Camping an Bord der ‘Hellenic Spirit’ (Patras-Ancona) / Pavia und der Ticino

131_01_HellenicSpiritAls die Ländergrenzen auf- und zugingen wie Drehtüren mit einem übermütigen Kind in der Mitte, habe ich gezögert, getrödelt und bin geblieben, wo ich war.

Es war heiss, und der Schatten verlockend. Nun ist es Sommer geworden; Zeit für meine Schweizer Sommerpause und die Besuche bei meiner Familie und meinen Freunden. Zeit für Administratives (Visa erneuern, endlich einen grünen Versicherungsausweis besorgen, die Autarkie ultimativ anpacken).

Also gut: reise ich halt doch mit der Fähre. Camping an Bord ist, wenn man alle Annehmlichkeiten der Fähre nutzen kann, die Nacht aber im eigenen Camper schläft statt in einer Kabine. Normalerweise darf man nämlich nicht zurück zum Auto, wenn die Fahrzeugdecks erst einmal geschlossen sind.

131_04_Patras_adePatras – Ancona lautete meine Route, und ich habe die gesamten 20 Stunden Reise einfach nur genossen (nun ja, ein paar davon habe ich auch verschlafen).
Rückblickend weiss ich erleichtert, dass sich niemand auch nur ansatzweise dafür interessiert hat, dass ich achteinhalb Monate lang in Griechenland war statt nur sechs.

131_02_Logenplatz

Der Hafen von Patras mit der Stadt im Hintergrund – so gesehen von meinem neuen Logenplatz auf der Fähre

131_03_Deck6Ein luftiger Standort – hier hätten nochmals ein paar Dutzend Campers und LKW Platz..

Eigentlich hätten wir am 13. Juli um 17.30h ablegen sollen, aber um diese Zeit fuhren immer noch einige Lastwagen daher. Was habe ich die Fahrer der Riesendinger bewundert, wenn sie auf Geheiss der ‘Platzanweiser’ locker wendeten auf dem Pier und rückwärts auf die Fähre rollten !

Ähm: vielleicht sollte ich doch wieder einmal irgendwo im Feld das Fahren üben. Es ist nämlich schon erstaunlich, dass ich bisher überall durchgekommen bin. Hier hatte ich aber Glück: als ich dran war, hat ein kleiner Dicker mich so gut eingewiesen mit seinen knappen, präzisen Gesten, dass Ich überzeugt bin, noch nie irgendwo so gerade ausgerichtet gestanden zu haben. Oder höchstens mal aus Versehen.. Das müsste auch ein guter Tänzer sein, denke ich – er hat jedenfalls das Zeug zum Führen 😊

131_05_BrückePatras_adeNach achteinhalb Monaten ist mein griechisches Abenteuer vorbei. Mein letzter Blick auf die Brücke von Patras auf die Peloponnes links davon. Ich könnte mir gut vorstellen, wieder einmal hierher zurückzukommen.  

131_06_3xCamperVansDrei Wohnmobile an allerbester Lage

Wir sind nur zwei ‘Camping-on-Board’ – Vans. Das deutsche Paar vor mir hat im März wie viele andere ihr Mobil stehen lassen und ist heimgeflogen – nun holen sie ihre Ferien nach. Die Slowenen hinter mir haben Kabinen bezogen und waren nie zu sehen. Durch die Aussparungen an der Schiffwand kommen Luft und Licht. Herrlich !

131_07_AussichtBullauge

Was für eine Aussicht ! Meer, so weit das Auge reicht, nur hin und wieder eine kleine Insel oder ein uns kreuzendes Fracht- oder Segelschiff. Dazu den Wind in den Haaren und das Wisch-sch der Wellen gleich unterhalb.

131_08_AussichtLinks

Und dies auf beiden Seiten, denn es sind so wenig Fahrzeuge an Bord, dass ich auch links aus dem Fenster über vier leere Spuren hinweg aufs Meer blicken kann (die Wasserlinie da drüben hob und senkte sich frühmorgens bedrohlich bis über die Mittelschiene hinauf, aber nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei und alles wieder ruhig und beschaulich)  

131_09_BugBar

Wie überall, wo ich ‘mich niederlasse’, habe ich zuerst einmal eine Erkundungstour gemacht – und mich prompt mehrfach verlaufen.
Dann fand ich den Spielsalon, wo ein paar LKW-Chauffeure eben ihren Lohn in die einarmigen Banditen versenkten. Im Selbstbedienungsrestaurant wurden Spaghetti Bolognese angeboten, und in der Bar ganz vorne trockneten ein paar einsame Angestellte mit Maske unter dem Kinn Gläser ab. Es mangelt überall an Gästen – und das in den Sommerferien !

131_10_LKW_ChauffeureIrgendwann kam ich zum Chauffeur-Treffpunkt im Heck. Man sieht es den Herren an, was sie sind: beinahe alle rauchen, viele sind übergewichtig, und niemand scheint ein Interesse an der Aussicht zu haben. Aber alle kannten sich und haben einander Bier gebracht von der Theke.

131_11_DinerDa ich nun schon im Luxus-Modus war (immerhin reise ich auch ohne mein Zutun), gönnte ich mir auch gleich noch ein Dîner im Nobel-Restaurant der ‘Hellenic Spirit’, wo wir gerade mal zu dritt sassen.

Die Fischfilets waren nichts Besonderes, aber die knusprig-frischen Brötchen und drei verschiedenen Aufstriche aus Auberginen, Käse und Oliven schmeckten einfach köstlich. Am Ende der Mahlzeit brachte der Kellner einen Raki (also die türkische Variante des mit Anis gebrannten Weinbrands wie Ouzo oder Pastis). Er ging zwar aufs Haus, aber da er nicht mit Wasser verdünnt war, habe ich nur daran genippt, weil 50% Vol. auf 3.75dl Rosé ergibt…. murmel, murmel – jedenfalls zuviel 😊

131_12_Italia

Ich schlief tief und fest, nachdem ich mich an das sachte Schaukeln gewöhnt hatte. Am nächsten Tag gegen 13 Uhr stieg langsam eine Hügelkette aus dem Dunst. Wir näherten uns dem Land und Ancona.

131_13_KornfelderSchon von weitem fielen sie mir auf, die Stoppelfelder nach dem Dreschen an den Hängen, darauf die grossen, runden Strohballen, bereit zum Abtransport. Grüne Wiesen, ziegelrote statt weisse Häuser, runde Kirchenkuppeln. Das war ein Bild, das ich seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Es war wie Heimkommen.

131_14_Ancona_HafenUnd Ancona ist eine hübsche Stadt, soweit ich sie gesehen habe vom Hafen aus.

Was mir auch sofort angenehm auffiel: ich konnte alle Tafeln nicht nur lesen, sondern verstand auch, was da stand ! Hurra ! Nach den langen, griechisch beschrifteten Monaten war das ein grossartiges Gefühl !

Ich reiste von Ancona 440 km nordwärts. Die Pausen mit eingerechnet war ich dafür sechs Stunden lang unterwegs. Wenn ich nicht die Autobahn benutzt hätte, wären es elf Stunden reine Fahrzeit geworden, und darauf hatte ich nach der ersten halben Stunde auf schlechten Landstrassen spontan keine Lust mehr.

Auf einem Rastplatz kaufte ich mir ein Baguette und ein Dolcemele, eines dieser unvergleichlichen, muffin-ähnlichen Küchlein mit Äpfeln drin. Und gleich beim Eintreten wurde ich aufgefordert, eine Maske zu tragen ! Das war das allererste Mal
für mich, und ich musste das Ding erst holen im Auto, wo es seit März in der Originalverpackung gelegen hatte. Einen Moment lang kriegte ich kaum Luft. Das Ding ist schon sehr gewöhnungsbedürftig..

131_15_Maut_28.20

28.20 Euro hat mich der Einmal-Spass an Maut gekostet für vielleicht 360 km,
und wie gesagt: wenn noch irgend jemand unsere Schweizer Vignette (40 Franken, gültig für ein ganzes Jahr) zu teuer findet, springe ich ihm nahtlos ins Gesicht ! Also gut: 😊 das mit dem Springen ist nicht wörtlich gemeint, und nahtlos schon gar nicht. Aber ich werde immerhin meine Fäuste in die etwas rund gewordenen Seiten stemmen und etwas sagen, das mit «Jetzt hör’mal zu ! Weisst du, was ich in Frankreich, Österreich oder Italien…. ???» beginnt…

131_16_Ticino

Ich stehe heute auf dem Campingplatz Ticino in Pavia unterhalb Mailand bei ca. dem grünen Sternchen oben.

131_27_TicinoDer Platz liegt auf dem Heimweg und optimal für die Einreise in die Schweiz nach einem gemütlichen Reisetag

Spontan dachte ich, dass hier wohl ein Tessiner den Platz führt.
Aber nein: Unser Schweizer Fluss Ticino, nach welchem auch der Kanton benannt ist, entspringt zwar auf der Tessiner Seite des Nufenenpasses, aber beinahe zwei Drittel des Flusses finden (sozusagen) in Italien statt zwischen Lago Maggiore und Pavia, und hier in der Nähe mündet der Ticino in den Po und mit ihm ins Adriatische Meer. Tsk, für mich hörte der Ticino bisher einfach auf am Lago Maggiore…

131_17_Ticino

131_28_TicinoIch habe mir diesen Ticino angesehen – auch die italienische Version ist sehr hübsch und romantisch. Rund um Pavia ist er in einen grossen Park eingebettet. Hier treffen sich die Städter zum Baden und sich Erholen.

131_18_Pavia
Pavia, Piazza della Vittoria. Das ist nur eine der hübschen, lebhaften Ecken in Pavia – ein schönes Städtchen !

131_19_Pavia

131_20_PonteCoperto
Der Stolz der  – ähh: Paviane (?) : die Gedeckte Brücke (Ponte Coperto)

131_21_PonteCoperto2Die Geschichte ist ebenso lang wie die Brücke, aber kurz gesagt wurde sie während dem letzten Krieg zerstört und danach wieder aufgebaut. Die Vögel sitzen reihenweise auf dem Brückendach – und die Jugendlichen auf deren steinernen Geländern.

131_23_EinsteinSo, jetzt wissen wir’s: auch Einstein fand die Brücke (relativ) schön ! 😊

131_22_PonteIch werde morgen nordwärts halten – und mit etwas Glück am Freitag in der Schweiz ankommen.. 😊

131_24_Graffiti

4 Gedanken zu “Camping an Bord der ‘Hellenic Spirit’ (Patras-Ancona) / Pavia und der Ticino

    1. Guten Morgen, liebe Jutta und Markus
      Herzlichen Dank für die Blumen 😊
      Ich selber freue mich immer auf EURE Beiträge ! Manche Bilder kommen mir bekannt vor, vieles ist mir neu (müsste ich mir unbedingt noch ansehen..😊). Ihr habt noch einiges vor gemäss eurer ToDo-Liste 😃 Dann mal los – und geniesst die Reise – viel Glück und immer gute Fahrt ! Liebe Grüsse !

      PS Führt sofort eine Maut ein – dann ärgert ihr euch weniger über die Abzockerei in anderen Ländern ! (Hm..Andrerseits habe ich bewiesen, dass das nicht unbedingt so ist.. 😂)
      PPS Ich bin in der Schweiz angekommen. Die Schokolade IST gut – auch bei 12 Grad Aussentemperatur (ZWÖLF !) Mamma mia ! 😜

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  1. Avatar von Jon Erik Kramer Jon Erik Kramer

    Liebe Rose
    ist nicht gerade den beste Zeit wieder in der Schweiz zu kommen.
    Ich könnte mal dir ein paar Fahrstunden geben und zusammen das auto besser kennen zu lernen hin und rückwärts.
    Lg Jon Erik

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    1. Salü Jon Erik 😊
      Na, DAS ist ja eine gute Idee ! Darauf komme ich sehr gerne zurück, danke ! 👍 (wird ja auch Zeit, dass ich das Fahren lerne..).

      Dass es nicht die beste Idee war, gerade jetzt hier zu sein, habe ich bereits bemerkt; ich bin gestern Abend angekommen, stehe weit über dem Lauerzersee – und wurde verregnet – soviel zur dramatischen Aussicht. Mamma mia, ist das KALT hier ! Nun ja, dafür auch grün 😊
      Liebe Grüsse inzwischen – Rose

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