Fünf Dörfer und 200 Jahre Bauzeit für einen schiefen Marmorturm

Cinque Terre / Liguria

Ich muss gestehen, dass ich immer gedacht hatte, dass ‘Cinque Terre’ ein Dorf ist (he ja: unser Fünfländerblick ist ja auch an einem Ort zu finden). Dass es fünf Nachbargemeinden an der schroffen italienischen Riviera sind, leuchtet natürlich ein, sobald man es weiss (wie zum Beispiel auch die Tatsache, dass Piemonte ‘am Fuss der Berge’ bedeutet – logo 😊)..

Die Cinque Terre liegen mitten in einem Nationalpark und sind bekannt für ihre bunten Häuser und die terrassenförmig in die Steilhänge gebauten Weinberge.

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Corniglia ist das einzige der fünf Dörfer, das keinen Hafen hat, denn es klebt auf 100 Metern Höhe an einem steilen Felsen wie Smarties auf einem Muffin, und die Flanken fallen steil ab ins Meer.

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Gewohnt habe ich auf einem Stellplatz in Monterosso al Mare, dem grössten der fünf Dörfer von ‘Cinque Terre’ am 12 Kilometer langen Küstenabschnitt der italienischen Riviera. Zu erwandern ist die gesamte Strecke in ca. 4 ½ Stunden.

3_Monterosso
Die Lichter unten links sind jene von Monterosso al Mare – und ich wohne hier oben gleich auf der anderen Strassenseite

Damit mein Besuch der Cinque Terre nicht allzu sportlich würde, bin ich per Kursschiff gereist ab Monterosso.
In den Sportmodus (inklusive Keuchen und Schwitzen) kommt man automatisch, wenn man in den Dörfern an den steilen Hängen spazieren geht..

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Cinque Terre – UNO: Monterosso al Mare

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Cinque Terre – DUE: Vernazza

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Cinque Terre – TRE: Corniglia

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Cinque Terre – QUATRO: Manarola (die Farben sind in Natura viel schöner, aber hier war das Handy völlig überfordert mit den Lichtverhältnissen..)

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Cinque Terre – CINQUE: Riomaggiore. Hier sieht man gut, wie effizient der knappe Platz in der kleinen Tallücke für den  Häuserbau genützt wird.

8_Tauben
Überall steht, dass man die Tauben nicht füttern soll. Da den Vögeln diese Regelung überhaupt nicht passt, kommen sie einfach so nahe, dass man sie unmöglich übersehen kann – und sie knabbern auch gerne an der Pizza, die man in der Hand hält…

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Enoteca da Eliseo in Monterosso – die leichte Schäbigkeit des Hauses gibt der Enoteca erst den richtigen Charme – ein hübsches Plätzchen.

10_EnotecaEliseo_JeffIn der Enoteca gab es einen spontanen Ukulele-Auftritt vom Stammgast-Amerikaner Jeff für die Wirtin Maria (rechts) – und für mich ! (zum Beispiel Cohen’s Halleluja die Fünfunddreissigste Version – und siehe da: mir gefällt der Song noch immer)

TOSCANA, das Land der Säulenzypressen und Pinien

11_Toscana.jpgPisa / Toscana: Archäologische Ausgrabung mitten in der Stadt – dahinter die begehbare Stadtmauer. Und dazwischen ein paar Pinien. Ich hoffe, weitere zu finden, die dann ganz meinem ureigenen Toscana-Bild entsprechen, aber die grünen Wölkchen über dem nackten Stämmen gefallen mir schon sehr gut.    

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Da ist er ja ! Nach all den Jahren, in denen ich mir bei Leuten daheim schiefe, verstaubte Plastiktürmchen und verblasste Postkarten auf der Wohnwand angesehen habe: da ist er ! Ich muss zugeben: die Piazza dei Miracoli mit Turm und Dom ist tatsächlich schön. Das hatte ich beinahe nicht zu hoffen gewagt..

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Das runde ‘Baptisterium’ ist die dem Dom angeschlossene Taufkirche: Früher durften Ungetaufte unter keinen Umständen eine Kirche betreten, mussten also zuerst ‘ausserhalb’ getauft werden…

Der Schiefe Turm von Pisa (Torre pendente di Pisa) war einst als freistehender Glockenturm (Campanile) für den Dom geplant und sollte ursprünglich 100 Meter hoch werden. Die Grundsteinlegung war im Jahr 1173, doch als der Bau zwölf Jahre später auf der dritten Etage angekommen war, begann sich der Turmstumpf in Richtung Südosten zu neigen –  schuld daran war der sandig-lehmige Untergrund – und daraufhin ruhte der Bau rund 100 Jahre lang. Vielleicht in der Hoffnung, dass es sich der Turm überlegt und auch auf der anderen Seite einsinkt, wenn man ihm genug Zeit gibt ? Als dies allerdings nicht geschah, wurden die nächsten vier Stockwerke mit einem geringeren Neigungswinkel als dem bereits bestehenden gebaut, um die Schieflage auszugleichen – und bereits 1372 war auch die Glockenstube ganz oben vollendet – also gerade einmal 200 Jahre nach Baubeginn. Respekt !

12_Torre1xDer 55 Meter hohe Turm ist ganz und gar aus weissem Carrara-Marmor (auf der abfallenden Seite ist er etwa einen Meter kürzer), hat 8 Etagen, einen Durchmesser von 12 Metern, 294 Stufen – und sieben Glocken, die aus offensichtlichen Gründen sehr vorsichtig geläutet werden..

14_Torre3Dass der Turm in Schieflage geriet, war und ist für Pisas Tourismus-Geschäft ein Riesen-Glücksfall, denn ein nicht enden wollender Strom von Besuchern möchte sich fotografieren lassen mit dem Turm, den sie auf dem Bild entweder ‘umstossen’ oder von der anderen Seite ‘stützen’ – Fotos, wie sie schon vor 40 oder 60 Jahren gemacht wurden. Süss.

Berühmte Pisaner sind zum Beispiel Leonardo Fibonacci (dessen Zahlen-Folge nur gerade Mathematiker kannten, bis sie in Dan Browns Buch ‘The da Vinci Code’ eine Rolle spielte) oder Galileo Galilei, der entdeckt hat, dass ein Ei, das sich vom schiefen Turm stürzt, mit höherer End- als Anfangsgeschwindigkeit unten ankommt. Ich vermute ja, dass dies dem Ei egal ist – und das Resultat dasselbe bleibt, in etwa ‘plitsch-sprizzz’ 😊.

Galilei, der Universalgelehrte, erforschte die Gesetzmässigkeiten der Natur und legte sich dadurch mit der Kirche an, die um ihre Macht fürchtete, wenn – Gott bewahre – die NATUR statt ausschliesslich Gottes (und vor allem ihr eigenes) Gutdünken die Welt und das Universum kontrollieren sollte. Der fromme Galileo sagte: «Ich glaube nicht, dass derselbe Gott, der uns Sinne, Vernunft und Verstand gab, uns ihren Gebrauch verbieten wollte». Die Kirche fand jedoch, dass genau dies der Fall sei und Glaube und Naturwissenschaft keine getrennten Sphären, also kam Galilei im Jahr 1632 in die Mühle der Inquisition, wurde  verurteilt und verbrachte seine letzten Lebensjahre unter Hausarrest. Die Kirche erkannte schliesslich ihren Irrtum und widerrief die Verurteilung Galileis bereits 360 Jahre später, also 1992. Und sie merkte dabei auch gleich noch an, dass sie eigentlich nie etwas gegen den Naturwissenschaftler gehabt hätten..

15_Unterführung
Der Turm ist lediglich zehn Minuten Spaziergang vom Campingplatz entfernt, führt allerdings zuerst unter dieser ‘hübschen’ Unterführung hindurch. Man gewöhnt sich dran..  

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..und es gibt immerhin einiges zu sehen unterwegs..
😊

xxxPisa ist bekanntlich eine Universitätsstadt. Es wimmelt hier von Studenten aller Studienrichtungen. Das macht das Stadtleben lebhaft und interessant. Alle älteren Flanierer sind Touristen..
18_Pisa2Von dieser Brücke aus gesehen gibt es viel Arno und ein wenig Pisa

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Zum Abschluss ein paar Menschen, die meinen Aufenthalt in Pisa sehr bereicherten:

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Melanie und Thomas mit ihrem Riesenschiff – und als Erinnerung ein lustiger Abend im Ristorante Transylvania auf dem Platz. Die Beiden standen schon in Cinque Terre / Monterosso neben mir, waren aber frühmorgens bereits weg – junge Leute mit begrenzter Freizeit zeigen mir jeweils, was ‘effiziente Feriengestaltung’ bedeutet.. 😊. Inzwischen haben sie bereits Siena und Florenz besucht und sind auf der Heimfahrt in die Schweiz, währenddem ich mich wahrscheinlich demnächst nach Florenz aufmachen werde..

21_Carmen Boris Laura x
Die Bayern Carmen und Boris mit ihrer Studententochter Laura – sie fahren dieselbe Strecke wie Carmens Eltern mit dem Unterschied, dass sie zwei Wochen dafür aufwenden statt zwei Monate.. Heute steht auf ihrem gebuchten Programm ‘Trüffelsuche mit Hund’. Ich habe natürlich mein ganzes Bayrisch auf der Stelle an die Herrschaften gebracht: «Scho a schee a wieder, gell !» (danke, Theresa
😊 ) und wurde mit ‘Dahoam ist dahoam’ belohnt – und mit einem Glas Weisswein mit Plauderstündchen. Diese Familie findet übrigens, dass Rotweine von der Ahr aus der Traube ‘Portugieser’ ganz vorzüglich schmecken..

22_Luki x
Luki hat sich zwischen zwei Jobs eine Auszeit genommen und ist soeben abgereist, um die Fähre nach Elba zu erreichen.
Er spricht fliessend deutsch (und schweizerdeutsch..), englisch, italienisch, spanisch und französisch, und ich habe mir vorgenommen, subito wieder eine Italienisch-Lektion pro Tag auf ‘Babbel’ zu absolvieren..

23_Beeren x
Schlussfrage: Kennt jemand diese hübsche Pflanze mit ihren schwarzen Beeren und knallrosa Blümchen ? Die Beerendolden sind bestimmt 15 cm lang.

9 Gedanken zu “Fünf Dörfer und 200 Jahre Bauzeit für einen schiefen Marmorturm

  1. Avatar von Henriette Streuli Henriette Streuli

    Hoi Rösli, das isch eifach traumhaft…danke für die schöne Bilder, habe deinen humorvollen Bericht mit Freude gelesen! Hebsch schön weiterhin und heb dir Sorg! Alles Liebe uus Oberrüti!

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  2. Avatar von Erica Lauener Erica Lauener

    Liebe Rose
    Es weckt in mir viele schöne Erinnerung an die Cinque Terre! Besonders an Vernazza.
    Pisa war ich mit meiner Familie als ich ca 10jahre alt war. Damals glaubte man dass er nichtmehr lange sich halten kann und siehe da!

    Die Pflanze heisst: Kermesbeere sie ist sehr giftig!

    Tanti salutti
    Erica

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    1. Ja, da sieht man mal.. Man hat ja auch Jahrzehnte gebastelt an dem Turm, bis er gerade gerade genug wurde, dass er wieder bestiegen werden konnte – und dennoch schön schief blieb.. 😃
      KERMESBEEREN ! Danke dir ❣️Zum Glück habe ich keine für mein Müesli gepflückt; anmächelig genug dafür sahen sie ja tatsächlich aus ! Dank deinem Namen habe ich gelernt, dass das auch wieder so ein invasiver Neophyt ist, interessant !

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  3. Avatar von Lisa Lisa

    Liebes Mami
    Soooo hübsch! Ich habe mich ja Pisa stets verwehrt, ‚grad zleid‘ wegen der holprigen Reime der Schulzeit, dabei kann die arme Stadt doch gar nichts für die mangelnde Originalität von Grundschülern (genausowenig wie der Vater mit seinem blöden Gatter, natürlich)… Schön hast Du sie mir nun doch noch gezeigt!
    Ich hatte schon länger vor, Dir mal wieder richtig zu schreiben, aber man kommt ja zu nix! Deshalb hier: mir geht’s gut, schön dass es Dir gut geht, weiter so, hab Dich lieb 🙂
    Liebe Grüsse
    Lisa

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    1. Liebe Lisa
      Ja, ‘richtig schreiben’ wollte ich auch schon länger, aber dann fand ich, dass du dich erst daheim fühlen solltest im neuen Job.. 🤔 Und ? Geschafft ? Gut so 😊 (falls nicht: ‘richtig’ schreiben, und schon holt dieser ‘Bartli den Most’ – gleiches Genre wie das Gatter, oder ?
      Deine Pisa-Reime weiss ich nicht mehr (?), bloss die Pisa-STUDIE war für viele Länder etwas peinlich (deren Bevölkerung stösst den Turm auf den Fotos bestimmt um statt ihn zu stützen)..
      Es windet kühl in Florenz; Zeit, ein wenig zu lesen in der Bar.
      Ich hab dich auch lieb – saluti di Firenze ! (Hier gefällt es mir) 🤗

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  4. Avatar von Thomas Thomas

    Liebe Rose

    Ja Melanie und ich mussten halt alles in einer Woche bewältigen. Aber wir haben ja nur einmal geschnuppert und werden diese tolle Gegend sicher wieder einmal besuchen. Wenn wir dann auch mal mehr Zeit haben ;-).

    Liebi Grüss

    Thomas

    p.s Bisch echt en cooli Frau und mir wünsche dir wyterhin ganz viel Spass und Gsundheit

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