Von Menschen und Tieren auf Campingplätzen..

Ich bin in Lissabon angekommen, aber davon nächstes Mal: Ich habe zwar bereits einen sehr schönen Nachmittag in der Stadt verbracht, aber zwei ganze Tage bei durchzogenem Wetter auf diesem Platz in Monsanto am Stadtrand – hier deshalb zuerst etwas über Tiere und Menschen – oder umgekehrt..

Ich mag Geschichten von Menschen. Diejenigen, die ich zu hören bekomme unterwegs, handeln von Hippies und Abenteurern oder  von  ehemaligen Fabrikbesitzern und Lehrern, die festgestellt haben, dass sie nicht sehr alt würden, wenn sie weitermachen wie bisher – und in der Folge ausgestiegen sind aus ihrer Routine.

Auch lokale Angestellte auf den Plätzen erzählen gerne aus ihrem Leben, sobald wir eine gemeinsame Sprache gefunden haben. João zum Beispiel dies, dass die Receptionisten und Sicherheitsleute hier in drei Schichten à acht Stunden arbeiten und nein, eine Nachtdienst- oder Sonntagszulage gibt es dafür nicht. Sein täglicher Arbeitsweg mit Bus und Metro dauert gut zwei Stunden.

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Auf der anderen Strassenseite steht ein Aargauer. Ich sass gerade im Pyjama in der Türe mit meinem Kaffee, als Dominic (so heisst er) bei mir stehen blieb und sich freute, dass er mit jemanden Schwiizerdütsch sprechen kann. Er ist gerade 47 Jahre alt, war bis vor kurzem Wirt und ist mit seiner neuen Partnerin unterwegs. Er würde ja lieber in die Mongolei fahren mit seinem Motorrad; dieses Campen ist eine Art ‘Zwischenlösung’ aus Rücksicht auf seine Angie, die dem Töfffahren nichts abgewinnen kann. Er hält seine Fixkosten möglichst tief und wird erst eine Arbeit suchen, wenn ihnen das Geld auszugehen droht. Die beiden sind wie ich seit vier Monaten unterwegs.

Einst fuhr er auf Grund einer rührenden RTL-Sendung über eine Wohltätigkeitsstiftung nach Köln, um dieser seine Arbeitskraft anzubieten. Er wurde als Fahrer engagiert und lernte bald, dass die guten Nahrungsmittel, die er bei den Läden abholte, von den gut verdienenden Vertretern der ‘Wohltätigkeits-Chefetage’ für deren Privatgebrauch abgezweigt wurden, was Halbvergammeltes übrig liess für die Gassenküche.
Zum Glück für seinen Glauben an das Gute im Menschen traf er in Köln auch auf einen Industriellen, der es ernst meint mit der Wohltätigkeit und für seine eigene Gassenküche viel ehrlichen Aufwand betreibt.

Was wir aus solchen Geschichten lernen können, ist einmal mehr, nicht alles zu glauben, was gesendet oder geschrieben wird.

Monicas schwedischer Ehemann Lars am Nebentisch hat sich entschuldigt nach dem Essen, und die Argentinierin und ich sind ins Gespräch gekommen. Monica wohnt eigentlich ausserhalb von Stockholm und hat ihr gegenwärtiges Leben so richtig satt. Ihr Lars ist manisch-depressiv und liebt sie und hasst sie, beides intensiv. Monica ist Lehrerin und all die Jahre nach seinen Wünschen  auch durch Feuerreifen gesprungen. Er hat sie hierher bestellt mit ihrem Campervan, weil er nicht mehr willkommen ist im Haus, dessen Miete er für seine schlingernde neue Firma – und seinen lokalen Compagnon – im Voraus bezahlt hat für 12 Monate. Im Haus wohnt nun sein Geschäftspartner mit Frau, Kindern, Eltern und Grosseltern, und da das Haus auf dessen Namen lautet.. Monica kann sich nicht entscheiden, ob sie bei Lars bleiben soll wegen der drei gemeinsamen Kinder – oder doch besser geschieden in Schweden leben möchte in Zukunft. Traurige Geschichte.


Es gibt immer viel zu sehen auf Campingplätzen, auch an einem bedeckten Tag wie heute
(meine Mini-Wohnung mit Fenstern auf allen Seiten ist ideal dafür): Da sind die alten Herren, die mit den Händen auf dem Rücken hin- und herspazieren wie einst unsere Lehrer auf dem Pausenplatz; alte Paare, die sich vertraut an den Händen halten und anlachen – und solche, die sich offensichtlich schon lange nicht mehr leiden können, denn einer der beiden eilt meist mit verbissenem Gesicht voraus und der andere leicht entschuldigend hinterher (das sind die Bilder, die es mir leicht machen, allein zu bleiben. Wie es wohl in deren Campervans zugeht ?). Und es gibt alte Paare, die immer aussehen, als ob sie einen furchtbar dringenden Termin einhalten müssten und deshalb ebenso gehetzt in die Dusche eilen wie ins Restaurant. Man möchte ihnen zurufen, dass alles nichts nützt und die Zeit sie so oder so einholen wird.

Tiere. Es ist immer wieder vergnüglich, den Leuten dabei zuzusehen, wie sie ihre kleinen Hündchen hinter sich herziehen oder von ihren grossen Hunden hinterher gezogen werden. Oder wie zwei Hunde begeistert umeinander herumrennen beim Kennenlern-Ritual und dabei die beiden Herrchen in die Leinen einwickeln.

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Am Ende meines Strässchens steht ein grosses Wohnmobil älteren Jahrgangs. Dass darin ein Langzeitmieter wohnt, erkennt man unschwer am fest installierten Zelt zwischen dem Wagen und dem grünen Zaun – und an den Topfpflanzen überall . Vor dem Auto dieses Paares liegt normalerweise ihr weisser Hund mitten auf der Strasse und bewegt sich nur, um der Sonneneinstrahlung zu folgen (man sieht das Hündchen gerade noch im zweiten Bild). Wenn sich ein Auto nähert, hebt er kurz den Kopf und schätzt ab, ob er sich bewegen muss, und wenn er es muss, tut er dies mit einer derart demonstrativen Gemächlichkeit und Verachtung, dass die Fahrer sich bestimmt am liebsten entschuldigen würden für das Unrecht, das sie ihm gerade antun. Das hat Stil. Der Hund gefällt mir.

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Tauben ! Mein Bild der Taube war bis vor vier Monaten in etwa die bekannte Picasso-Zeichnung vom seelenreinen, weissen oder grauen Tier, das den Ölzweig überbringt und das Friedenssymbol der Welt ist.
Ihren grundlegenden Makel erkennt man erst in der Praxis: das ‘Lieder-Repertoire’ der Taube beschränkt sich bedauerlicherweise auf exakt drei Silben, die alle auf derselben Notenlinie stehen (immerhin kann es eine höhere oder tiefere Linie sein bei den einzelnen Vögeln). Aber Gu-huu-hu ! heisst das Dreisilbenlied bei allen, und dieses singen sie sehr laut, sehr ausdauernd und am liebsten schon möglichst früh am Morgen. Und eines Tages ertappt man sich bei der Frage, wie schon wieder dieses kleine Gewehr heisst, das man früher zum Verjagen der Vögel aus dem Rebberg benutzt hat. Flobert, nicht ? Oder Flaubert ? Egal, so eines müsste man unbedingt dabeihaben..
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Katzen gibt es auf beinahe jedem Campingplatz.
Sie wirken zwar scheu und wild und fauchen schon von weitem, aber sie sehen meistens gut genährt aus, und wenn man über einen Platz spaziert, fällt einem plötzlich eine grosse Schüssel Trockenfutter auf unter einem Dach – oder Wolldecken auf gestapelten Sommerstühlen. In meinem Bild wurde das Trockenfutter gerade eben ‘serviert’. Den Katzen geht es gut.

Heute stand urplötzlich eine dickliche Siamesenkatze vor mir und hat mich mit einem intensiven Silberblick fixiert, und wenn ich gewusst hätte, in welches der nicht parallel ausgerichteten, himmelblauen Augen ich hätte zurückstarren müssen für eine freundliche Erwiderung, hätte ich das gerne getan.

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Spatzen. Ich habe eine grosse Bewunderung entwickelt für diese kleinen, frechen Vögel und ihre Anpassungsfähigkeit und Auffassungsgabe. Wenn ich am ersten Morgen meine Brosamen aus der Schiebetüre werfe und ein einzelner Spatz sie aufpickt, stehen beim Öffnen der Türe am nächsten Tag bereits fünf Vögel bereit und zwitschern einladend oder vorwurfsvoll (wegen meiner Verspätung wahrscheinlich eine Mischung davon), und am dritten Tag wissen alle zehn oder fünfzehn Vögel, die auf mich gewartet haben, dass ich nicht nur harmlos, sondern auch manipulierbar bin und mein Frühstücksbrot demnächst mit ihnen teilen werde – und die dreisteren unter ihnen holen sich die Brosamen auch direkt neben meinem Stuhl, noch während ich in dort mein Konfitürenbrot esse. Das Wort ‘Lebenskünstler’ muss beim Beobachten von Spatzen entstanden sein; sie haben es sich redlich verdient.

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Gestern Abend parkierte dieser Bus hinter mir. Auf der Heckscheibe sieht man es schwach: Korea. ‘ROK’ steht für Südkorea bzw für Republic of Korea. Wow !
Wie weit ist es bis Seoul ? 15’000 km ?? Die Strassen dürften nicht überall allzu gut sein, also bestimmt einiges mehr als die reine Route angibt. Ich hätte gerne mit dem Paar gesprochen, aber sein Englisch hat gerade gereicht, um mir zu danken für den Wasserschlauch, den ich ihm geliehen habe, als er sich vollspritzt hat beim Versuch, sein Frischwasser aufzufüllen.

So. Morgen mache ich Lissbon meine zweite Aufwartung.

7 Gedanken zu “Von Menschen und Tieren auf Campingplätzen..

  1. Avatar von Henriette Streuli Henriette Streuli

    Liebe Rösli,

    Die Schicksale der Menschen, denen du begegnet bist, sind hart…aber mit deinem sonnigen Wesen hast du sicher für ein Lichtblick gesorgt….
    Die Zeilen von den Tieren dagegen sind schön…und erkennbar!
    Ich wünsche dir eine schöne Zeit in Lissabon, gnüss’es! Ganz liebe Grüsse….hier soll es am Freitag 26°C werden!

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    1. Danke Henriette ! Und ich freue mich über euer schönes Wetter – immerhin bin ich ja nordwärts unterwegs (ganz langsam, aber schon..😃).
      Bis nächstes Mal – heb Sorg – und geniesse deine Gärtchen ☀️❣️

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  2. Avatar von lisakathrin lisakathrin

    Verrückt. An manch einem Familienfest wurde jemand im Scherz mit dem Flobertli bedroht und mir war nie klar, was das ist. Aber wie es so ist in Klugscheisser-Familien, habe ich mich nie getraut nachzufragen. Jetzt weiss ich endlich Bescheid! (Life Hack: ja nie fragen! Einfach 25 Jahre warten und Mütter zur Blogführung animieren, schon sind alle Fragen beantwortet!)
    Du kannst es natürlich auch mit Flaubert versuchen, aber wenn Du Pech hast kommst Du ganz durch Madame Bovary ohne dass es die doofen Tauben auch nur ansatzweise interessiert.
    Ich hoffe Du hast eine gute Zeit in Lissabon und vielleicht auch noch die eine oder andere aufmunternde Geschichte dazwischen (die erzählen sich einfach nicht ganz so gut wie die Tragischen, ist mir auch klar…!)
    p.s.Ich habe übrigens auch erst gestern gelernt was der Unterschied zwischen Pfulmen und Kissen ist, als ich falsche Bezüge gekauft habe. Dunning-Kruger geht an niemandem vorbei!

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      1. Avatar von lisakathrin lisakathrin

        Dunning und Kruger sind zwei Wissenschaftler. Und sie haben die sehr einleuchtende Theorie aufgestellt, dass man nie weiss, was man alles nicht weiss.
        Respektive dass Inkompetenz zu mehr Selbstvertrauen führt, weil man sich nicht vorstellen kann dass es noch etwas zu wissen gäbe, das man noch nicht verinnerlicht hat.
        Ich anerkenne also meine Inkompetenz in der Rebberg-Führung sowie in der Welt der Bettwäsche 😉

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      2. Aha ! 🙂
        Ich befürchte, die beiden haben auch noch völlig recht ! Es ist nicht einfach….
        Hab Dank für die Aufklärung ! Nun weiss ich immerhin, dass ich ‚es‘ wahrscheinlich nicht wissen werde, wenn das Wissen darüber überaus hilfreich wäre… Vielleicht hilft DAS ja schon ein wenig.. ?

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