Schulkameraden, italienische Velogeschichten und Regen..

Der sizilianischen Fahrradgeschichte zweiter Teil.
Bosch-Akkus für eBikes sind richtig gut. Jedenfalls war erst nach der Rückreise in die Schweiz ein Aufladen fällig seit dem Kauf meines neuen, alten Velos bei Giuseppe in Agrigento.

Bloss: ich hatte kein Ladegerät ! Ich Voll-Dödel hatte nicht bemerkt, dass Giuseppe mir keines mitgegeben hatte zu dem Fahrrad !
Also habe ich zähneknirschend eines gekauft für 120 Franken, mich dann hingesetzt und ein Mail an Giuseppe verfasst, in welchem ich ihn daran erinnerte, dass ich sowieso schon zuviel bezahlt hatte für den alten Göppel, ihm ausserdem noch mein viel neueres Yamaha Bike dagelassen hatte (ok, es benötigt ein neues Steuerelement); dass er mir aber auf jeden Fall 120 Euro schulde.
Dies alles in meinem besten Italienisch, welches – begünstigt durch das intensiv konsultierte Online-Wörterbuch – trotz einiger Hopplas ziemlich unmissverständlich war und meine Bankdaten auch gleich mitlieferte.

Giuseppe antwortete denn auch prompt mit der Versicherung, dass er mir das Ladegerät auf jeden Fall mitgegeben hätte, dass mein Yamaha Bike immer noch sinnlos bei ihm in der Werkstatt herumstünde und er mir deshalb überhaupt nichts schulde. Tanti saluti.
Merde ! Nun ja, ich hatte es immerhin versucht, und es hätte ja sein können..

Ich bin seit Mitte Oktober wieder unterwegs und werde ziemlich oft verregnet. Die Zeit im Auto habe ich deshalb dazu genutzt, einzelne Ecken auszumisten und nutzlose Dinge wie etwa ein mörderisches Sackmesser, diverse alte Zapfenzieher, zu eng gewordene T-Shirts (…) und dergleichen mit ‘Gratis’-Zettel in die Abwasch-Räume zu stellen, von wo sie meistens bald zu neuen Besitzern finden.    

Der Raum unter der Rückbank enthält Metallverstrebungen. Da er sich deshalb nicht besonders gut befüllen lässt, ist er zugegebenermassen etwas zur ‚Ramschecke‘ geworden. Ich habe alles ausgeräumt: Wasserkocher, Gratinformen, eine Vorratsbüchse voller Batterien, überflüssige Servierschüsseln – und dort lag es: das Ladegerät von Giuseppe ! …….. Mamma mia ! Wie peinlich !

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Da wir ja dazu neigen, eigene Fehler möglichst diskret verschwinden zu lassen: braucht irgendjemand vielleicht ein Bosch-eBike-Ladegerät ? Durch Zufall habe ich gerade zwei am Lager.. 😊

Damit wäre mein Fehler so gut wie eliminiert (schon, oder ?), und deshalb geht es nun zu meiner Reise…

Meinen Tessiner Platz am kleinen Hafen von Tenero habe ich nicht gerne verlassen, aber das Campofelice schliesst demnächst für den Winter, also kann ich ebenso gut schon morgen los.

Ein letztes Glas Wein im Bistrot Robin; einen Nachbarn bitten, mir beim Velo-Aufladen zu helfen (er meinte, ich hätte aber wirklich ein grosses Ding – ach so, deshalb kann ich es plötzlich nicht mehr allein hochheben. Ich bin gar nicht schwach, sondern die Aufgabe zu schwer !)

350  Kilometer später komme ich jedenfalls in Diano Marina an (Ligurien zwischen Genua und Nizza), wo mein einstiger Primarschulkamerad Guido und seine Frau Danielle seit Jahren ihren Winter verbringen.

Die Beiden haben sich im Laufe der Zeit der wilden Katzen auf dem Platz angenommen und bringen sie jeweils dem Tierarzt zur Heilung oder zur Unterbindung.
Der anhänglichste ihrer einstigen Kunden ist ‘Lümmel’ (‘Lummel’ auf italienisch.. 😊). Der Tiger erwartet sie jeweils bereits, wenn sie nach einem halben Jahr wieder eintreffen – und nimmt dann umgehend Besitz von ihrem Vorzelt.

Es ist tatsächlich hübsch hier. Und praktisch: Der Campingplatz am Hang liegt in lockerer Gehdistanz zum Städtchen und seiner vielen Läden und Restaurants in den grosszügigen Fussgängerzonen.

An jeder Ecke trifft man auf den verfallenden Charme einer anderen Zeit

Auch das Rathaus hat Stil !

Erstaunlicherweise waren immer ein paar Leute im Wasser, wenn ich im Pulli und Faserpelz hier entlang spazierte…

Der Friedhof ist auch hier eine friedliche kleine Welt..

..wo lediglich das Ersetzen von verblassten Plastikblumen-Arrangements etwas gefährlich wird, wenn der damit Beschenkte im 5. Stock lebt. Äh: Lebt ? Wohnt ?…. IST ! Jetzt hat’s geklappt.

In der Pizzeria da Severino, wo «Gott das Essen machte, aber ganz bestimmt der Teufel die Köche», gab es feine Pizza, ebensolchen Barbera und einen sehr unterhaltsamen Abend.   

Herzlichen Dank euch Beiden für die nette Einladung ! Ich habe meinen Aufenthalt in eurer Nachbarschaft sehr genossen !
Liebe Grüsse auch an Lümmel (pardon: Lummel natürlich, wo sind wir denn 😊)

Es hat mir so gut gefallen hier, dass ich erst nach acht Nächten weiterzog – und auch nur, weil mein Platz ab dem nächsten Tag vorreserviert war..   

Der Lastwagenfahrer dieses französischen Camions der Firma ‘Channelfret International’ aus Orange hat mich souverän 150 Kilometer lang durch bestimmt 20 Baustellen und ebenso viele Tunnels gelotst.

Er hat immer vorausschauend gebremst, frühzeitig geblinkt, eine schöne Durchschnittsgeschwindigkeit gehalten und es mir ermöglicht, mich am gleissenden Meer unter uns, der terracottafarbenen ‚Kuscheldörfer‘ auf den Bergkuppen vor uns und an der Sonne über allem zu erfreuen. Und weil niemand (ausser mir) hinter einem Lastwagen herfahren will, musste ich mir nicht einmal sonderlich Mühe geben, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Merci, mon Cher !

Ich stehe nun oberhalb des Dorfes Valdeiva Marina etwa 40 Kilometer nördlich von La Spezia, und das ist die Aussicht aus meinem Frontfenster beim Essen. Oder beim Blog-Schreiben. Zumindest, solange das Wetter stimmt.

Auf diesem Camping gibt es einen Fitness-Parcours, den ich mir mit mildem Interesse angesehen habe. Dann habe ich mich an die ersten zwei Stangen gehängt, von denen aus man sich zu den nächsten vorhangeln soll – und spontan beschlossen, dass solche Aktivitäten völlig überbewertet sind.. 😊   

Immer noch die Aussicht aus meinem Frontfenster, einfach von heute Morgen statt von vorgestern..

Es ist auch hier Herbst geworden. Seit gestern Abend regnet es wie aus Kübeln, und dazu geht ein böiger Wind. Immer mal wieder steigt auch der Strom aus. Ich habe jedenfalls mein Nachtessen von der eigentlich geplanten Pasta Arrabbiata kurzerhand auf Guacamole umgestellt.

Und ich verzichte auf einen weiteren Besuch der Cinque Terre und Positano, obwohl Campings in dieser Gegend jeweils Shuttles zum Bahnhof anbieten, und obwohl das sehr hübsche Ziele in der Nähe wären. Zumindest bei hübschem Wetter..

Gestern noch wollte ich heute früh südwärts Richtung Toscana halten, aber bei diesem Wetter macht das Reisen keinen grossen Spass, und ausserdem ist es sehr nett hier, und wir sind nur noch zu Viert auf dem Platz.

Ich wünsche euch allen eine gute Zeit und hin und wieder etwas Sonne ! 😊  

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