiber Sergio es bis zum nächsten Tag ! Die Gänge im Laden sind nicht breiter als derjenige meines Wohnmobils. Da muss schon mal jemand herauskommen, damit ein anderer eintreten kann. 😊

Nachdem meine Reisegefährten – und damit auch meine Plauder- und Essgenossen – weitergezogen waren, machte ich mich nach einem Waschtag auf den Weg von Corigliano nach Bianco. Dort wollten Michael und ich die Wiener Gaby und Willi wieder treffen nach deren Sizilienreise. 

Die Leute sind sich übrigens überall einig, dass der diesjährige Winter ziemlich heftig ist: Schnee bis weit hinunter, russische Kältewellen und Regen von Mitte Italien bis in den Süden von Sizilien. Wie gut, dass mein kleines Auto rasch warm wird – und es immer warm ist im Bett !

Bianco / Calabria

Camping Jonio Blu in Bianco: Das ist meine Aussicht von meiner Schiebetüre aus..

..und das ist die Aussicht von den Olivenbäumen aus auf den gut besetzten Schotterplatz..

Der Hauptanziehungspunkt bei diesem nüchternen Ambiente ist vor allem die Monatsmiete von EUR 100.- und die Nähe zum Dorf und dessen Einkaufsmöglichkeiten. Deshalb sind hier auch viele der Dauerbewohner Italiener. Man bezahlt zwar den Strom extra, aber das Gas ist billig.

Anak und Froni mit ihren Herrchen beim Spazieren im Olivenhain.

Was in kaum einem italienischen Dorf fehlt, ist eine Gedenkstätte für die Helden der Gemeinde, also für die Gefallenen im ersten und zweiten Weltkrieg.
Ich dachte ja erst, die auf der mittleren Säule erwähnte Goldmedaille hätte sich ein lokaler Sportler geholt, aber Michele Macri war der Hauptmann des 53. Infanterieregiments und hat sich 1940 bei einem Angriff heldenhaft geopfert
.

Im ‘Ristorante Rustico’ verbrachten wir einen herrlich lustigen Abend – und ich habe meinen Fisch mit knusprig frittierten Kartoffelscheiben sehr genossen nach all der Pizza der letzten Zeit (Pizza können sie hier unten nämlich meisterlich, auch dort, wo die Küche sonst nicht viel Erwähnenswertes hergibt).

Reggio di Calabria

Von Bianco nach Reggio Calabria waren es gerade einmal 80 Kilometer entlang der Küste. Eine schöne Strecke war das ! Mit dem Meer immer links von mir sah ich vor allem saubere Felder, gepflegte Olivenhaine und einen stahlblauen Himmel.

Da ist er wieder – der Ätna, Europas grösster und aktivster Vulkan ! «Ett-ena» wird er schon in Kalabrien ausgesprochen, nicht erst auf Sizilien. Bei seinen gut 3300 Metern Höhe darf dort schon etwas Schnee liegen. Ein schöner Berg, hier bewundert von Bova aus – bald bin ich in Reggio di Calabria (es ist mit oder ohne di oder sogar nur Reggio genannt immer dieselbe Stadt).

‘1. Februar 2023, Ankunft auf dem ‘Agricampeggio Rudi’ in Gallina, einem Vorort von Reggio di Calabria. Gleich neben dem Ort stehe ich vorerst allein auf dem Platz am Hang mit Blick auf eine Meeres-Ecke hinunter, wo hin und wieder ein Frachtschiff das Blickfeld durchquert im Licht der untergehenden Sonne.

Rechts oben steht das Bauernhaus ‘Rudi’ mit Restaurant; links hinter dem Haus würde man den Ätna und Sizilien sehen, wenn man sie denn sähe, und das leicht dunklere Blau im Tal ist das Meer…

Das Licht von den Sanitäranlagen ist zwar etwas hell, aber in meiner ersten, sternenklaren Nacht habe ich so viele Sterne gesehen wie schon lange nicht mehr. Heute war jedoch die Wolkendecke das Dramatische am Abendbild.

Die acht Stellplätze werden durch Rebenspaliere getrennt voneinander. Das sieht sicher toll aus ab dem Austrieb im Frühling bis in den Spätherbst hinein.

Wir sind hier gleich um die Ecke des Dorfes und gefühlt dennoch Welten davon entfernt auf einer bergigen Insel. Hier gefällt es mir kolossal.

Rechts das Sanitärgebäude: zwei blitzsaubere Duschen und zwei WCs, dahinter eine Freiluft-Abwaschstation (für den Abwasch füllt man das Becken mit heissem Wasser in der Dusche, spült danach draussen immer ein Ding mit kaltem Wasser ab und trocknet es schnell, ehe es ganz kalt wird…)

Der Wein aus den Traubensorte ‘Nerello Calabrese’ hat mir sehr gut geschmeckt; fruchtig und rund mit einer angenehmen Frische (trotz der 14% Vol.). Ich habe ungefragt einen halben Liter davon auf den Tisch bekommen bei meinem Mittagessen 😊

Hier Landwirtschaft zu betreiben ist eine ziemliche Herausforderung. Alles ist steil und schroff und voller Feigenkakteen und Dornen.

Dennoch: obwohl die Einkünfte von den Campern und ihren Restaurantbesuchen auf dem Hof bestimmt eine wichtige Rolle spielen für das Bauernpaar mit ihrem Sohn, wird hier auch noch offensichtlich Landwirtschaft betrieben von den Dreien (mit gelegentlich lokalen Helfern). Es gibt Oliven, Feigen, Mandeln, Orangen, Zitronen, Bergamotten und Reben nebst etlichen Gemüsen, dazu ein paar Gänse und ein Pferd.

Bergamotten sind eine Zitrusart; man vermutet, dass es sich dabei um eine Hybride aus süsser Limette und Bitterorange handelt. Sie hat einen ganz eigenen, intensiv fruchtig-würzigen Geschmack, und die Konfitüre daraus schmeckt ebenso gut zu Käse wie auf dem Frühstücksbrot. 

90% der Weltproduktion an Bergamotten stammen aus dieser Gegend im Süden Kalabriens; sie sind also ganz eigentlich die Spezialität hier. Die Frucht spielt eine wichtige Rolle in der Küche und wird nicht nur zu Konfitüren verarbeitet, sondern findet sich auch in Süssgebäcken, Likören, Schnäpsen und im Risotto wieder. In Reggio gibt es sogar ein Bergamotto-Museum.

Die Bäuerin kocht vor allem, was die Saison und die Felder oder Einmachgläser hergeben, und das Menu mit würzigem Trockenfleisch und Käse zum Auftakt, gefolgt von weissen Bohnen an pfeffriger Sauce, getrockneten Tomaten in Öl, Oliven aus eigener Produktion, Brennnessel-Kroketten, Penne an Tomatensauce, Bergamotten-Risotto, Lasagne und schliesslich einem Stück Torte zum Dessert war einfach wunderbar, hat sich beim zweiten Besuch allerdings beinahe eins zu eins wiederholt, was saisonal gedacht durchaus sinnvoll ist – und fair, nicht ? 

Der Hofbesitzer Salvatore höchst persönlich hat uns das Nachtessen serviert und am Ende den Kräuter-Grappa aus der edlen Flasche kredenzt.

Meine Frage nach der Herkunft des Namens ‘Rudi’, welcher ja wirklich nicht sehr italienisch klingt, hat er beantwortet mit dem Hinweis auf eine gerahmte Notiz an der Restaurant-Wand: Rudi heisst das Land von Salvatores Familie, und seinen Ursprung hat das Wort im altgriechischen Wort für ‘ROT’, wie ihm ein durchreisender Professor beschied.

Hundert Schritte vom Stellplatz entfernt neben Orangenbäumen findet sich auf Salvatores Grund diese Sandstein-Klippe. In die kurzen, engen Gänge darin hätten sich während Luft-Angriffen im zweiten Weltkrieg die Leute von hier geflüchtet. Salvatore erwähnt seine ‘Grotten’ gerne bei den Gästen, und sind sie auch klein, sind sie doch auch sehr fotogen.

Das wars ungefähr mit dem ‘Innenleben’ der Grotten…

Der drei Monate alte Labrador Aaron gehört Adolfo, dem Sohn des Bauern. Das Hündchen hat noch überhaupt keine Manieren, wirft sich aber begeistert auf den Rücken, sobald man ihn streichelt.

Der kleine Hund rechts wurde über Weihnachten in der Gegend ausgesetzt und hat sich mit dem Hof-Pferd angefreundet, mit welchem er auch den Schlafplatz im Stroh teilt. Seit heute heisst er deshalb Filippo mit der griechischen Bedeutung Pferdefreund.

Peter kam am Samstag hier an. Der Österreicher lebt in Augsburg und steht auf seinen Reisen meistens frei bei Friedhöfen oder Sportzentren, weil es an solchen Orten grosszügige, ebene Parkplätze gibt; aber hin und wieder kommt er auf einen Platz, um zur Abwechslung kein Wasser sparen zu müssen beim Duschen oder um alle Elektro-Geräte aufzuladen – oder schlechtes Wetter auszusitzen. Ein solches war auch für diese Region vorausgesagt gewesen, aber statt wie auf Sizilien zu stürmen und zu schneien, hat es hier nicht einmal geregnet – wir wollen uns also keinesfalls beklagen.

Eines der Highlights von einem gemeinsamen Essen mit Peter waren diese panierten Borretsch-Blätter. Knackig knusprig mit einem fein-würzigen, saftig-grünen Herz !

Peter und ich haben es gut getroffen miteinander, und wir unterhielten uns prächtig. Ach ja: im Gegensatz zu mir macht er routinemässig gut 20’000 Schritte am Tag, einfach, weil er sich gerne bewegt. Sowas ! (vielleicht lerne ich es ja doch noch..).

Immerhin spazierten wir täglich ins Dorf zu unserem Stammlokal ‘Il Bergamotto’ und genossen dort einen Cappuccino und köstliche Mini-Pâtisserie.

Es war immer wieder überraschend zu erleben, wie sich das Lokal von einem Moment zum anderen füllt, wie dann alle stehend ein Fingerhütchen Kaffee trinken – und fünf Minuten später sind alle wieder weg und wir alleine dort.


Eines Nachmittags empfahl uns der alte Barman im ‘Il Bergamotto’ einen Drink namens ‘Negroni’. Ich erwartete einen Longdrink mit wenig Alkohol und viel Fruchtsaft, stattdessen nahm er zwar ein grosses Longdrinkglas, füllte es jedoch bis oben hin mit je einem Drittel Gin, Campari und Martini Rosso auf Eis mit einem Schnitz frischer Orange ! Und was soll ich sagen: ich war begeistert – und danach glücklich angesäuselt…  Sehr empfehlenswert !

Seitdem Peter und ich ‘unseren’ Filippo pünktlich füttern morgens und abends, verbringt der Hund einen grossen Teil des Tages zwischen unseren Autos und fixiert uns abwechslungsweise hoffnungsvoll. Näher als im Bild oben traut er sich allerdings noch nicht, dabei hätten wir ihm gerne die lästigen Schnurstücke um seinen Hals entfernt.

Gestern hat mir Filippo dafür seinen Freund vorgestellt. Als ich spazieren gehen wollte, rannte er vor mir her, schaute aber immer wieder auffordernd zurück und stand abwartend da, bis ich ihm folgte. Ich kroch unter einem Zaun hindurch, verhedderte mich danach in einer Hecke – und da waren sie, die beiden Freunde ! Was für ein süsses Paar !

Ein Piaggio Ape ist ein wirklich praktisches Ding. Ein Mann aus der Nachbarschaft hat sich eben sein Gefährt völlig überfüllt mit Olivenbaumschnitt. Er macht sein hausgemachtes Brot ausschliesslich mit Olivenholz und wird von den Bauern in der Gegend jeweils eingeladen, sein Lager aufzufüllen nach dem Baumschnitt.

Sizilien liegt wirklich ganz in der Nähe, hier nach ein paar Minuten Spaziergang durch Salvatores Felder. Inzwischen hat der Ätna nochmals deutlich mehr Schnee bekommen, und auf Sizilien hat ein Schneesturm gebietsweise den Verkehr lahmgelegt.

Peter ist gestern abgereist und wird in der Stadt einen netten, versteckten Parkplatz finden, um in Reggio Museen zu besuchen und etwas mehr Menschen zu sehen als hier.
Er studiert jeweils im Sommer Kunstgeschichte – aus reinem Spass am Thema ! Dieses Wissen macht das Besichtigen von Kirchen deutlich interessanter, weil er zum Beispiel die Heiligen an ihren Beigaben erkennt oder Baustile auseinanderhalten kann. Tolle Idee !

Ich selber fahre erst, wenn das Wetter auf Sizilien sich beruhigt hat. 😊 Bis dann ! Durchhalten ! Bald kommt der Frühling !

4 Gedanken zu “Von Apulien nach Kalabrien: eine blaue Welle, ein Schotterplatz und ein Pferdefreund..

  1. Avatar von Andi Nüesch Andi Nüesch

    Hopp Rösli
    Ein super Blog hast du da wieder verfasst, macht richtig Spass ihn zu lesen.
    Man wähnt sich richtig vor Ort zu sein!
    Von weitem sieht es huren schön aus und das Essen macht einem richtig an.
    Jetzt muss ich direkt öppis haberen, sonst goafari noch auf die Tastatur!!
    Ich wünsche dir weiterhin gute Reise und bleib gesund!
    Gruss Andi

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