Camping als Lebensstil: Mein Haus, mein Bett, mein WC..😊

Ich war ja nie wirklich ein Camper, bis ich pensioniert wurde. Mangels brillanter Ideen für meine neue, endlose Freizeit hörte ich damals auf eine gute Freundin, die gemeint hatte: «Warum probierst du nicht etwas ganz Neues und kaufst dir zum Beispiel ein Wohnmobil, um Europa zu bereisen ?»

Nach meinem spontanen «Nö, eher nicht..!» gingen ein paar Monate ins Land, und dann habe ich genau das getan. Meine ‘Gartenlaube’, ein Fiat Ducato genannt ‘Dügg’, bietet mir ein grosses Bett, eine Küche mit kleinem Kühlschrank und ein Bad.


Ich habe sogar einen Korridor! Er führt von der gemütlichen Leseecke ganz vorne zur Küche, weiter zum Wohn- und Esszimmer und neben dem Bad vorbei bis ganz nach hinten zum Schlafzimmer – und dieser alles-erschliessende Korridor hat die beeindruckenden Masse von 50 x 120 cm…. Immerhin ist das Teppich-Verlegen dort keine grosse Sache 😊

Dann ging es los. Das war vor bald fünf Jahren.
Inzwischen war ich auf zwanzig Fähren und habe zweiundzwanzig Länder bereist. Ich habe fantastische Orte und Landschaften gesehen, viele Menschen kennengelernt und einige Erkenntnisse gewonnen.

Erkenntnis 1: Das Camper-Leben ist genial ! Um gleich einen grossen Vorteil zu erwähnen: ich komme weit herum und bin doch daheim, egal, wo ich stehe. Mein Häuschen sieht ja stets gleich aus, und die Dinge an Bord sind immer am selben Ort zu finden (nun ja, zumindest lautet so der Plan…).
Es kann mir andrerseits passieren, dass der Ausblick beim morgendlichen Öffnen der Schiebetüre ganz anders ist als erwartet, wenn ich nach einem längeren Aufenthalt weiterfahre und am Vorabend eher spät ankomme auf einem neuen Platz. Das sind oft nette Überraschungen.

Erkenntnis 2: Das mit der ‘Grenzenlosen Freiheit des Campers’ ist eine Illusion. Ich muss jeden Tag entscheiden, ob und wohin ich fahre, wie ich dort hinkomme und wo ich über Nacht stehen werde – oder stehen darf, denn das Freistehen ist (verständlicherweise) in vielen Ländern verboten worden. Also gehört auch die Suche nach einem Stellplatz oder Campingplatz zu meinen Aufgaben. Waschen ist ebenso auf der freiheitsraubenden Liste wie einkaufen. Und kochen. Und, und, und..

Erkenntnis 3: Wenn es heiss ist, wird es höllisch heiss in meiner Blechbüchse.
Im Sommer öffne ich nachts die Fenster und die Verdunkelungsmarkisen, damit der Hauch einer Brise entsteht. Dann weckt mich frühmorgens die Sonne. Wenn nicht – und sie meine Sardinenbüchse aufgeheizt hat – werde ich mit einem ‘Japs’ wach und habe es eilig, nach draussen zu kommen.

Erkenntnis 4: Ja, das Leben als Camper hat auch Nachteile: ich wandere viel, weil ich Geschirr abwaschen oder mir die Zähne putzen muss. Auch die Toilette auf dem Platz ist öfter mal 100 Meter vom Auto entfernt.
Da bin ich allerdings selber schuld, denn ich ziehe den Platz mit der romantischen Aussicht aufs Wasser oder ins Tal hinaus immer der Nähe zu eher praktischen Dingen vor. Da Bewegung bekanntlich gesund ist, ist das gleichzeitig auch irgendwie ein Vorteil, nicht ? Ausserdem: die Duschen und Toiletten vor Ort sind zwar nicht immer über alle hygienischen Zweifel erhaben, aber es gibt sie, und das ist doch auch schon etwas…

Apropos: Die Toilette ! Ein delikates Thema, das zu umschiffen (😊) wir eindeutig besser beherrschen als darüber zu reden. Die Toilette im Wohnmobil wird man zwangsläufig irgendwann benutzen müssen. Es gibt Stellplätze mit tadellosen Entsorgungsmöglichkeiten, bloss eine Toilette selber haben sie noch nicht.

Es fällt mir zwar etwas schwer, meine Camper-Toilette für alle ‘Geschäfte’ zu benutzen, denn eigentlich ist sie nichts als ein gut verschliessbarer Nachttopf; man beschäftigt sich also notgedrungen zweimal mit derselben – ähm – Materie. Aber dank Chemie riecht es höchstens nach ….Chemie halt…., und es ist gut, ein WC dabei zu haben für alle Fälle (die Gegend-verkackenden Camperbus-Fahrer ohne WC an Bord sind unsereins selbstverständlich ein Gräuel ! 😊 Entschuldigt mich nun bitte einen Moment, währenddem ich meinen Heilgenschein zurechtrücke…).

Meine Gespräche mit Campernachbarn haben ergeben, dass etwa die Hälfte von ihnen das WC nie für das grosse Geschäft nutzt, die andere Hälfte immer ! Ihr Haupt-Argument: Wenn ich schon eines dabei habe.. Das hat schon was. Aber dennoch…

Man gewöhnt sich übrigens tatsächlich daran, mit seinem ‘Nachttopf’ über den Campingplatz zur Entsorgungsstation zu spazieren (ich gehe trotzdem immer noch am liebsten beim Eindunkeln..). Wahrscheinlich würde ich nächstes Mal einer Trockentrenntoilette den Vorzug geben, denn bei dieser kann man ganz auf Chemikalien verzichten – und sie hat deutlich mehr Kapazität.

Ich habe viele Leute getroffen, die daheim ein Haus besitzen und ihre Reisezeit limitieren müssen, weil zum Beispiel die Gartenarbeit ruft.

Erkenntnis 5: Ich habe den grössten, abwechslungsreichsten Garten der Welt ! Und er wird gepflegt ! Währenddem ich am Morgen gemütlich Kaffee trinke und backfrische, gelieferte Frühstücksbrötchen esse, giesst ‘mein Gärtner’ meine Oleanderhecke nebenan. Oder er mäht meinen Rasen, pflegt meine Rosenbüsche und trimmt meine Bäume. Wenn das kein Luxus ist !

Teppichweicher Rasen, tolle Aussicht, Liegestühle. Mein Garten (hier auf dem Campingplatz Epidauros in Griechenland)

Ich habe überhaupt Personal, wohin ich schaue: Die Abfallcontainer werden geleert, die Badfenster in der Sanitäranlage geputzt, der Küchenboden im Gemeinschaftsraum gefegt – und das Restaurant wird auf Vordermann gebracht, auf dass ich dort essen möge…

Freunde kann man überall finden ! Griechisch-Lektion mit anschmiegsamem Kater..

Da ich kein Anwesen zu betreuen habe in der fernen Heimat, kann ich überall so lange bleiben, wie es mir gefällt. Oder eine kleine Etappe weiterziehen. Letzteres ist sehr praktisch, wenn einem ein Nachbar auf den Wecker geht. In einer Mietwohnung oder dem eigenen Haus gestaltet sich das wesentlich schwieriger.

Ich bin so gut wie pausenlos an der frischen Luft, denn sobald ich meine Türe aufmache, sind da Garten, Sand, Strand – und ich bin draussen. Das ist auch ein kleiner Nachteil, wenn es lange regnet, also tut man gut daran, das Ziel so auszuwählen, dass dies nicht allzu oft geschieht. WENN es aber mal duster bleibt, ist so ein Tag im gemütlichen Häuschen auch nett. Der Haushalt ist im Null-Komma-Zack erledigt, dann habe ich Zeit zum Lesen – oder um mir einen DVD-Film auf dem Laptop anzuschauen.  

Wir Camper gehen oft barfuss und tragen immer wieder die gleichen paar Kleidungsstücke, welche bald Maschen ziehen vom Waschen in nicht mehr ganz glatten Maschinentrommeln. Wir sind problemlos einzuladen und bringen dafür auch gerne unseren Stuhl, ein Glas und eine Flasche Wein mit. Alles in allem sind wir eher unkompliziert und bescheiden.

Natürlich nicht alle. Auch bei uns gibt es die ewigen Angeber. Sie sind seit 20 Jahren pensioniert, wollen einen aber immer noch imponieren mit ihrer einst so wichtigen Position in der Firma X. Dann packt mich manchmal der Unmut. «Es interessiert mich nicht, was du mal warst, sondern einzig, was du heute bist.»

Als Camper beginnt man, das Alleinsein zu mögen.
Erkenntnis 6: Allein-Sein und Einsam-Sein sind nicht dasselbe. Beim Alleinsein kann ich während Tagen zufrieden durch Dörfer und Städte streifen oder dem Strand entlang spazieren, lesen oder ein Glas Wein geniessen auf dem schönsten Platz des jeweiligen Ortes – und mich über das Treiben dort freuen.

Dann legt sich hin und wieder der Schatten des unfrohen Einsam-Seins über die Freude. Einsamkeit ist das schmerzliche Vermissen von seinen Lieben daheim oder mindestens von menschlicher Gesellschaft und Kommunikation. Und wie bestellt treffe ich dann oft nette Leute und verbringe eine wunderbare Zeit mit ihnen. Und alles ist wieder gut.

Und weil wir uns wie Schiffe in der Nacht begegnen und einer von uns wahrscheinlich morgen weiterreist, halten wir uns nicht mit Belanglosigkeiten auf und sind einfach nur offen und ehrlich.
Deshalb erfahren wir von Unbekannten oft mehr in einer einzigen Stunde als früher vom Wohnungsnachbar nach einem Jahr. Auch natürlich, weil wir uns gegenseitig dankbar sind, dass wir uns getroffen haben und uns austauschen können.

Die grosse Frage, die sich mir in der Zukunft stellen wird, ist: Wo möchte ich mich nach Abschluss meiner Reisen niederlassen ?
Endlos werde ich kaum reisen können, aber das ‘Wieder-sesshaft-Werden’ kann ich mir auch noch überhaupt nicht vorstellen. Ich werde wohl so lange unterwegs sein, wie ich mein e-Bike noch allein auf den Veloträger kriege. Da das Ding gut 20 Kilos wiegt, wird es Zeit, etwas Krafttraining für die Arme einzubauen 😊

In jedem Land traf ich auf Menschen aus anderen Ländern, die sich dort niedergelassen hatten.
Auf den Kanarischen Inseln zum Beispiel. Oder in Spanien, Griechenland, Norwegen, Italien..

In jedem dieser Länder gab es traumhafte Landschaften zu bewundern, eine fantastische Pflanzenwelt, romantische Strände, eine interessante Sprache — und köstliche Spezialitäten aus der lokalen Küche. Und dennoch hat mich nie ein Ort oder eine Landschaft dermassen von sich eingenommen, dass mich dies am Weiterreisen gehindert hätte.

Ein wenig beneide ich die Zuwanderer schon, die eines Tages einfach wussten: hier möchte ich leben.

Ich bleibe zwar gerne ein paar Wochen oder Monate lang am gleichen Ort – aber vielleicht habe ich mir das tatsächliche Sesshaft-Sein ein wenig abgewöhnt..? Wir werden sehen. Es eilt ja noch nicht, denn noch kriege ich das Velo hoch..

Es ist unversehens Herbst geworden. Die gelben und roten Blätter tanzen im kühlen Wind, und abends wird es feucht auf den Wiesen.  
Ich werde also wohl demnächst Richtung Sizilien aufbrechen, da ich die Hälfte dieser Insel noch nicht kenne.

Meine baldige Abreise freut und schreckt mich jeweils gleichermassen. Es ist schon erstaunlich, wie einfach es ist, sich in ein gemachtes Bett fallen zu lassen, die gediegene Infrastruktur als selbstverständlich anzunehmen und innert kurzer Zeit zum ‘Weichei’ zu werden…

Wenn ich dann aber endlich losfahre, bin ich bald wieder im Reise-Groove und freue mich über all das Neue, was ich erleben darf !

4 Gedanken zu “Camping als Lebensstil: Mein Haus, mein Bett, mein WC..😊

  1. Avatar von Silvia und Thomas Silvia und Thomas

    Liebe Rosa, wie deine Worte doch zutreffen! Wir als ebensolche Vagabunden können deine Gedankengänge bestens nachfühlen. Wir wünschen dir auf der Reise nach und auf Sizilien alles erdenklich Gute. Nicht weit davon, in Paestum, haben wir uns kennengelernt und es zusammen lustig gehabt. Kleine Erinnerung: der Maestro der Cantina des Campingplatzes hat deinem Wunsch nach einem Fischgericht gerne entsprochen. Er hat dir Muscheln serviert, nachdem du zur Vorspeise Muscheln hattest. Wir haben herzhaft gelacht.

    Wir sind derzeit an der Cote Vermeille und geniessen noch immer einen richtigen Sommer.

    Liebe Grüsse und weiterhin viel Freude.
    Silvia und Thomas mit Labrador Lucy (in Paestum mit braunem Labrador Xoco)

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    1. Liebe Silvia und Thomas
      Es hat mich sehr gefreut, von euch zu lesen ! So eine schöne Überraschung ! Ihr seid die Basler mit der Schweizer Flagge auf der WoMo-Stirne, stimmt’s ? Die, die immer ein wenig Angst haben müssen, mit dem Roten Kreuz verwechselt zu werden und unversehens zu einem Notfall gerufen zu werden ? Oh ja, ich erinnere mich wieder ! 😊 Den Muschelüberschuss-Abend hatte ich allerdings vorübergehend verdrängt, weil ich dort schliesslich doch noch zu meinem Fisch kam….
      Euren Labrador Xoco hatte ich übrigens regionenkonform als ‚Gioco‘ gespeichert… (immerhin passt das von der Aussprache her ebenfalls..)
      Eure guten Wünsche nehme ich gerne mit nach Italien, danke. Ich habe vorhin kurz nachgeschaut, wo eure purpurne Sommer-Küste liegt, und das sieht ja wirklich vielversprechend aus. dort Ich wünsche euch weiterhin viel Spass – und danach eine gute Fahrt !
      Herzliche Grüsse, Rosa

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  2. Hallo, ich hatte von allem was Bloggen und Socialmedia anbelangt eine Zeit lang den Rücken gekehrt. Jetzt habe ich viel nachzulesen. Dein Blog ist mir einer der liebsten zum Nachlesen. Deine Aufzählung wunderbar ehrlich, humorvoll und absolut nachvollziehbar. danke dafür. Hoffe du hast schon mit dem Training begonnen, dass ich noch einige Reiseberichte zu lesen bekomme …. !! sg.Robert

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    1. Lieber Robert
      Herzlichen Dank für dein Kompliment; ich habe mich sehr gefreut darüber.

      Deine Abstinenz-Phase kann ich dir gut nachfühlen, auch wenn ich selber nicht so viel Konsequenz aufbringe…

      Sag mal: du bist doch der potentielle Aussteiger mit dem einst geplanten russischen Jeep oder Lastwagen ? Ich hoffe, du hast den Plan noch nicht ganz aufgegeben, denn ich wäre sehr interessiert, mehr darüber zu lesen (wobei es durchaus auch ein Fahrzeug mit etwas Federung sein dürfte..😊).

      Noch bin ich unterwegs, und weil mein eBike kaputt ist, werden meine (freiwillig schrumpfenden) Muskeln vorläufig nicht geprüft.

      Liebe Grüsse aus Sizilien
      Rosa

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