Ein wenig Provence, ein wenig Auvergne

27.5.2024 Pfingstsonntag, 19. Mai 2024. Wie befürchtet bot Pfingsten den Campingplätzen ein Buchungshoch, und etliche waren ausgebucht. In Fréjus fand ich dann einen Platz, bei welchem die nette Dame am Telefon meinte, ich brauche nicht zu reservieren; sie hätten genug Platz. Das hätte mich zwar stutzig machen können, aber ich habe nur erleichtert zugesagt. Ich hatte wieder ein Ziel, und erst noch in gemütlicher Fahrdistanz.  

Ich verfuhr mich bereits kurz ausserhalb von Sanremo, und mein Navi-Yannick verschluckte sich beinahe bei seinem häufigen ‘Neuberechnung der Route’. Schliesslich fanden wir den Ausgang doch noch – und sahen uns den nächsten Ort Ospedaletti ähnlich gründlich an, weil ich wieder eine Abbiegung verpasste vor lauter Schauen.  😊

Die Autobahnen hoch über allem sind toll ! Von da oben gesehen tauchen unten ganze Städtchen auf wie Gemälde (oben das geklaute Bild für Menton, welches ich ähnlich pittoresk und bunt erspähte vom Berg herunter).

Dass ich die Grenze zu Frankreich überquert hatte, bemerkte ich vor allem daran, dass das Navi die Autobahn nun in Blau anzeigt und die Landstrassen in Grün, und dass die Strassen weniger Schlaglöcher haben. Und natürlich daran, dass nun hübsche Schlösschen auf den Hügeln stehen statt Wehrtürme.

(Immerhin dachte ich endlich daran, das in Italien so oft gelesene Wort Cantiere nachzuschauen: Baustelle! Ich dachte immer, es hätte etwas mit nur einer Fahrspur zu tun. Das war zwar oft der Fall, aber nicht immer. Sowas.

Fréjus – Die Camping Saint-Aygulf – Erfahrung

Nun zum verpassten stutzig-Werden: Die Dame am Telefon sagte nicht deshalb, dass ich nicht zu reservieren brauche, weil dies ein kleiner Hinterland-Camping ist, den eh niemand kennt, sondern weil der Camping de Saint Aygulf so gross ist wie ein Dorf !  Auf dem Plan sind 1175 Einheiten eingezeichnet ! Etwa ein Drittel davon sind Bungalows. Da bleiben also noch gut 800 Stellplätze ! Mamma mia ! Ach so, nein: Mon Dieu !. Ça alors !

Da viele ihr Wohnmobil möglichst nahe beim Swimming Pool, dem Restaurant oder Sanitärgebäude hinstellen, war dort alles dicht gedrängt – und ich stand herrlich einsam in der Nähe des Wassers ganz hinten auf dem Platz. Deshalb gerieten allerdings meine Spaziergänge zum Essen, zur Abfallstelle oder zum WC zu eigentlichen Wanderungen. Bloss gut, dass das gesund sein soll.. 😊

Ich blieb dennoch gerne zwei Nächte, denn so ein Dorf hat ja auch Vorteile: das Restaurant ist offen von früh bis spät; es gibt einen Supermarkt, eine Bar und sogar ein Fitness Center (so man denn so etwas suchen würde..).

Zwischen dem Campingplatz und der vielbefahrenen Strasse über eine Brücke liegt ein Naturschutzgebiet im Moor.

Zwanzig Schritte ausserhalb des Campings fühlt man sich in einer anderen Welt bei goldgelben Sumpflilien, Vogelgezwitscher und raschelndem Huschen von Eidechsen im Dickicht. Das Gebiet ist zwar klein, aber angesichts anderer Nutzungsmöglichkeiten ein schöner Anfang.   

L’Isle-sur-La-Sorgue

Ich bin in der Provence, und in L’Isle-sur-La-Sorgue bin ich dank Uwes Empfehlung gelandet, denn dieser Platz kommt nicht vor in meinen Camping-Apps. Danke, Uwe – gut gemacht ! Hier gefällt es mir sehr gut, und ausserdem habe ich nach Gallipoli zum zweiten Mal auf einem Campingplatz richtig gut gegessen. Bonus: auf dem ganzen Platz blüht momentan duftend und goldgelb der Binsenginster.  

Diese beiden Frauen schmeissen das Restaurant auf dem Platz. Und sie machen das richtig gut !

Die Instruktionen beim Besteck besagen, dass man am Buffet bestellt, sich danach seinen Tisch decken und den Drink geniessen soll, den man direkt mitgenommen hat. Und bitte am Ende der Mahlzeit alles abräumen, ja ? Sehr sympathisch ! Das Essen wird dann serviert von der Dame, die gerade Zeit hat dafür.

Hier habe ich fantastisch gegessen: links eine Tajine: das Poulet wurde stundenlang ganz langsam gegart und auf Bulgur mit Gemüse angerichtet. Zum Dessert gab es ein Stück Wähe mit diesen Provence-typischen Kirschpflaumen (oder doch eher Pflaumenkirschen ?), gepflückt von den Bäumen mit den dramatisch roten Blättern hinter meinem Auto.

Der Fluss Sorgue – eine lauschige Sache.

Hier sieht man viele dieser mit Algen überzogenen Wasserräder.
Ab dem 12. Jahrhundert wurden damit Korn-, Öl- und Papiermühlen angetrieben, später profitierten auch Woll-Spinnereien von der Wasserkraft. Inzwischen sind die Schaufelräder der Sorgue mehrheitlich zu dekorativen Elementen geworden. Dieses hier füllt immerhin zuverlässig den Brunnentrog, und wir Touristen stehen fasziniert davor.   

Le Partage des Eaux. Hier teilt sich die Sorgue in zwei kleinere Sorgues, und am Campingplatz (beim Flusslauf rechts hinten) findet sich eine Anlegestelle für die beliebten Kajaktouren. Hin und wieder rutscht ein Kajak über die kleine Schwelle, worauf einer der Ruderer ins kalte Wasser steigen muss, um das Ding zurück auf Kurs zu bringen.  

Ich wollte mir das Städtchen ansehen und fand mich unversehens auf einem grossen Markt wieder; eine Versuchung, der ich nicht widerstehen konnte.

Auch beim Ortseingang dreht sich ein riesiges Wasserrad mit der einzigen Aufgabe, schön zu sein.

Antiquitätengeschäfte zuhauf !

In den Gassen vor den zahlreichen Seifenläden roch es jeweils herrlich blumig oder würzig nach Lavendel und Kräutern.

In L’isle-sur-La-Sorgue gibt es unzählige Bachläufe und Brücken. Die Kanäle wurden einst zur Entwässerung des Sumpfes angelegt, auf welchem der Ort erbaut wurde,  und sie schaffen ein leichtfüssiges, einladendes Ambiente. Es war schön hier !

Saint-Jean-de-Muzols

200 Kilometer weiter bin ich auf dem Camping Le Castelet in Saint-Jean-de-Muzols gelandet.

200 Meter neben dem Campingplatz steht dieser Bahnhof für eine Fahrt mit der Schmalspur-Dampfeisenbahn durch die Schluchten des Flusses Doux, der 4 km von hier in die Rhône mündet.

Bei den Ortsnamen sieht man’s gut: währenddem die Finnen mit Gratis-Vokalen um sich werfen, haben die Franzosen zu ihren eigenen Buchstaben einst ein paar Paletten Bindestriche erhalten und sind nun wild entschlossen, diese auch einzusetzen ! Wie man sich unter diesen Umständen einen Ortsnamen, der eine ganze Geschichte erzählt, merken soll, ist mir schleierhaft.. 😊
Die Dorfbewohner werden übrigens schlicht Muzolais bzw Muzolaises genannt. Es ginge also schon einfacher, wenn man denn wollte..

Der Train de L’Ardèche verkehrt seit 1891 auf 28 Kilometern Schmalspurgleisen zwischen Tournon und Lamastre. Damals transportierte der Zug Holz, Lebensmittel und Bewohner durch die Schluchten des Doux, heute Touristen in offenen Waggons auf der Suche nach einem kleinen Abenteuer. Also mich zum Beispiel.

Schaut euch diese Ortsnamen an ! Ich sag’s ja: Ils sont fous, ces Français ! 😊

Damit das auch gesagt sei: Wenn sie nicht ganz so inflationär angewendet werden, finde ich Binde- oder Gedankenstriche richtig praktisch.  

Das oben war unsere Endstation beim anderthalbstündigen Ausflug. Hier wurde die Lok auf einem Drehteller gewendet, ehe es zurück ging nach…. ihr wisst schon: der andere Bindestrich-infizierte Ort. Dort, wo ich gerade wohne bei den Muzolais..

Die ‘Schluchten-Reise’ selber war nicht sooo spektakulär, aber wir bewunderten die bildschöne Dampflok, die alten Viadukte und das nette Grünzeug ringsherum. Und wir unterhielten uns prächtig: die ehemaligen Lehrer Martin und Marianne aus Berlin waren meine Nachbarn auf dem Campingplatz, und wir teilten uns Getränke und gefüllte Sablés vom Stand an der Endstation.  

Die Beiden sind doch tatsächlich in einem PW unterwegs, in welchem sie auch schlafen ! Soviel zu meinem «Einen gewissen Komfort soll man im Alter nicht mehr unterschreiten…». Lehrer sind halt wirklich anders..

Achtung: Ich bin kein Reisebüro – Nachahmung auf eigene Gefahr ! 😊
Meines sind keine Reise-Empfehlungen, sondern Reise-Erlebnisse ! Sonst müsste ich auch negative Punkte aufgreifen, den Zustand der Sanitäranlagen protokollieren und hier zum Beispiel erwähnen, dass man den Verkehr auf der Strasse jenseits des Flusses (siehe Autos in etwa Bildmitte oben) gut hört und der Matsch vor dem Auto nach dem gestrigen Regen ziemlich pflotscht.

Hier wächst Syrah für die Appellation St. Joseph, und das Gebiet Crozes-Hermitage liegt gleich am gegenüber liegenden Ufer der Rhone.

Ich glaube, ich freue mich eher über die schönen Dinge als dass ich die unschönen aufspüre. Dies ist deshalb ein unvollendeter Erfahrungsbericht, denn Erfahrungen sind immer so persönlich wie die Person, die sie macht.

Als kontaktfreudige Alleinreisende werde ich zum Beispiel oft angesprochen. Ich versuche dann, mich nicht aufzudrängen, gehe nach einer direkten Einladung aber gerne mit auf einen Ausflug, und ich teile bereitwillig meinen Wein oder den Tisch im Restaurant mit anderen Reisenden.

Jemand Schüchternes würde dies alles ganz anders erleben. Paare ebenfalls, denn sie bilden sozusagen eine ‘geschlossene Einheit’ und müssen gewünschte Kontakte oft selber anstossen. Ergo: gleiche Erfahrungen und gleiche Eindrücke sind nie garantiert. Also versuche ich es gar nicht erst mit der sachlichen Vollständigkeit. Voilà ! 😊

Bar auf dem Camping Le Castelet in Dingsda…. Moment. Ah ja: Saint-Jean-de Muzols. 
Ich wünsche euch allen eine farbenfrohe Woche !
Bleibt gesund und guter Dinge – und bleibt verschont von Mücken und Bindestrichen !
😊

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