“Darraptschen offa da Vesuvio on sixatisixa hectaris offa Pompeii !”

1_VesuvDas Forum von Pompeji (der Hauptplatz, auf welchem Versammlungen und Feste stattfanden)– dahinter der Vesuv in 10 Kilometer Entfernung

Good-a morning-a, my name-a is-a Stella, and-a I’m-a your guide-a ! So begrüsste heute Morgen die blond gefärbte junge Dame unser Grüppchen von 16 Leuten vor dem Bahnhof. Wunderbar; es stimmt also doch, was man sich über italienisches Englisch erzählt.

Die nächsten beiden Stunden versuchte ich, gleichzeitig die Gegend zu bewundern und Stellas Kommentare simultan zu übersetzen oder die Aussprache einfach herrlich zu finden, etwa «Fruuits and Vetschetabulls» oder «Darraptschen offa da Vesuvio». Letzteres entpuppte sich als ‘Eruption’ (die sagenhafte vom Jahr 79 auf alle 66 ha von Pompeji), und wir haben das Wort ‘Darraptschen’ so oft gehört, dass ich es wahrscheinlich nie mehr los werde. Mosäck-a sind übrigens Mosaike, von denen es viele gibt in der Stadt.

Ah, und dann gabs da noch Stellas Satz: «Broddels in Pompei were allegal» – jä: waren sie’s nun oder waren sie’s nicht ? Dann besuchten wir so ein Freudenhaus – jawohl, sie waren legal. Ok ! Nun wissen wir zum Glück, was uns andernfalls doch sehr gefehlt hätte in unserem Allgemeinwissen..

2_Stella
Stella in Aktion. Unser Grüppchen bestand aus der Kalifornierin links (mit dem empfohlenen Outfit aus ‘Reisen unter Italiens Herbstsonne’), dem Schweden rechts, mehreren Neuseeländern, Aussies, zwei Inderinnen und ein paar Engländern.

Eigentlich heisst die Stadt einfach nur POMPEI. In Englisch schreibt sich der Ort mit ii (ich habe ihn auch so geschrieben im Titel, denn Stella sprach ja sozusagen englisch..), und in Deutsch wurde die Endung zu ‘-ji’, damit die Endsilbe nicht als Hühner-‘Ei’ ausgesprochen wird..

Für den Eintrittspreis von €15.- gab’s ein Ticket und eine Stadt-Karte, die sich nach dreimal entfalten sauber in ihre jeweiligen Rechtecke auflöste. Das Puzzle ist aber nicht schuld daran, dass ich mich später verlief in Pompeji – ich hatte einfach wieder einmal auf mein Bauchgefühl gehört bei der Suche nach dem Ausgang und fand nun Stadtteile, die möglicherweise noch nie von Touristen besichtigt worden waren. Aus gutem Grund, wie ich zugeben muss: es gab dort vor allem viele Matallgerüste und Verbotsschilder..

3_Pompeji
Pompeji. Es ist seltsam, durch eine Stadt zu wandern, die seit bald 2000 Jahren wie ein Pfirsich in einem Einmachglas gelegen hat.
Eine grosse, unbewohnte Stadt, in der man noch immer das einstige Leben erkennt: ‘Take-Away’-Kochstellen an den Strassen, öffentliche Wasserbrunnen,  Läden mit verblassten Schriftzeichen; Bäckereien mit Mühlen und Holzöfen, Malereien in satten Farben in den Atrien der Reichen.

Inmitten dieses früheren Lebens steht heute ein grosses Restaurant, in den Ruinen verteilt findet man einige mit ‘Direzione’ beschriftete Bürocontainer für die Archäologen und Sicherheitsdienste. Alles sonst ist (halt echte) Kulisse, durch welche die Touristengruppen streifen mit ihrem Guide, der einen Regenschirm in die Höhe hält als ‘Follow me’-Flagge. 4_Sidewalks
Strasse mit ‚Fussgängerstreifen‘ in Pompeji. Wenn es regnete, waren die Strassen bald überflutet, daher die hohen Tritte. Deren Abstand entsprach dem Radabstand der damals benützen Transportkarren.

Damals im Jahr 79 war Pompeji eine blühende Handelsstadt.

Die Reichen waren sehr reich, wohnten in kunstverzierten Villen und hielten sich gerne Sklaven; die Armen waren sehr arm und hausten in feuchten, fensterlosen Zimmern. Eigentlich wie heute in vielen Teilen der Welt, nicht ?

An jenem schicksalshaften Tag kündigte morgens ein Erdbeben das Erwachen des Vesuvs an, was aber von vielen nicht richtig gedeutet wurde, da die Erfahrung mit Ausbrüchen fehlte und es immer mal wieder kleinere Beben gegeben hatte. Am Nachmittag kam es dann ganz plötzlich zur Eruption, weil das Beben den Pfropfen im Krater gelockert hatte wie den Zapfen in einer Champagnerflasche. Eine Säule aus Asche und Bimsstein stieg 32 Kilometer hoch in den Himmel und dehnte sich dann weit aus wie eine Pinienkrone (Zeugenaussage !). Die schwarze Wolke schob sich vor die Sonne, und dann ergoss sich Asche und Gestein auf die Stadt und deckte sie zu. Dächer begannen einzustürzen unter dem Gewicht.

Nun griff Panik um sich; viele Einwohner machten sich nun doch auf den Weg aus der Stadt, andere suchten Schutz in ihren Häusern. Ein Drittel der Bevölkerung kam bei dieser ersten Eruption ums Leben. Die Menschen erstickten in ihren Häusern oder wurden durch herabfallendes Gestein auf der Flucht erschlagen.

Noch verheerender war allerdings der zweite Ausbruch am nächsten Morgen.

Pyroklastische Ströme schossen ins Tal: der bis zu 800 Grad heisse Gluthauch aus entzündeten Gasen und geschmolzenem Gestein löschte alles Leben aus auf seinem Weg; Lavamassen drangen in die Häuser ein, und es gab kein Entkommen mehr. Die meisten Opfer wurden beim zweiten Ausbruch getötet. Die ganze Stadt wurde unter sieben Metern Asche, Bimsstein und Gesteinsbrocken begraben – und geriet danach für Jahrhunderte in Vergessenheit!

1748 wurde die Stadt wieder entdeckt, und damit begann der Diebstahl im grossen Stil.

Da man vornehmlich auf der Suche nach Schätzen für Sammlungen war, wurde völlig rücksichtslos vorgegangen. Ausgegrabene Häuser wurden teilweise wieder zugeschüttet, nachdem Wandfresken, Kunstgegenstände und Statuen fortgeschafft worden waren.

Erst König Vittorio Emmanuele II. setzte sich für eine systematische Forschung ein und berief einen gewissen Giuseppe Fiorelli zum Leiter der Ausgrabungen. Diese begannen 1860 und dauern bis heute an. Noch immer sind beinahe ein Viertel der Ruinen nicht ausgegraben, und das ist gut so: sobald die Schätze nämlich ans Tageslicht gelangen, verblassen die bis dahin leuchtend erhaltenen Farben, die Steine beginnen unter der Witterung zu bröckeln und die unbekümmerten Touristen tragen das Ihre dazu bei, dass vieles weiter beschädigt wird.

5_FundeDie Ausgrabungen fördern immer wieder Schätze zutage wie die reich verzierte korinthische Säule links, oder die gut erhaltenen Amphoren, in denen Wasser, Wein und Öl aufbewahrt worden waren.  

Die Körper der beim Ausbruch in meterhohem vulkanischen Material begrabenen Menschen und Tiere zersetzten sich im Laufe der Jahre, so dass nur deren Skelette zurückblieben in den Hohlräumen aus Lava.

Fiorelli hatte die Idee, diese Hohlräume mit Gips auszufüllen. Nachdem man anschließend das vulkanische Gestein abgeschlagen hatte, entstanden so Skulpturen, die zeigten, was die Bewohner Pompejis gerade taten, als sie vom Tod eingeholt wurden; einige scheinen noch zu schlafen oder sich kurz zum Ausruhen hingesetzt zu haben.

6_LupanarUnd ja, es gab auch ein Freudenhaus in der Stadt. Die Damen dort waren meistens Sklavinnen und des Lateins unkundig. Deshalb gab es im ‘Lupanar’ (Bordell) gleich im Vorraum einschlägige Fresken an den Wänden, eine Art Menü, wo der Besucher auf seine Wahl zeigen konnte.

Man ging hier keineswegs heimlich ins Puff; auf der Strasse gab es sogar Richtungs-Hinweise. Eine nette Geschichte: Der Politiker Cato, der einmal einen ‘anständigen Mann’ aus dem Bordell kommen sah, lobte diesen dafür. Man müsse mit seiner Sexualität umgehen, ohne Schuld auf sich zu laden, wird Cato zitiert (der Besuch einer Prostituierten galt nicht als Ehebruch). Als Cato den Mann jedoch häufiger aus dem Bordell kommen sah, soll er ihm gesagt haben: „Ich habe dich dafür gelobt, dass du ab und zu hierhin kommst, nicht dafür, dass du hier wohnst.“

7_GlücksbringerHier links abbiegen zum Freudenhaus ‘Lupanara’, ein Richtungshinweis auf der Hauptstrasse. Rechts ein Glückssymbol (Honni soit qui mal y pense): man trifft es immer wieder in Pompeji. Vor einer Bäckerei gab es eines mit dem Spruch: ‘Hic habitat felicitas – hier wohnt das Glück. An Souvenirständen verkaufen sich Glücksamulette mit diesem Motiv gut.. 

8_Pompeji.jpg

9_MosaikMosaike am Eingang von Edelvillen. Der Hund galt schon damals als Beschützer der Menschen. Rechts der Blick in ein Atrium und den dahinter liegenden Garten.
Atrien waren gedeckt, aber durch eine ausgesparte Dachlücke konnte das Regenwasser im Brunnen in der Mitte des Platzes gesammelt werden.

10_Kunst.jpgKunstvolle Details zeugen vom Geschmack der reichen einstigen Bewohner Pompejis

Die Ruinen des alten Pompeji (Scavi di Pompei) werden jedes Jahr von über zwei Millionen Touristen besucht. 

11_Vesuv OriginalSo ungefähr könnte der Vesuv im Jahr 79 laut Wissenschaftlern ausgesehen haben , ehe er die Städte Pompeji, Herkulenaum und Stabiae auslöschte. Er war damals beinahe 2000 Meter hoch.
Bei diesem Bild ahnt man, was für eine gewaltige Energie sich hier entladen haben musste.


Ich habe hier nur Pompeji erwähnt, weil ich diese Stätte besucht habe. Ausgrabungen gibt es aber auch in Herkulaneum und Stabiae zu besichtigen.

Die letzte Eruption des Vesuv war 1944; der Berg gilt auch heute noch als gefährlich. Mit einem neuerlichen Ausbruch wird eigentlich jederzeit gerechnet, allerdings schon seit Jahrzehnten.. Neapel hat einen Evakuierungsplan entworfen, von dem die Stadt hofft, dass sie ihn nie wird einsetzen müssen.

Ich habe den inzwischen noch 1281 Meter hohen Vulkan bestiegen ! Nun ja, die letzten paar Hundert Meter davon, denn man wird bequem mit einem Minivan bis hoch hinauf gefahren. Immerhin zeigte mein Handy an, dass ich 50 Stockwerke erklommen habe. So hat es sich auch angefühlt… Mindestens !

12_Golf von NeapelAuf dem Weg nach oben: der Golf von Neapel

13_Golf von Neapel Karte

14_Vesuv Krater walkDer Fussweg entlang des Vesuv-Kraters. Das alles links hinten ist Neapel mit seiner Million Einwohner. Die Metropolregion Neapel ist  ein Moloch, der nach und nach sämtliche Aussenquartiere überrollt (Pompeji ist eines davon) und damit auf gut 4 Millionen Einwohner kommt, von denen viele im Falle eines Falles evakuiert werden müssten..

15_Vesuv Krater.jpgDer Vesuv-Krater. Wir haben zwar bedeutend dekorativere Geröllhaden zu bieten in der Schweiz…

16_Vesuv_Schwefeldampf..aber unsere stossen keine schwefligen Dämpfe aus, und die Steinschläge enden nicht in einem ‘Kochtopf’, unter dem es in der Tiefe brodelt..

17_Vesuv x2
18_Flankenbrände 2017Die Spuren von grossen Bränden an den Flanken des Vesuvs letztes Jahr sind noch zu sehen. Als die Leute dichten Rauch aufsteigen sahen, befürchteten sie zuerst, dass er der Beginn eines neuen Ausbruchs ankündige. Nochmals Glück gehabt.
Da der Berg ein Naturschutzgebiet ist, wird aus der Asche bald neues Leben entstehen.

19_OrangenbaumalleeDer Campingplatz ‘Zeus’ ist ideal gelegen für einen Besuch der Ruinenstadt, des Vesuvs und von Napoli. Und ich stehe allein in meiner Orangen-Allee. Sehr hübsch, und jetzt gibt es wieder Orangensaft zum Frühstück 😊

20_HortusPompeiKampanien ist das Land der Orangen und Zitronen und der üppigen Gemüse- und Früchtegärten. Die Riesenzitronen ‚Cedri‘ sind nur eine der vielen Spezialitäten von hier..

21_Hortus PompeiDas ‘Ristorante Hortus Pompei’ ist gleich zu meinem Stammlokal geworden. Es hat namensgemäss einen gemütlichen Garten, einen flotten Service – und feines Essen !

22_Oranges by NightMein Ausblick bei der letzten Zigarette vor dem Schlafengehen. Ein Orangenhimmel..

2 Gedanken zu ““Darraptschen offa da Vesuvio on sixatisixa hectaris offa Pompeii !”

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