Warum ich zum ‘Saison-Camper’ wurde..

114_01_Anemomilos
Vor einer Woche wurden auf dem Campingplatz Thines die Eucalyptusbäume gestutzt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch gleich das Wlan-Kabel fein säuberlich durchtrennt. Seither waren wir offline.
Deshalb komme ich auch erst jetzt, und dies auch nur deshalb schon jetzt, weil zwei Nachbarn die Geduld ausgegangen ist und sie das Kabel selber repariert haben 😊
Geht doch !

114_32_lilaWiese

Saison-Campers gibt es hier zwar nicht viele, aber ein paar wenige kommen seit Jahren jeden Winter. Einer davon hat sich doch tatsächlich beklagt, dass neuerdings deutlich mehr los sei als noch vor ein paar Jahren. Echt jetzt ? Momentan stehen wir noch zu fünft auf dem Platz ! In Spanien sind die Winter-Campingplätze jeweils ausgebucht, und auch in Italien sind sie deutlich voller.

Ich stehe doch tatsächlich seit zwei Monaten in Finikounda. Wie die Zeit vergeht ! 😊

114_02_Hafen_Fini

Warum ich immer noch an der Westküste wohne ?

Vor allem deshalb, weil die Alternativen wettertechnisch wenig erbaulich sind.
In Leonidio an der Ostküste wird zwar mehr geboten an Tavernen und Einkaufsmöglichkeiten, und da sich dort die Jungen aus halb Europa zum Klettern in den Felswänden treffen, dürfte auch etwas mehr los sein, aber es ist auch zwei bis vier Grad kälter – und die Sonne sinkt bereits um 15.00h hinter den Kletterfelsen. Sobald sie aber weg ist, wird es sehr rasch zu kalt zum draussen Sitzen (hier auch, aber eben deutlich später). Ich möchte da gerne noch hin, aber es eilt ja nicht.

114_03_maps
Auch auf Kreta ist es kühler als hier, und dort bläst ausserdem ein kräftiger Wind. Auf der Insel wird es erst im Frühling angenehm. Ich hatte mich da wohl etwas zu sehr auf ‘Den Süden’ verlassen, dabei aber die Kraft der Sonne falsch eingeschätzt. Sobald sie scheint, ist es nachgerade heiss draussen, und sobald sie es nicht tut, empfindlich kalt. Auch Wind raubt der Sonne rasch die Wärme. Wir stehen hier in einer windgeschützten Bucht und haben seit etlichen Wochen keinen Regen mehr abgekriegt ausser einem gelegentlichen nächtlichen Spritzer.

114_04_Sunset

Ausserdem ist der Blick aufs Meer und auf die kleinen Fischerboote, die vor dem Einnachten gemächlich draussen vorbeiziehen, gar zu schön. Der Sonnenuntergang um 17.30h herum ist immer wieder bezaubernd. Das wöchentliche Essen bei unserer Olivenbäuerin und Platz-Chefin Despina ist ein erfreulicher Fixpunkt geworden in unserer locker besetzten Agenda, und unsere kleine Gemeinschaft ist entspannt – und doch jederzeit für ein kleines Fest oder gemeinsame Ausflüge zu haben.

Hier ein paar Momentaufnahmen:

Dreikönigstag oder ‘Fest der Taufe Christi’ – ein hoher Feiertag

114_05_Kirche_Fini

Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Ich hätte nie gedacht, dass im Dorf so viele Leute wohnen. Die waren und sind halt sonst immer noch alle mit der Olivenernte beschäftigt. Aber am 6. Januar waren sie in ihren Festtagskleidern in der Dorfkirche anzutreffen, und danach schritten alle feierlich hinter Priester und Messeknaben her zum kleinen Hafen.

114_06_Prozession_Fini

114_07_Prozession_Hafen

Alter Brauch an Griechenlands Küsten

Damit hatten sie uns schon am Morgen zum Hafen gelockt:
Der Priester würde nach dem Gottesdienst das Meer segnen und danach ein Kreuz ins Hafenbecken werfen, worauf sich alle wagemutigen Dorfburschen ins kalte Wasser stürzen und danach tauchen. Und dem Finder des Kreuzes lacht ein Jahr lang das Glück. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen.

114_08_Kreuz
Ähm… Ganz wie erwartet lief das Ganze nicht ab.
Der Priester warf zwar tatsächlich ein Kreuz ins Wasser, aber erstens war dieses aus Plastik und schwamm deshalb mindestens so gut wie jede Gummi-Ente, zweitens hing das Ding zusätzlich an einer Schnur und hätte jederzeit zurückgezogen werden können..
114_09_Schwimmer
.. und drittens rissen sich ein einziger junger Mann und ein alter Tourist um das Privileg, dafür ins Wasser zu stürzen, wobei der Engländer dem Burschen galant den Vortritt liess und eher pro Forma mitschwamm. Aber sonst war’s richtig spannend.. 😊

114_10_Schwimmer2
114_11_Gewinner
Etwas später ging der erfolgreiche Kreuz-Fischer durch die Restaurant-Terrassen und sammelte Geld in einem Körbchen, und jeder Spender küsste anschliessend das Plastikkreuz. Vielleicht färbt damit ja etwas vom Glück auf den Spender ab. Ich zähle darauf, dass das auch für Spender ohne Plastik-Küsse gilt. Und ich hoffe, dass das Geld im Korb für den jungen Mann war und nicht für den geschniegelten Priester.

114_12_Food
Wir wandten uns bald anderen erfreulichen Dingen zu und genossen kleine, knusprige Tintenfischchen und Sardinen, Souvlaki-Spiesschen mit griechischem Salat und eine Karaffe Weisswein, dazu gab’s gratis die warme Feiertags-Sonne und den Blick über den Hafen.

Abschiede

114_13_Abschiede

Morgen werden die beiden Paare links abreisen. Sie werden uns fehlen !
Beim lustigen Abschiedsfest bewies Maggie (Mitte hinten), dass sie sehr gut Gitarre spielt und herrliche Lumpenlieder vorzutragen weiss. Im ‘richtigen Leben’ betreibt sie im österreichischen Dürnstein eine Radler-Kneipe.

Ihr Freund Leo (3.v.l.) ist ein Bündner, Bernhard links neben Leo ein waschechter Bayer mit einem schier endlosen Repertoire an Witzen, und seine Monika ganz links der ruhende Pol.
Sabrina (rechts) hat eine fantastische Singstimme; sie und Philip bleiben noch ein paar Tage, müssen aber ebenfalls bald zurück nach Deutschland an die Arbeit.

Scherben und Nachbarn – und das Meer

114_14_Apéro
Jutta und Karl (links) wohnten während 16 Jahren in ihrem eigenen Haus am Berg mitten in einem Olivenhain. Wahrscheinlich färbt Griechenland etwas ab, denn Karl gleicht Alexis Zorbas ziemlich, nicht ?
Nach dem Verkauf ihres Hauses sind auch sie zu ‘Überwinterern’ geworden in ihrem Wahldorf Finikounda. Sie schlafen zwar im Camper in der Nähe von unserem Platz, aber dieser steht direkt neben einer kleinen Ferienwohnung für den Aufenthalt tagsüber (der Komfort einer warmen Dusche und eines WCs in der Nähe ist nicht zu unterschätzen, wie ich inzwischen gelernt habe).

Mit Priska und Oski (rechts) zusammen habe ich schon einige Ausflüge unternommen. Wir haben es immer fidel miteinander. Sie sind übrigens Schwyzer, nicht Nidwaldner, wie ich einst fälschlicherweise angemerkt hatte (immerhin stimmt die Richtung..).

114_15_Apéro
(wie man sieht, bin ich inzwischen das, was wir als ‘gut beieinander’ bezeichnen  – meine Lieblingsjacke spannt jedenfalls bereits etwas in der Mitte..)

Nach dem letzten Freitags-Buffet wurde uns ein Liter Weisswein spendiert von der Wirtin. Da wir schon genug getrunken hatten – und jeder bereits einen Ouzo vor sich stehen hatte – haben Oski und ich die Karaffe Wein diskret in meine rasch geholte Glasflasche mit Bügelverschluss umgefüllt. Diese hatte ich gekauft, weil das auf dem Tisch da oben keine Essig- und Ölflaschen sind, sondern PET-Weinflaschen ! Iiiiks !

Da der Wein für alle am Tisch gedacht war, habe ich die ganze Runde zum Apéro eingeladen am nächsten Tag – und bald danach ging die Flasche in meinem Rucksack praktisch spontan zu Bruch – eine Seitenwand fiel einfach weg; sonstige Scherben gab es keine. Ich tropfte folgerichtig das Restaurant voll, schnitt mir beim Entsorgen der zwei Stücke in den Finger – und hatte generell den Salat im Rucksack.

Die Nachbarn kamen auch tatsächlich am nächsten Tag, und zur Feier des Tages haben wir den ‘Ersatz-Wein’ halt doch aus den PET-Flaschen getrunken. Nach der anschliessenden Ouzo-Degustation von Oski waren uns die PET-Flaschen auch ziemlich egal.

Furt-Intermezzo

114_16_Furt
Eine ‘Furt’ ist ein seichte Stelle, an welcher man einen Bach oder Flusslauf überqueren kann. Es gibt hier etliche davon. Sie sind nicht sehr tief, aber meistens tiefer als ein Schuh hoch ist. Wir haben an dieser Stelle zwar kunstvoll Steine verlegt (meistens werden sie vom nächsten Regen weggeschwemmt), aber ich habe mir heute dennoch einen Schuh voll Wasser geholt, als einer der Steine ins Wackeln geriet und ich das Gleichgewicht erst knapp daneben wieder fand.
Man könnte natürlich auch kurz die Schuhe ausziehen. Pflitsch, pflotsch, pflitsch – ja, ich glaube, nächstes Mal wähle ich diese Variante.. 😊

114_17_Kirche
Byzantinische Architektur und griechische Kirchen

Als 395 n.Chr. das Römische Imperium in zwei Teile zerfiel, gehörte Griechenland zum ‘Oströmischen Reich’ und wurde von Konstantinopel aus regiert (Konstantinopel hiess auch Byzanz und inzwischen Istanbul). Dieses Reich hatte Bestand bis 1453. Im Laufe der Jahre wurde die römische Architektur durch Stilelemente aus dem Nahen Osten erweitert. Für Kirchen galt als Grundform das griechische Kreuz mit gleichlangen Seiten, neu hinzu kamen Kuppeln und Halbkuppeln. Griechenlands Kirchen werden bis heute in diesem Stil erbaut.

Die Innenwände sind mit farbenfrohen Fresken bemalt, deren Stil oft reizvoll naiv wirkt mit seinen maskenhaften Gesichtern vor goldenem Hintergrund. Bedauerlicherweise sind die Kirchen meistens verschlossen. Hier mussten wir uns jedenfalls mit dem Anblick der einheitlich weissen Marmorgräber begnügen. Immerhin sind die Plastikblumen darauf bunt.

114_18_Pylos

Omnia !

114_19_Omnia

Dieses billige Aluminium-Teil mit dem Chromstahl-Untersatz nennt sich ‘Camperbackofen Omnia’ – man ‘bäckt’ damit auf dem Gas- oder Elektroherd.

In den Omnia-Gruppen auf Facebook gibt es Leute, die stellen Selfies mit dem originalverpackten Omnia neben dem eigenen Grinsen online und schreiben dazu: «Oh Glückseligkeit, mein Omnia ist endlich eingetroffen !» – und die meinen das ernst !
Wenn einer dasselbe tun würde mit seiner neuen Salatschleuder, würde er (zu Recht) als durchgeknallt bezeichnet, aber das Blechding mit einem Materialwert von schätzungsweise 95 Cents hat halt gerade Kultstatus und kostet deshalb auch zwischen 50 und 70 Euro.

Bald folgen dann die Backbilder der glückseligen Anwender: völlig eingefallene Kuchen, die untere Hälfte schwarz verbrannt, oben farblos, dazwischen eine nicht aufgegangene Pampe. Und darunter der begeisterte Kommentar: «Hat dennoch unglaublich lecker geschmeckt». Na toll.

Ich hatte mir so ein Ding gekauft, ehe ich der Gruppe beitrat und damit rasant die Motivation verlor. Es liegt immer noch in der Originalverpackung hinten im Auto.
114_20_Sachertorte
Tja, und dann waren wir zu einem Omnia-Kuchen eingeladen beim Innsbrucker Herbert auf dem Platz.
Alle haben mitgebracht, was ein Campingplatz-Gastgeber von seinen Gästen erwarten darf, in diesem Fall je einen Stuhl, einen Kuchenteller mit Gabel und einen Kaffee. Herbert kredenzte einen Sacher-Cake mit Schlagrahm. Ich gebe es ja zu: der Kuchen war nicht nur sehr luftig, er schmeckte auch ganz wunderbar! (Herbert war in seinem früheren Leben allerdings auch Koch und Konditor).

Nach meinen bissigen Kommentaren zum Thema stehe ich nun allerdings im Zugzwang und werde den Blechring noch hier in Finikounda einweihen müssen. Das hat man dann davon. 😊

114_21_Eucalyptusschnitt

Eucalyptus-Trimmen

Vor einer Woche ging es laut zu und her auf dem Platz: Mit einem halben Dutzend kleiner Motorsägen und der Hilfe eines Hebekrans wurden die Eucalyptus-Bäume zurechtgestutzt. Diese schnell wachsenden Bäume sind nach wenigen Jahren gute 20 Meter hoch.

114_22_VorherNachher
Vorher – Nachher
Die Wintersonne scheint nun ungehindert auf den Platz, aber die Spatzen, die sich beim Dunkelwerden immer als laut zwitschernde Wolke in den Kronen getroffen hatten, konnten es zuerst kaum fassen, dass ihr Versammlungsort schlicht nicht mehr existieren soll.

114_23_Gschwellti
Die griechische Küche ist richtig gut, aber von Zeit zu Zeit überkommt einen die Lust auf ein Gericht aus unserer eigenen Kochkultur.
An diesem Abend waren Herbert und ich Bei Priska und Oski zu ‘Gschwellti und Chäs’ eingeladen. Was für ein Fest !

Ich war dabei, als die Beiden den Käse kauften in Pylos. Als wir später auf den Bus warteten, flüchtete Priska plötzlich ein paar Schritte zur Seite und bemerkte, wir stünden wohl neben einem undichten Kanalisationsrohr. Im Bus begann dann das grosse Kichern: es war der sehr reife Camembert in Oskis Rucksack, welcher die Falschmeldung verursacht hatte – die Kanalisation war ganz und gar unschuldig !

Traumhaus auf dem Berg

114_24_Hausbau

Jutta kennt viele Geschichten zu ihrer einstigen Nachbarschaft auf dem Berg.
Hier zum Beispiel hat ein deutsches Paar jahrelang im Wohnwagen da hinten gelebt, währenddem sie eigenhändig ihr Traumhaus bauten. Jeden Backstein haben sie selber eingemauert, alles Material selber angeschleppt.

Leider dauerte das Ganze so lange, dass sich der einstige Enthusiasmus in gallige Bitterkeit verwandelte. Das Paar trennte sich und ging zurück nach Deutschland. Ein seltsam gewordener deutscher Kollege der Beiden wohnt nun auch schon seit Jahren hier, trinkt viel – und fügt dem Bau hin und wieder etwas hinzu.
Jutta meinte, die gläserne Schiebetüre zur Talseite sei neu. In ein paar weiteren Jahren dürfte das Haus durchaus bewohnbar sein – oder bereits wieder renovationsbedürftig. Davon gibt es viele hier; sie zeugen vom Banken-Crash und von vielen privaten Missgeschicken.

Tiroler Fest in Finikounda

114_34_TirolerMenü

Für morgen Mittag haben wir glücklichen Peloponnesianer eine besondere Einladung erhalten von unserem Kuchenbäcker und Koch Herbert, eine nämlich zum ‘Ersten Tirolerfest in Finikounda’ ! Das Menü klingt ja wirklich sehr vielversprechend ! Ich freue mich schon tierisch auf den Schmaus !

114_35_cats
Ups ! Ich glaube, ich habe die Butter wieder zu laut aufs Brot geschmiert..

Zum Abschluss ein paar peloponnesische Schnappschüsse – und sonnige Grüsse von mir 😊
114_30_Iris

114_25_Wäsche

114_26_Olivenbaum

114_27_Hausruine
114_31_Blumenwiese

114_29_Pylos_Ruine

114_28_Hafen_Fini

114_33_Olivenwald

2 Gedanken zu “Warum ich zum ‘Saison-Camper’ wurde..

  1. Avatar von Henriette Streuli Henriette Streuli

    Liebe Rösli, hatte mir schon Sorgen gemacht…danke wieder für deinen ausführlichen , lustigen Bericht und die schönen Bilder. ..
    Hier ist wieder alles gut nachdem Christian 10 Tage im Bett gelegen ist ( Verdauungs-, Herz- und Muskelzerrungsprobleme).
    Ganz liebe Grüsse aus Oberrüti bei -4°C , heb dir Sorg!

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Henriette

      Danke dir ! Es ist schön, wenn sich ein paar nette Leute Sorgen machen um einen.
      Man hat damit die Gewissheit, dass man nicht ganz verschwinden könnte, ohne dass es jemand bemerken würde..😊
      Hat Christian etwa so ‚Längiziiti‘ nach den Schafen, dass es ihm ans Herz ging ? Oder weiss er einfach noch nicht, was er mit der vielen Zeit anfangen soll ? Ich wünsche ihm auf jeden Fall alles Gute – bitte sage ihm, dass man sich mit der Zeit gut an den Müssiggang gewöhnt !

      Ich wünsche euch Beiden auf jeden Fall einen guten Tag und allerbeste Gesundheit !
      Liebe Grüsse
      Rösli

      Like

Hinterlasse eine Antwort zu Lost in Europe Antwort abbrechen