Die raue Schöne: «La Palma»

Dass man auf allen meinen Bildern von hier nicht sieht, wo das Meer endet und der Horizont beginnt, liegt an Calima.

Calima ist ein heisser Wüstenwind aus Afrika, welcher Sahara-Sand und Staub bis zu den Kanarischen Inseln trägt, sich wie ein Dunstschleier über die Inseln legt, die Konturen weichzeichnet und den Fernblick verdeckt. Ach so, ja: und die Temperaturen steigen lässt. Auch im Sommer, wenn das wirklich nicht nötig wäre.

Das sind Simone und Stefan, meine Gastgeber auf 650 Metern über Meer in Puntagorda auf La Palma.

Das deutsche Paar lebte vorher viele Jahre in der Schweiz und ist vor vier Jahren hierher gezogen, weil sie sich in die Insel verguckt hatten. Sie haben sich in Puntagorda ihren Traum erfüllt und leben mit ihren zwei Hunden auf der eigenen Finca mit mehreren Häuschen, einem blühenden Garten und einer Praxis für Massage und Yoga.

Der Labrador Santo ist elfjährig, die Palmera-Mischlingshündin Giulia drei (was hat sie für schöne Steh-Öhrchen)

Mein Stellplatz im Schatten von drei mächtigen Palmen und einem Pfefferbaum mit bereits roten Beeren. Normalerweise teile ich mir diesen Platz mit dem kleinen ‘Berlingo’ von Simone und Stefan, aber im Moment besuchen sie gerade Freunde.

Frühstück mit Simone in der warmen Morgensonne. Die Mauer hinten ist aus Lavasteinen gebaut. Auch die meisten Häuser hier sind aus diesem Material, welches, wie wir inzwischen wissen, in rauen Mengen vorhanden ist.  

Stefan hat im Garten eine Aussendusche und einen Waschtisch gebaut. Dahinter sind die ebenfalls selbst gebauten Büro- und Materialräume – und überall gibt es Sitzgelegenheiten im Freien – je nach Sonnenstand. Herrlich !

Das hübsche Gästehäuschen mit romantischem Sitzplatz unter dem grossen Mandelbaum wird momentan bewohnt von Chris, einem evakuierten Bewohner aus Puerto Naos im Süden, wo die Gaskonzentration von den nahen Lavafeldern immer noch so hoch ist, dass er vorläufig nicht zurück in seine Wohnung darf.

Ich habe ihn vorhin gefragt, wie er das Alleinsein aushalte. Und was hat er gesagt ? «Ich bin am liebsten allein. Heute war ich den ganzen Tag mit jemandem zusammen, und das ist immer sooo anstrengend !» Als Eremit wird man offenbar geboren. Da bin ich dann wohl anders gebaut, kann man nichts machen.

Simone meinte über La Palma, dass man entweder sofort ein lebenslanger Fan der Insel wird – oder aber nie warm wird mit ihr.
Vielleicht hat das etwas. Ich vermute ja eher, dass ich einfach etwas zu früh angereist bin, weil es Zeit wurde, Utrera zu verlassen. Wenn nämlich Simone und Stefan tatsächlich für ein paar Monate nach Zermatt reisen, dann erst ab irgendwann im April.

Die Frage, die sich aufdrängte, war also: was mache ich bis dahin auf der Insel ?
La Palma ist nicht wirklich eingerichtet für Camper (Zelten geht schon eher).Da werden zwei Monate sehr lang. Dieser kleine Stellplatz am Ende der Welt (oben) ist schon seit Wochen geschlossen, und Wildcamping ist verboten. Bleiben also nüchterne Parkplätze, was mir überhaupt nicht zusagt über längere Zeit. Und dass es hier überall schwierig ist, an einen Strand zu gelangen, ist ebenfalls ein etwas schmerzliches Detail.

Ich war vor zwei Jahren Mitglied in einer Gruppe für ‘House Sitting’. Da betreut man für ein paar Monate jemandes Haus, Katzen und Garten, währenddem die Besitzer im Ausland weilen. Das schien mir eine gute Alternative zum Nichtstun – für eine Zeit. Nach vielen Berichten über die totale Einsamkeit in den meistens sehr abgelegenen Häusern trat ich dort wieder aus.

Dass ich trotzdem nach La Palma kam, hatte (auch) damit zu tun, dass ich vorhatte, meine Familie und Freunde hierher zu locken und sie mit kanarischem Inselleben zu beglücken. Wenn aber gerade niemand kommt, bin ich hier sehr allein. Und das hat schliesslich zur Erkenntnis geführt, dass ich keine acht Monate hier bleiben möchte.     

Es wäre aber wirklich schade gewesen, wenn ich gar nicht erst gekommen wäre, denn La Palma hat definitiv einen ganz eigenen Charme (und ein ganz eigenes Licht), und ich bin sehr gerne hier – für eine Weile…

Statt einer weiteren ‘Hätte–Wäre–Täte-Lagebeurteilung’ gibt es deshalb einige La Palma – Bilder von meinen Ausflügen mit Simone – obwohl Calima die Weitsicht auch eine Woche nach meiner Ankunft immer noch erfolgreich verwischt.   

Lokalgrössen. Dem 2016 verstorbenen Palmero – Regisseur ‘Roberto Rodríguez Castillo’ wurde dieser Sessel aus schwerem Eisen gewidmet. Er steht auf einem Logenplatz mit Blick über Puntagorda, wo Castillo 1932 geboren wurde und später vor allem Dokumentarfilme über La Palmas Geschichte und Kultur drehte.

Das sind Kanarische Drachenbäume. Sie heissen hier ‘Drago’ und sollen uralt werden. Man hat allerdings noch keine Methode gefunden, das Alter präzise zu bestimmen, da die Bäume keine Jahresringe bilden. Sie gehören ja auch zur Familie der Agaven (andere Quellen sagen Spargel-oder Mäusedorngewächse). Das Baumharz färbt sich rot in Verbindung mit Luft und diente den Ureinwohnern als Heilmittel. Drachenblut nannten sie den Saft (Sangre de Drago) – und ihnen waren die Bäume heilig.

Die Dragos bilden einen hübschen Schopf auf jeder Verzweigung, und die Stämme haben leichte Wellen auf der sonst glatten, silbrigen Rinde.

Eine der vielen Schluchten, Barrancos genannt, die sich rund um die Insel wie Vorhangfalten aneinander reihen.

Überall blühen nun die Mandelbäume. Ein Frühlingsfest in rosa.
Weisser Ginster hoch über der Küste. Seine Blüten erfüllen die ganze Gegend mit zart-frischem Duft

Los Llanos de Aridane, die heimliche Hauptstadt von La Palma

Die Plaza de España im Zentrum der Stadt wird von mächtigen Lorbeerbäumen beschattet.
Dieser Indische Lorbeer gehört zu den Maulbeerbaumgewächsen und stammt ursprünglich aus Asiens Tropen. Man trifft sie überall an auf der Insel.

Eine grosse Fussgängerzone lädt zum gemütlichen Schlendern ein. An vielen Hausfassaden gibt es grosse Wandmalereien zu bestaunen.

Auf La Palma gibt es zahlreiche deutsche Auswanderer, die hier auch Geschäfte eröffnet haben. Es erstaunt deshalb nicht, dass auf der inselförmigen Tafel links ‘Naturseifen’ angepriesen werden.  

Von Los Llanos kamen wir auf dem Weg Richtung Hafen von Tazacorte an Bananenplantagen vorbei. Die kanarischen Bananen sind relativ klein und schmecken  intensiver als die EU-konformen grossen Früchte, welche zur Erreichung der vorgegebenen Masse (was für ein bürokratischer Unsinn) in Kunststoffsäcken und Treibhäusern gehalten werden. Allerdings haben während des Vulkanausbruchs die exponierten Stauden mehr gelitten, und es wird noch viel Zeit vergehen bis zu deren gänzlicher Erholung.  

Stippvisite im Hafen von Tazacorte. Auf den moosigen Steinen vorne sonnen sich Krebse.

Wir wollen zum hellen Streifen links im Bild. Dieser markiert nämlich eine ganze Reihe von Sonnenschirmen vor Strandrestaurants..

La Palma ist eine Traumdestination für Berg-Wanderer: es gibt unzählige beschilderte Pfade. Da hinten zwischen den letzten Häusern und den Sonnenschirmen führt zum Beispiel ein solcher Wanderweg in Serpentinen auf den Berg, und am Ende der Anstrengung kann man von einem Aussichtsrestaurant ganz oben herunterschauen.
Ich selber tendiere in solchen Fällen ja eher dazu, mit dem Auto dort hochzufahren, den erschöpften Wanderern aufmunternd zuzunicken und dann mit ihnen zusammen die Aussicht zu bewundern.

Ein hübsches Städtchen. Und unsere Tapas im Schatten schmeckten wunderbar zum palmerischen Weisswein.   
Dieser schöne Schichten-Kaffee heisst ‘Barraquito’: Er besteht aus süsser Kondensmilch, Vanille-Liqueur, Kaffee und aufgeschäumter Milch und ist süsser als ein Meringue-Dessert, so dass man danach gerne noch einen Espresso trinkt.. 😊


Santo Domingo / Garafía

Dort unten liegt das Dorf Santo Domingo – weit abgelegen im Norden von La Palma.

Das war es ungefähr mit Santo Domingo: eine Kirche, ein Dorfplatz mit der ‘Cafeteria Plaza’ und ein kleiner Supermarkt. Die Gegend ist wirklich sehr hübsch, aber das Dorf liegt eine gute Stunde von der nächsten Stadt entfernt.

Man sagt, dass La Palma die grünste der Kanareninseln ist. Das glaube ich gerne.  

Weiss verputzte Häuschen mit sichtbaren Natursteinen und Holz-Elementen sind hier häufig zu sehen. Dieser frische, verspielte Stil gefällt mir.    

El Kiosco del Diablo in Tijarafe

Kiosco werden diese oft runden Freiluft-Restaurants genannt. Dieser hier bietet richtig gutes Essen an – alles frisch zubereitet in diesem kleinen Hüttchen.  


Wir waren zu sechst mit Freunden von Simone und Stefan, und ich habe mich verleiten lassen, alles zu wollen – und nur die Hälfte davon essen zu können. Das ist schade, denn dieses Fischsteak vom Grill war perfekt ! Der Rest allerdings auch (Röstzwiebeln passen übrigens wunderbar zu Pommes). Ein sehr vergnüglicher Abend !

Hier gab es bis vor zwei Jahren alljährlich ein grosses Teufelsfest mit Musik und Tanz, bei welchem der überlebensgrosse Teufel (im Verhältnis zum Mann im Kostüm darunter 😊) Feuerwerk spie und am Ende doch vom Guten besiegt wurde. Die Unvermeidlichkeit dieses Ausgangs erscheint mit etwas unfair – und vielleicht auch etwas eintönig…

In der Markthalle im Dorf kann man sich am Wochenende mit frischem Gemüse und Früchten eindecken. Oder mit Bananen- oder Linzertorte ! An diesem Stand gab’s herrlichen, frisch gepressten Zuckerrohrsaft mit Orangen- oder Zitronensaft gemischt. Die ‘Hölzer’ wurden zweimal durch die Maschine gedrückt und bestanden danach nur noch aus trockenen Fasern.

Dieses Foto haben die beiden Berliner Filmemacher Claudia und Michael von der kleinen Insel El Hierro aus gemacht (ich hoffe einfach mal, dass ich es hier benutzen darf..). La Palma ist der bläuliche Berg im Hintergrund. Der Calima-Effekt kann auch richtig schöne Bilder zaubern.

In den nächsten Tagen werde ich mich in den Norden der Insel aufmachen, danach ganz in den Süden fahren und sehen, wie weit ich komme, ehe die Strassen unpassierbar werden aus Lava-Gründen.. Zumindest ist das der Plan. Mal sehen…

Und zum Schluss noch dies: Das ist eine Graja, eine nur hier vorkommende Unterart der Alpenkrähe –
und das Symbol für La Palma.

Ganz herzlichen Dank, Simone und Stefan, für eure Gastfreundschaft !
Es war schön bei euch in Puntagorda !

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