In Campomarino bin ich deshalb gelandet, weil keine anderen Campingplätze offen sind in der Gegend.
Erst dachte ich ja, dass ich ganz alleine auf dem grossen Gelände stünde (und wollte gleich am nächsten Tag weiterfahren), aber dann sah ich ein Paar mit einem grossen Hund am Strand spazieren , und wie das Leben so spielt, wurde ich angesprochen und habe meine Tage hier damit verbracht, mit Linda und Dieter Ausflüge zu machen, einkaufen zu gehen und bei ihnen zu essen.
Das kam mir sehr gelegen, denn die Standard-Sicherungen auf diesem Platz haben 3 Ampères (normal sind 16 Amp.), da war schon ein Kaffee aus der Nespresso-Maschine ein nervenaufreibendes Abenteuer. Ich habe also nicht nur warm gegessen, sondern hatte auch noch anregende Gesellschaft. Ich merke immer wieder, dass das Schönste am Reisen ganz eigentlich das Treffen von Menschen ist.
Der Stausee Guardialfiera
Der Stausee und eine wunderschöne Gegend !
Weinfreund Michel hat mir den Besuch des Sees empfohlen. Er entstand 1976 durch das Stauen des Flusses Biferno. Ein toller Ausflug ! Schöne Landschaft, und man fährt eine gute Strecke auf Viadukten über den von Wäldern umsäumten See.

Im Stausee verschwand 1976 auch diese antike Brücke am Fluss Biferno (rechts), über die 200 v.Chr. der grosse Stratege Hannibal seine Armeen geschickt haben soll

Die Hauptstrasse von Guardialfiera – hier konnte ich noch fotografieren, später brauchte ich alle Hände, um das Steuerrad zu umklammern (und mir den Schweiss von der Stirne zu tupfen..)
Aus reiner Neugier war ich ins gleichnamige Dorf hinaufgefahren – und musste dort auf engsten Einbahn-Strässchen ein Runde drehen, um wieder aus dem Ort zu finden. Es war teilweise so eng, dass ich den Fussgängern, die sich bei meinem Vorbeidrücken in einen Hauseingang stellen mussten, problemlos hätte die Hand schütteln können zum Dank..


Menschen auf Campingplätzen

Campomarino: Linda und Dieter kommen mit Hund Rambo und Katze Strega seit Jahren den Winter über hierher; Linda verbrachte schon als Kind ihre Sommerferien auf dem Platz mit ihren Eltern.
Eigentlich sind die Beiden noch viel zu jung für die Rente, aber beide hatten eine traurige Geschichte von Todesfällen während ihrem Berufsleben als Strassenbahnfahrer. Man kann sich schwer vorstellen, was so etwas mit einem macht.
Jedenfalls waren sie so gastfreundlich, dass ich nicht anders konnte als noch eine Weile dazubleiben. Ich setzte mich auch gerne dazu, wenn Linda Spinat mit Kartoffeln und Eiern kochte oder Dieter Fleischspiesse grillierte. Dank Gesellschaft kam ich auch wieder mal zu einem ordentlichen Glas Wein und habe gelernt, dass die Falanghina-Traube einen fruchtig-feinen, sehr erfreulichen Weissen ergibt !
Der Fluch des Karaoke-Sängers

Am Freitag Abend wurden drei grosse Wohnwagen aus Neapel auf den Platz gefahren, bildeten direkt neben mir eine Wagenburg für zwölf Personen, und los gings mit dem Käferfest. Ich gönnte es ihnen gerne. Dann fragten sie mich, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn sie später noch etwas singen würden. Nein, natürlich nicht ! Ich hörte förmlich die alten italienischen Volkslieder wie ‘La Bella Polenta’ oder ‘Bella, ciao’ und freute mich darauf.
Um 20 Uhr aber machte die Karaokeanlage ‘Kriiiiitsch’, und dann meuchelte ein einziger Sänger drei Stunden lang sämtliche Schlager, die er wiedergab, von Umberto Tozzis ‘Gloria’ über Celentano und Ramazzotti bis hin zu mehreren erwürgten ‘Ti amos’. Der stümperhafte Sänger tat jeder Melodie (mehrfach verstärkt!) ein Leid an und sang prinzipiell einen guten Zacken am Originalton vorbei. Bei hohen Passagen schrie er aus voller Kehle , um die Noten dann doch nicht ganz zu treffen. Es war grauenvoll !
Ich schlug der Gruppe am nächsten Tag vor, das Mikrofon nach jedem Lied jemand anderem zu geben, damit alle eine Chance hätten, sich zum Idioten zu machen.
Meinen Mikrofon-Tipp befolgten sie zwar nicht, aber das Samstag-Konzert ging verdächtig früh zu Ende.
Am Sonntag Nachmittag packten die Familien alles zusammen, und auf dem Platz kehrte wieder himmlische Ruhe ein. Der Fluch ? Mich verfolgt ‘Gloria’ seit einer Woche, dabei mag ich das Lied gar nicht.
Die Musikerin Giovanna Marini sammelt seit Jahrzehnten alte traditionelle Lieder in Italien zusammen.
In den Sechzigerjahren hat Marini ein Konzert dieser alten Lieder organisiert. Dabei kam es zum Eklat, weil die ‘bessere Gesellschaft’ fand, ‘Kultur’ gehöre ihnen und es gehe nicht an, dass Arbeiter und Bauern auf der Bühne stünden und sängen – und sich so in die gehobene Kultur einmischten. Eine aufgetakelte Dame schimpfte, sie bezahle doch nicht 1000 Lire, um dann ihrer Putzfrau beim Singen zuzuhören.
Gewisse Darsteller sangen deshalb immer gekünstelt vibrato bei öffentlichen Konzerten – das gab ihnen den Anstrich von Kultur, und der ‘high society’ gefiel es wohl, weil es ihnen denselben Anstrich gab..
So etwa hat es in den Reisfeldern und beim Ziegen-Melken damals geklungen, ungekünstelt und mit einem Druck in der Stimme, der durch den ganzen Körper aufgebaut worden war (ich merke gerade, dass ich nicht weiss, wie man hier einen Link einfügt, also bei Interesse Adresse kopieren und im Browser einfügen, ja ?)
https://www.youtube.com/watch?v=yTdWr-bRmrI
Und weil’s gar zu schön ist (etwas in der Art hatte ich von meinen Wagenburg-Nachbarn erwartet): https://www.youtube.com/watch?v=eB4lhem-biU
Warum man immer an denselben Ort zurückkehrt
Ich glaube, ich habe inwischen auch verstanden, warum so viele immer an denselben Ort fahren, wenn sie einmal damit begonnen haben: sie kennen nicht nur alles an diesem Ort, sondern sind ganz eigentlich ein Teil von der Dorf- oder Camping-gemeinschaft geworden (gilt natürlich auch für Ferienwohnungen und Stamm-Hotels).
Linda und Dieter helfen zum Beispiel auch einmal aus auf dem Platz, sind befreundet mit vielen anderen, die ebenfalls immer wieder kommen (spätestens an Ostern ist der Platz voll, und das Fest mit dem langen Tisch auf der Strasse legendär bei den Stammgästen), und im Dorf sind sie bekannt bei ihrem Metzger, ihrem Wein- und ihrem Olivenöl-Produzenten. Und natürlich in ihren Restaurants !

Wir besuchten zusammen eines dieser Restaurants, das ich nie im Leben gewählt hätte. Es gehört zu einer Tankstelle und sieht von aussen nach gar nichts aus. Dort assen wir aber ein herrliches Fisch-Menü. Gut, der Lachs hätte nicht sein müssen, aber es war halt Samstag, und da essen alle Italiener auswärts; da musste etwas ‘Exotisches’ dazu zur Feier des Tages..
Der grösste Nachteil vom ‘Immer-an-denselben-Ort-Fahren’ ist andrerseits, dass sich alles ändert mit den Jahren, und meistens nicht zum Besseren.
Dabei wollte man einfach, dass es immer so weitergeht, wie man es in Erinnerung hat. Und das geht halt nicht; man selber ändert sich ja ebenfalls, ob man will oder nicht.
Ich bleibe dabei, Neues sehen zu wollen. Auch wenn ich mir gut vorstellen kann, dass die Versuchung gross ist, einen für gut befundenen Platz anzusteuern, wenn man wieder in derselben Gegend ist. Wir werden sehen. Für mich wurde es nach neun Nächten in Campomarino höchste Zeit, weiterzuziehen.
400 km der Adria entlang von Campomarino nach Bellaria

Man hatte mir gesagt, dass die Reise der Adria entlang nichts Schönes wäre, aber wenn man auf der gepflegten Autobahn oberhalb der Küste gegen Norden fährt, liegt rechts das babyblaue Meer und links ziehen sich frisch gepflügte Felder entlang der Hügel. Kleine Dörfer mit einem Kirchturm in der Mitte klammern sich an die Kuppen von kegelförmigen Erhebungen, und dahinter steht blendend weiss die Bergkette des Appennin. Und manchmal liegt davor ein rosa Wölkchen aus blühenden Pfirsichbäumen.
Doch, das war eine wirklich schöne Strecke, auch wenn die Küste selber oft einen etwas zersiedelten Eindruck macht. Leider kann man beinahe nirgends anhalten zum Fotografieren, weshalb meine Bilder aus dem fahrenden Auto eher Zufallstreffer sind als Vorsatz..

Für meinen nächsten Stopp hatte ich Sirolo bei Ancona vorgesehen, endete dort aber auf einem düsteren, leeren Mini-Platz im dunklen Schatten und verliess den wenig einladenden Ort wieder, nachdem ich eine halbe Stunde auf ‘Betreuung’ gewartet hatte (es war ja auch gerade Siesta-Zeit, und diese wird hierzulande rigide eingehalten: zwischen 12.30h und 16.30h ist so ziemlich alles geschlossen ausser ein paar Restaurants, welche Mittagessen anbieten).

Und nun bin ich in Bellaria, ein paar Kilometer nördlich von Rimini und 180 km südlich von Venedig.
In der Bar Centrale, die am Strand in 10 Minuten erreichbar ist, gibt es zwischen 17.30h und 20.30h ein Aperitivbuffet. Mit jedem Drink kann man sich auch ein Tellerchen füllen mit warmen Pizzastücken, Schinken, Chili con Carne, Würstchen, Pommes und Salat. Die Mutter des Wirts stellt dies alles bereit. Ohne Buffet kostet ein Glas Wein 5 Euro, mit Buffet 6 Euro (gutes Marketing ist eine feine Sache; wir waren bestimmt zwölf Leute da drin). 😊
Demnächst reise ich weiter nach Venedig, das bekanntlich auch als ‘La Serenissima’ (die Durchlauchteste bzw die Ruhige, Gelassene) bekannt ist.


Hallo Rosa,
es scheint Dir ja weiter gut zu gehen und Du läßt es Dir hoffentlich auch weiter gut gehen!
Unsere Reisezeit neigt sich jetzt schnell dem Ende zu. Sind über Pompeji, Neapel, Rom, einige Seen, Siena und Florenz heute am Gardasee in Peschiera gelandet und wollen am Samstag wieder zu hause sein.
Noch eine schöne Weiterreise und herzliche Grüße von Heike und Holger!
LikeGefällt 1 Person
Guten Morgen, Heike und Holger
Ich dachte doch beinahe, dass ihr bereits zuhause wärt. Wie schön, dass ihr all diese schönen Orte noch besuchen konntet, ehe es soweit ist.
Wie war’s am Gardasee ? Könnt ihr mir dort einen Campingplatz empfehlen ? Eine Freundin kommt nächste Woche nach Venedig, und wir fahren danach via Österreich kurz in die Schweiz, ehe ich mich nach Skandinavien aufmache. Na-haaaa ? 🙂
Euch wünsche ich eine gute und sichere Heimreise – bis bald mit herzlichen Grüssen !
Rosa
LikeLike
Wir stehen in Peschiera del Garda auf dem Stellplatz mitten in der Stadt. Hat WC, Dusche und WLAN für 18 €, zahlbar am Automat . Die meisten Plätze haben hier noch geschlossen. LG Heike und Holger
LikeGefällt 1 Person
Ja, an der Adria ist es auch so – man nimmt, was man kriegt.. 😃
Stellplatz ist nicht so gut – meine Freundin braucht ein Bungalow-Bett.. Wird sich schon etwas finden, notfalls halt ein Hotel.
Danke euch – macht’s gut !💕
LikeLike
Hallo Rosa
Du willst auch in den Norden? Wir reisen vor Ostern (oder wenn wir ready sind ;-)) Richtung Norwegen – die Vorfreude ist gross! Vielleicht kreuzen sich unsere Wege wieder einmal, s’wär lässig :-).
Schön, hast du den Winter in südlichen Gefilden gut und unbeschadet überstanden.
Mit frühlingsfröhlichen Grüssen
Katharina und Hansruedi Steinmann, Embrach
LikeGefällt 1 Person
Salut Katharina und Hansruedi 🙂
Wie schön, dass ihr auch zugange sein werdet im Norden ! Wer weiss, ob wir uns da nicht wieder einmal über den ‚Raclette-Weg‘ laufen…
Ich kenne das mit dem ‚..oder wenn wir ready sind‘ gut: eigentlich wollte ich heute vorübergehend nach Fusina auswandern, aber der Tag hat so grau begonnen, dass sich die Lust aufs Reisen gleich wieder verabschiedete.. Vielleicht morgen… 🙂
Liebe Grüsse an den Frühling – und natürlich an euch. Rosa
LikeLike