Warum ich noch in Santa Pola bin..

Ich habe beschlossen, den Monat hier voll zu machen – ich bleibe also bis am 10. Februar. Aber dann muss ich weiter, sonst gehe ich gar nicht mehr…

Ich habe von Leuten gehört, die ein paar Nächte bleiben wollten und zehn Jahre später immer noch hier sind. Das ist definitiv nicht mein Ziel, aber ich sehe inzwischen immerhin, wie das passieren kann..

Reception & Bar Santa Pola 2.jpg

 Was mich hier hält ? Nun ja:…
… Faulheit, ganz zuerst und vor allem. Es ist sehr bequem, wenn man alles und alle kennt und sich daheim fühlt.
… man hat mir glaubhaft versichert, dass viele Plätze weiter südlich extrem ausgebucht sind.
… das Wetter hier ist momentan das Beste der Region, Malaga und Portugal inklusive.
… Die Gegend hat einiges zu bieten: Alicantes schöne Burg und Altstadt, Hügel ringsherum, die ich locker erklimme mit dem eBike, menschenleere Strände, gesäumt von Pinienwäldern, feine Restaurants, die ersten blühenden Mandelbäume..

Mandelblüte

… es ist nett hier. Richtig nett. Ich habe alle Schweizer kennengelernt. Und etliche Deutsche, Holländer, vereinzelt Schweden – und einen Finnen.

Der Finne ist legendär. Er liess sich einst ein Taxi kommen von der Campingbar aus. Der Taxameter zeigte €3.45, als er einstieg und dem Taxifahrer auftrug, ihn zu seinem Wohnwagen zu fahren. Dieser steht keine 30m von der Bar entfernt, aber das wusste er nicht mehr. Das Taxi kurvte also durch sämtliche Stellplatz-Gassen. Als die Suche schliesslich erfolgreich endete, weil seine Nachbarin aus ihrem Wagen kam, um zu erfahren, wer da so sinnlos durch die Gegend fahre nach Mitternacht, zeigte der Taxameter €28.45. Der Finne war so glücklich, dass er dem Taxichauffeur 50 Euros gab: «Behalten Sie den Rest».

Auf diesem Campingplatz bilden die Schweden die grösste Ländervertretung Europas, und dort ist Alkohol teuer, währenddem ein Glas Rioja an unserer Bar hier €1.30 kostet (das Glas ist dabei bis an die Grenze der Oberflächenspannung gefüllt). Bier kostet etwa dasselbe. Wenn Leute von den Toiletten in Schlangenlinien mit häufigen Ausfallschritten zum Poolhaus hinaufzirkeln, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass die Schweden einen Tanzabend veranstalten. Nun ja, sie können es ja nennen, wie sie wollen.

Es stimmt, was ich einst als Scherz erwähnte in Sachen Waschmaschinen: es gibt viele Spanier, die in ihren Wohnblocks keine Waschmaschinen zur Verfügung haben (diese Möglichkeit ist mir vorher gar nie ernsthaft in den Sinn gekommen). Die Glücklichen, die es sich leisten können, entfliehen an den Wochenenden ihren Wohnsilos und installieren sich hier in ihren Wohnwagen – mit der Schmutzwäsche der ganzen Familie im Gepäck.
Von Freitag bis Sonntag Abend sind deshalb die Waschmaschinen im Dauerbetrieb und die Anzahl Jetons pro Familie strikt kontingentiert, damit jeder ‘Wasch-Tourist’ eine Chance habe. Süss, nicht ?
Nur mit der Waschmitteldosierung haben sie es noch nicht so: am Sonntag schäumte eine Maschine über den geschlossenen Deckel hinweg die halbe Gegend voll. Da ich das vorher nur aus einem Doris Day–Film kannte, fand ich es wunderbar.

Aussicht Strand.JPG

Meine holländische Nachbarin wird seit Jahren jeden Herbst von ihrem Schwiegersohn nach Santa Pola gefahren und samt grossem Camper und Küchenzelt hier parkiert bis in den Frühling, wenn er alles wieder abholt..
Das scheint ihr zu gefallen, denn sie werkelte fröhlich und stundenlang im Haushalt jeden Tag – bis vor gut einer Woche Besuch bei ihr im Auto einzog, ich vermute ihre Tochter und die erwachsene Enkelin. Seither wirkte sie sehr gereizt, und gestern Morgen fand schliesslich eine ausgewachsene Keiferei statt nebenan. Ich fragte mich, ob die Gäste wohl bemerkt haben, dass es höchste Zeit ist zu gehen.   – – – – – Jawoll, haben sie: sie sind noch gestern  Nacht um halb elf Uhr abgeholt worden, und meine Frau Nachbarin wirkt heute bereits deutlich entspannter..

Ich liebe es, mich tagsüber vor dem Auto und abends an der Bar mit allen möglichen Leuten zu unterhalten. Aber wenn ich nach den dramatischen Gesundheits- und Beziehungsgeschichten, nach Diskussionen, dummen Sprüchen und Witzen (und nach zwei Gläsern Wein) zurückkomme in mein Häuschen, dann ist das Heimkommen und friedlich. Dann nehme ich ein spannendes Buch zur Hand und lese ein wenig.
Abends ist es kühl, und bis die Heizung ihre Aufgabe erfüllt hat, behalte ich die Jacke an. Und sitze in Schaffell-Boots auf einer Ikea-Decke, bis die Bank warm ist.
Es ist schön, daheim zu sein. Und allein im kleinen Auto. Meine Nachbarin bestätigt das sicher jederzeit gerne. 🙂

Dügg am Strand.JPG

 

6 Gedanken zu “Warum ich noch in Santa Pola bin..

    1. Sali Christine – jadu, da gwöhnt me sich würkli schampar schnäll an alles, drum hani mir müesse e Frischt setze…
      Ja, wär na de Plausch, wenn du au chönntisch ga ’schnökke-döck‘ tanze am Sunntig… 🙂 Denn halt es anders Mal wieder, gäll ?!

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  1. Avatar von Ernesto SENN Ernesto SENN

    Liebe ROSE, Danke für deine tolle Nachricht. Wir sind noch in Hurghada Dana beach bis Samstag. Melde uns wenn Du in der Region Cádiz bist, wo wir uns treffen könnten! Liebe Grüsse und bis bald. Françoise und Ernesto

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    1. Sali zäme – aber hallo, so schön ! Gut, dann seid ihr schon sonnenerprobt, bis ich in Cadiz eintreffe – das passt !
      Ich wünsche euch einen problemlosen Heimflug in den Kühlschrank – bis bald also – ich freue mich drauf !

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  2. Avatar von Michi Michi

    Servus Miss (Lost in) Europe!
    Was mich grad interessiert, nach einer weiteren Lesung deiner interessanten Episode:
    Unternimmst du Ausfüge mit anderen Lokalisten oder wie planst du deinen Alltag?
    Welches Lebensmittel vermisst du am meisten? Nöd öppe Zopf oder? 🙂 *Wink*
    Falls du noch in Santa Pola bist, empfiehlt dir das wörldwaidenet einen Ausflug auf die Isla de Tabarca!
    Lg michi

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    1. Salutti Michi !

      Du hast mich ins Grübeln gebracht mit deinen Fragen (gut so !). Nun denn:

      Das mit dem ‚Alltag-Planen‘ habe ich noch nicht so im Griff – ich lebe immer noch in den Tag hinein und verschiebe vieles auf mañana (das färbt ab in der Gegend.. 🙂 – und muss besser werden, denn ein bisschen Struktur muss sein. Die Sonne geht gegen 8.30h auf – und bis dahin wird geschlafen (man schläft wunderbar, wenn man den ganzen Tag ein bisschen draussen ist – 8 Stunden sind die Norm.. Das einzig Fixe in meinem Tagesplan ist der Barbesuch ab ca. 18h, wo man sich trift, lacht und witzelt – und ich die Leute interviewen kann zu ihren oft spannenden Lebensgeschichten. Ich trinke zwei Gläser Wein (ganz langsam) und dann gehe ich heim.

      Böse Zungen behaupten, dass das hier ‚Betreutes Wohnen‘ ist – deshalb war es mir wahrscheinlich so lange so wohl hier (sicherer Hafen und so…), und deshalb MUSS ich auch weiter, bevor ich Wurzeln schlage !

      Ich war tatsächlich auf zwei Ausflügen in Gesellschaft von Fellow-Campisten, aber die meisten mache ich allein. Das hat den Vorteil, dass ich völlig egoistisch entscheiden kann, wo ich mit dem Auto parkiere oder mit dem Velo weiterfahre, wo ich fotografieren möchte und wann es Zeit wird für ein Tapa…

      Lebensmittel ? Hier fehlt gar nichts; es gibt wirklich alles ! Die süssen Blätterteiggebäcke, die würzigen Empanadas und die Tapas sind zum Beispiel sagenhaft gut und alle neu für mich – einfach köstlich !
      Heute habe ich sogar Lindorkugeln gesehen im Carrefour ! Allerdings werden die hier auch in Spanien hergestellt. Schokolade ist das einzige, das sie hier nicht so gut können wie Läderach, Sprüngli, Cailler & Co., aber die hiesiegen Generika sind ok für mich, solange es nicht um eine Vergleichsdegustation geht..

      Nein, ich vermisse kein einziges Lebensmittel – na ja, ein duftendes dunkles St. Gallerbrot mit einer schönen dicken Kruste wäre nett nach den vielen weissen Baguettes, aber das ist ein kleines Opfer, denn für meine Müesli kriege ich hier dafür die süssesten Mandarinen und Orangen – und spanische Bananen – auf dem Markt.

      Beim Zopf wiederum vermisse ich das RITUAL des ‚Neujährlens‘ (für die, die das nicht kennen: das ist in unserer Rheintaler Familie ein Festgelage mit Appenzeller Siedwürsten und einem Desserbuffet erster Güte, das traditionell bei Götti und Gotte abgehalten wird und mit der Übergabe eines Zopfes und eines Fünflibers an das Patenkind endet. Zufällig findet das Fest morgen Sonntag bei meiner Schwester statt mit haufenweise Familienmitgliedern. Da wäre ich gerne dabei gewesen – aber man kann nicht zu neuen Ufern aufbrechen und gleichzeitig an allem Alten festhalten wollen, also freue ich mich einfach für alle, die dabei SIND…)

      Das einzige, was ich hier wirklich vermisse, sind die Menschen, die so selbstverständlich zu meinem vorherigen Leben gehört haben und die nun plötzlich so weit weg sind. Ich hoffe einfach, dass sie alle noch da sind, wenn ich wieder komme…

      PS Die Insel Tabarca sieht nett aus von weitem, aber dort wirst du deponiert mit dem Boot, nach ein paar Stunden wirder abgeholt – und es ist momentan alles ziemlich braun und wintrig, und alle Restaurants sind geschlossen.. Also ich weiss nicht… 🙂

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