Lanzarote – Montañas del Fuego, Manrique und Malvasia

Was für eine wunderschöne Insel !

Falls es hier tatsächlich einen Campingplatz geben sollte, wollte ich ihn mir als erstes ansehen. Er soll gleich um die Ecke liegen. Also habe ich bei Ankunft im Hafen der Stadt Playa Blanca nach rechts der Küste entlang gehalten.


Apropos Playa Blanca: die Kanaren haben dasselbe Problem mit der Namengebung wie wir:

Als man Distanzen noch zu Fuss – hier vielleicht auch noch mit dem Fischerboot – durchmass, waren gleiche Namen für verschiedene Orte kein Problem. Auf den Inseln hier heisst jedenfalls verwirrend vieles Playa Blanca, Montaña Roja, Santa Cruz oder La(s) Palma(s) – letzteres wird erst noch in beiden Formen gleich ausgesprochen ohne die Mehrzahl-‘s’. Sie haben also dasselbe gemacht wie wir zum Beispiel mit Rüti, Rüthi oder Reute.

Schon wieder eine Schotterpiste, und dieses Mal ohne Alternative..
Immerhin war sie nur gut 4 Kilometer lang – und madre mia, hat sich die Reise gelohnt !

Den Campingplatz hatte ich zwar kurz vorher tatsächlich gefunden an derselben Schotterstrasse, aber er ist neuerdings nur noch zwischen Juli und September offen. Ich habe mich deshalb zu den anderen Wohnmobilen auf den Parkplatz rechts oben gestellt – und fand es genial dort ! Auf der anderen Seite vom Strand gibt es drei Restaurants/Bars (links davon lädt ein blauer LKW gerade Kies ab..), und rundherum laden kilometerlange Wege zum Spazieren ein, und es gibt jede Menge Sandstrände in geschützten Buchten wie hier.

Im Restaurant ‘Be Papagayo’ über dem Strand fand ich diese Beschattung aus Tarnnetzen ganz wunderbar, weil sie mit dem Licht und der Brise spielt und doch Schatten spendet. Das Essen hier war ebenfalls sehr gut – als es dann endlich kam..

Dieses Licht an der Playa Papagayo – grossartig !

Der vielleicht 55-jährige Deutsche Michael im WoMo hinter meinem lebt im Rollstuhl und ist seit zwei Jahren mit seinem Vollzeitpfleger (den die Krankenkasse bezahlt) unterwegs. Sie suchen gerade wie viele andere ein Häuschen zum Auswandern auf Lanzarote… 

Als die Tagesgäste ihre Badesachen gepackt und nach Hause gefahren waren, standen wir sechs Wohnmobile ganz allein auf der Ebene über dem Strand und genossen die abendliche Aussicht über Playa Blanca.

Und noch ein Vulkan ! Und was für einer ! Timanfaya !

Der Vulkan Timanfaya im gleichnamigen Nationalpark ist immer noch sehr nahe an der Oberfläche tätig. An gewissen Stellen erreicht die Temperatur 10 cm unter der Oberfläche bereits 140°C – und in 6 Metern Tiefe 400°C.

Zur Erbauung der Touristen schüttet ein Mitarbeiter des Nationalparks beim Restaurant El Diablo einen Kübel Wasser in ein im Boden eingelassenes Rohr, und eine Sekunde später schiesst eine Dampffontäne aus dem Loch mit einem Zischen wie eine Feuerwerk-Rakete beim Abflug.

Das runde Restaurant ‘El Diablo’ in den Bildern oben ist ebenso vom Künstler César Manrique entworfen worden wie das Salinen-Logo mit dem kleinen Krebs, das mir schon auf La Palma begegnet war.

Im Restaurant ‘El Diablo’ wird alles über dem nie ausgehenden Feuer des Vulkans grilliert ein Traum für jeden Grillfan ! Die Grube unter dem Rost ist mehrere Meter tief – und die Hitze oben beeindruckend ! Hier gegartes Fleisch schmeckt übrigens genauso wie jenes vom Holzkohlengrill, also herrlich und mit einer schwachen Rauchnote.
Auch der Teufel auf der Serviette des Restaurants ‘El Diablo’ ist eine typische Manrique-Zeichnung.
Die Werbung rechts stammt von 2019 und ist auf vielen Mietautos zu sehen.

César Manrique (1919-1992) verbrachte viele Jahre im Ausland, ehe er 1968 auf seine Geburtsinsel Lanzarote zurückkehrte.
Er sah sich zwar in erster Linie als Maler, beschloss jedoch, die Insel zu bewahren vor Spekulanten und hässlichen Hotelbunkern – und wurde dadurch auch zum Naturschützer und Architekten.
Am liebsten hätte er durchgesetzt, dass kein Haus höher als zwei Stockwerke gebaut werden dürfe. Dank ihm ist tatsächlich vieles hier intakt geblieben. Auch wenn er nicht alles nach seinen Vorstellungen richten konnte (wer kann das schon), so ist sein Werk doch allgegenwärtig auf der Insel, die ihm nun verdient die Ehre erweist. 

«Aschehaufen und Trümmerfelder»
Manrique missfiel diese Beschreibung seiner Insel durch Touristen zutiefst. Er selber sah seine Heimat als wilde Naturschönheit und begann, den erstarrten Lavaströmen, Höhlen und Felsen in seiner Architektur einen Platz zu geben. Er entwarf Häuser und Gärten, in denen unbearbeitete, schroffe Naturmaterialien auf runde, weiche Formen aus Menschenhand trafen, die diese kantige Naturschönheit künstlerisch einrahmen.

Ein typisches Beispiel dafür ist ‘Jameos del Agua’ im Norden der Insel. Ein grosser Teil des Baus befindet sich unter der Oberfläche in erweiterten, natürlichen Lavahöhlen. Die romantische Anlage ist sehr beliebt für Hochzeiten und andere Festivitäten. Die Akustik im Lava-Konzertsaal für 600 Personen soll gewaltig sein.

In dieser Lavagrotte wurde einst der Abfall der ganzen Region entsorgt – inzwischen lebt im kristallklaren Höhlenwasser eine Albino-Krebsart, die sonst nur am Grunde des Ozeans vorkommt.  

Der ‘Mirador del Rio’.

Hier bezahlt man 5 Euro Eintritt, um von einem Kliff aus auf die Isla Graciosa hinunter schauen zu können. Man würde die Inseln auch dann vom Kliff aus sehen können, wenn auf eben diesem Kliff kein Kassenhäuschen und Restaurant, keine Aussichts-Plattform und Mauer den freien Blick verwehren würden. Da alle erwähnten Dinge jedoch schon vor mir hier waren, bezahlte ich 5 Euro, um – eben – auf der anderen Seite hinunterschauen zu dürfen. Raffinierte Sache, oder ?

Ein paar Stunden später: Nun kann ich es ja zugeben: der Manrique-Bau war die 5 Euro wert. Und die hinreissende Aussicht gab es erst noch gratis dazu.

El Monumento al Campesino

Das Denkmal selber besteht aus bemalten Wassertanks von ausrangierten Fischerbooten

Auch dies ein Beispiel für einen Manrique-Bau, die Siedlung beim Monumento al Campesino in der Inselmitte. Alles ist entweder der Natur nachempfunden oder bescheiden in sie eingebettet. Dieses ‘Monument-Dorf’ mit Werkstätten und Läden widmete er den Bauern.
Sie waren es schliesslich, die entdeckt hatten, dass die pyroklastischen Steinchen von explosiven Vulkanausbrüchen sehr gut Tau aufzusaugen vermögen und sich deshalb zum Anbau von beispielsweise Trauben eignen.

Weinbau auf Lanzarote

Das ist ein typischer Weinberg hier. Oder vielmehr eine Weinebene. Jeder Krater enthält eine bis zwei Reben, vor allem der weissen Sorte Malvasia. Die Vulkansteinchen in den Trichtern geben den nächtlichen Tau langsam ab über die Tageshitze. Die kleinen Steinmauern wiederum halten die heftigen Passatwinde ab. Ab Ende Juli ist Traubenlese – eine der frühesten in ganz Europa.
Die Kanaren wurden übrigens gänzlich verschont von der Reblaus, die ab 1860 in Europa wütete; die Muskateller- und Malvasia-Reben hier mussten deshalb nicht auf Reblaus-resistente Wurzelstöcke aufgepfropft werden.

Ich bin mit grossem Vergnügen von Bodega zu Bodega gefahren und habe mir die Kellereien und die Rebberge angesehen.
Hier bin ich gerade bei der ältesten davon, namens Vogel Greif oder ‘Al Pájaro Grifo’. Die Reben sind je nach Windbefall in Reihen ausgerichtet wie hier im Hintergrund oder in Einzelkratern angepflanzt.

Bei der Bodega Stratus zogen sich die Pflanzungen bis in die Hänge hinauf
Hinter dem schwarzen Berg bei der Kellerei ‘La Geria ’(rechts hinten) beginnt bereits wieder der Vulkan-Nationalpark Timanfaya

…und bei der ‘Bodega Rincón’ reichte es für eine zuckersüsse Melone mit Jamón Iberico, frischem weissen Brot und ebensolchem Malvasia. Der Wein war wunderbar ! Fruchtig-frisch mit mineralischen Noten (was nicht weiter erstaunt..).

Diese Trichter können je nach Lage durchaus drei Meter Tiefe und acht Meter Durchmesser erreichen. So viel Raum braucht die Pflanze, um genügend Nährstoffe und vor allem genügend Wasser zu erhalten. Die Erde tief unter der Vulkanasche ist jedoch sehr fruchtbar, und die Weine entsprechend gehaltvoll.

Ich war auf jeden Fall begeistert von meinem Ausflug und den gebotenen Einsichten in eine andere Welt. Und als ich wieder an der Küste ankam, hatte ich gerade einmal 70 Kilometer auf dem Tacho ! ‘Andere Welten’ liegen hier dicht beieinander !

El Jardín de Cactus

In diesem (klar: Manrique-) Garten gibt es über 1000 Kaktus-Arten zu bewundern. Und da ich nichts anderes zu tun hatte dort, sah ich sie mir an und stellte überrascht fest, dass Kaktusse wirkliche Schönheiten sind.

Und nochmals zurück zum Timanfaya

Hier wähnt man sich beinahe in der afrikanischen Wüste. Aber mit Kamelen wurden hier schon früher Felder gepflügt und Material transportiert. Heute tragen die Tiere Touristen auf eine nervenkitzelnde Runde über den Ascheberg im Nationalpark.

Ich werde mich hüten, meine Zufahrt zum Timanfaya-Nationalpark ‘Aschehaufen und Trümmerfelder’ zu nennen, obwohl mir der Ausdruck irgendwie spontan in den Sinn kommt…
Es ist zwar kaum zu glauben, aber hier gibt es etwa 800 verschiedene Lebewesen, von verschiedenen Flechtenarten über Insekten, Eidechsen und Vögeln bis hin zu einer Aasgeier-Art in den Vulkankratern.

Zu meinem Eintrittsbillett in den Park gehörte auch eine Rundfahrt in einem Bus. Wenn ich mir dieses Strässchen ansehe, bin ich froh, dass ich nicht selber fahren musste.

Schlusspunkt
Ich hatte mich ja in Andalusien gefragt, wie es möglich ist, dass eine hohe Palme ihre abgestorbenen Blätter bis zum Boden hinunter ‚anbehalten‘ kann wie einen Wintermantel. Ich weiss jetzt, warum !

Die Blätter dieser Palmenart bilden beim Austreiben eine Art ‘Webmuster’ und halten sich so gegenseitig fest. Cool, nicht ?

Mir gefällt es sehr auf Lanzarote. Alles ist nah, interessant, dramatisch, freundlich – mit fantastisch schönen Aschehaufen und Trümmerfeldern (pardon..) und langen Stränden mit Ferienstimmung.

Ich wünsche euch allen eine gute Woche ! 😊

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