Ein Déjà-vu in Tournon-sur-Rhône und ein Château in Cormatin

2.6.2024 Vor meiner Abreise aus Saint-Jean-de-Muzols fuhr ich mit dem Velo nach Tournon-sur-Rhône.
Als ich dort über die Brücke kam, war mir, als hätte ich genau dieses Bild schon einmal gesehen !
Dann fiel es mir wieder ein, als ich an einem Campingplatz direkt am Ufer der Rhône vorbei kam: Im kalten, grauen November 2021 wollte ich auf genau jenem Platz übernachten, aber alles war geschlossen und menschenleer entgegen den Angaben meines Camper-Apps (das hat mich immerhin gelehrt, vorher anzurufen 😊).
Am heutigen sonnigen Tag ist die Stimmung eine ganz andere, fröhliche, und diese langen Flusskreuzfahrtschiffen machen Ferienstimmung.

Die ‘Van Gogh’ ist 110 Meter lang, 10 Meter breit und hier am Wenden – da sieht man auch gleich, wie breit die Rhône ist ! Sie ist der wasserreichste Strom Frankreichs, dabei beginnt alles als kleines Rinnsal bei einem Walliser Gletscher gleichen Namens.

Als dieses Schiff unter der Brücke durch an mir vorbeigezogen war, sah ich erst die Schweizer Flagge am Heck und die Aufschrift ‘Excellence Rhône, Basel’. Ich wusste gar nicht, dass in der Schweiz Schiffe gebaut werden. Die vom Reisebüro Mittelthurgau betreute ‚Excellence Rhône‘ verkehrt seit 2006 zwischen Lyon und dem Mündungsdelta in der Camargue. Interessant !

Ich wollte eigentlich (mit dem Fahrrad..) ganz oben auf den Hügel für die ultimative Aussicht, wurde aber bald ausgebremst durch die immer steiler werdenden Pfade und habe mich schliesslich begnügt mit einem Spaziergang durch die Reben. Schön ist es hier !

Überall werden momentan die Reben geschnitten und hochgebunden durch Helfer, die mit Bussen in die Rebberge gefahren werden. In ein paar Monaten entsteht hier der nächste Jahrgang des ‘Crozes Hermitage’ aus reinem Syrah. Eine feine Sache !

Cleveres Marketing und häufig zu sehen in dieser Gegend: die alten Schriften und die Betonung der alten Baudetails ! Sehr einladend !
Allerdings; wenn mich nicht Wikipedia belogen hat, haben es die hier getan mit ihrem Namen, denn: «Chaumière, ein einfaches, strohgedecktes Wohnhäuschen (Chaume = Stroh). Die Gebäude sind manchmal zweistöckig, stets aber relativ schmal.» Ach, ja ? Trotzdem: Clever ! 😊

Ein schickes Rathaus, wie überall inklusive der feierlichen Forderung nach ‘Liberté, Égalité, Fraternité’, und die französischen Flaggen sind schon auch immer sehr dekorativ. 

Die gotische Eglise Saint Julien aus Feldsteinen und Kalk wurde im 14. Jahrhundert erbaut und wechselte während der Religionskriege zweimal ihre Zugehörigkeit, ehe sie 1797 endgültig katholisch wurde. Eine etwas gar flexible Grundeinstellung, wie mir scheint  – aber ein unerschütterliches Mauerwerk !

Abschied vom Doux mit diesem süssen Hummelchen beim Landeanflug auf eine Mohnblüte.

Auch unterwegs überall Reben in ordentlichen Puzzleteilchen auf den Hügeln. Hier die ‘Côte Rotie’ zwischen St. Étienne und Lyon

Lyon auf der Durchfahrt: Ein neuer Hafen in meiner Sammlung ! Kurz und unscharf, aber Tatsache: le Port de Lyon !

Auf der Autobahn kam ich auch am 2014 eröffneten Musée des Confluences vorbei, welches globales Wissen mit Schwerpunkt Naturwissenschaften sowie Grundfragen der menschlichen Gesellschaften vermitteln will. Ein interessanter Bau der Wiener Architektengruppe Coop Himmelb(l)au am Zusammenfluss der Saône und der Rhône, was ebenfalls zum Namen Confluences beitrug. 

Unterwegs grasen auf vielen Weiden die typischen, weissen Charolais-Rinder des Burgunds. Sie sind tatsächlich so weiss wie viele deutsche Touristen am ersten Tag am Strand – mit dem Unterschied, dass die Rinder am Abend immer noch weiss sind.. 😉

Etwas kompliziert wirkt die französische, administrative Einteilung – ganz rechts am Beispiel Cormatin.
Zur Erinnerung: das europäische Frankreich besteht aus 13 Regionen, 96 Departementen und gut 300 Gemeindezusammenschlüssen oder Arrondissements, welche die Departement-Verwaltungen auf der unteren Ebene entlasten sollen. So, jetzt wissen wir es wieder.     

Le Château de Cormatin. Das ab 1605 erbaute Renaissance-Schloss steht auf einer Insel im Fluss Grosne.

28.5.24 – In den nächsten Tagen soll es regnen, deshalb bin ich gleich nach der Ankunft auf dem Platz Le Hameau des Champs zum gut einen Kilometer entfernten Schloss geradelt.

Der grösste Teil des Schlosses war bereits geschlossen für Besichtigungen, aber die Gärten ringsherum waren die pure Freude ! 

Das Rankhilfen-Kapitel

Ich war so begeistert von diesen selbst gebastelten, natürlichen Rank- und Stützhilfen, dass ich ihnen hier einen Platz widmen möchte:

Zwischenbemerkung: bei genauerem Hinsehen fällt einem auf, dass die seltsamen Flecken auf dem Schloss kein Dachfehler ist, sondern rein organische Spuren vom Kamin-Squatter dort oben.. 😊 

Was wir hier ebenfalls lernen können: Auch ein Gemüsegarten kann originell angelegt werden ! Man beachte die dekorativen Beet-Formen und die diagonal gepflanzte Tagetes-Zeile rechts, und wie gesagt: Rankhilfen für Blumen, Erbsen, Gurken, Kürbisse etc müssen nicht langweilig einheitlich sein ! Toll ! Und nachahmenswert, nicht ?!

Ein Fest für die Augen – und für allerlei Insekten !

Gestylte Hecken und Magerwiesen in trautem Nebeneinander.

Wenn ich diesen Plan dabei gehabt hätte, wäre ich vielleicht in den Irrgarten gegangen. Aber da ich inzwischen ganz allein lustwandelte auf dem ganzen Gelände und mich schon über Hecken klettern sah aus Verzweiflung, habe ich ihn bloss von oben aus dem Vogelhaus-Türmchen bewundert.  

Was für wunderschöne Gärten ! Wie schade, dass es dort zwar überall bequeme Liegestühle gibt, aber keine Bar. Dann wäre ich nämlich glatt noch länger geblieben.  

Gestern hat es praktisch den ganzen Tag lang durchgeregnet, und auch jetzt zieht gerade eine feuchte Störung vorüber.

Zum Trost bin ich bei einer kurzen Regenpause ins Dorf gefahren und habe im ‘La Table d’Ancelin’ gegessen. Danach war ich froh, dass ich ein Abfallsäckchen über den Velosattel gezogen hatte und die Regenjacke trug..

Beim Menü-Angebot ‘Boeuf Bourguignon’ dachte ich spontan an im Ölpfännchen frittierte Fleischwürfel. Bei dieser Burgunder Spezialität handelt es sich jedoch um ein lange gegartes Ragoût – und es schmeckte ganz wunderbar mit dem Kartoffelgratin. Beim Geniessen meines Apéro-Rosé wurde mir leider klar, dass es nicht auch noch für ein Glas Rotwein reicht, wenn ich danach noch nach Hause finden will mit dem Velo..    

Ich bin immer noch in Cormatin, obwohl – oder weil – es auch heute Sonntag praktisch durchregnet. Morgen soll es besser werden, und ich möchte zu gerne noch ein Stück der Velowege ‘Voies Vertes’ befahren. Es gibt in Frankreich über 15’000 Kilometer davon, und einer führt direkt an diesem Platz vorbei.

Ich wünsche euch allen einen herrlichen Sonntag ! 😊

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