



Während meinem ersten Reisewinter 2017 führte mich mein Weg beinahe gänzlich entlang der Treibhäuser-Küste, und ich wollte Andalusien fortan meiden, obwohl ich auch dannzumal schon einige schöne Flecken zu sehen bekam. Nun hat es mich ein zweites Mal hierher verschlagen, und etwas entfernt von der Küste erlebe ich die Region ganz neu. Ich habe auf der Fahrt hierher geschwelgt in Bildern von Grün, Weite, Hügeln und Meer, von Olivenwäldern und Pinien-Alleen. Einfach wunderschön !

Die früheren, britischen Besitzer hatten ein paar Jahre in Texas gelebt und nannten den Platz deshalb so. Passend zum Namen gaben sie ihm einen Wildwest-Anstrich, den ich süss finde. Es gibt Platz für ca. 24 Wagen, die sich jeweils eine Parzelle teilen: zwei rechts, zwei links, bei hohem Andrang auch mal noch einer dazwischen.

Und natürlich passt der Name ebenso zu den Filmszenen, die in der Gegend um Almería gedreht wurden. Zuerst vor allem Western.
Die Umgebung hier ist wie geschaffen für dieses Genre. Die meisten Filmszenen von hier entstanden in den Sechziger-Jahren, als Italo-Western gross in Mode waren. Wer erinnert sich nicht an Sergio Leones Kultstreifen ‘Spiel mir das Lied vom Tod’ von 1968 mit der grandiosen Musik von Ennio Morricone !

Vier Jahre zuvor hatte der noch wenig bekannte Leone nur ein kleines Budget und konnte sich keine grossen Schauspieler-Namen wie Henry Fonda oder James Coburn leisten im Streifen ‘Für eine Handvoll Dollar’. Und damit begann der rasante Aufstieg des vorher völlig unbekannten Clint Eastwood. Mir gefällt Eastwood mit seiner Zigarillo im Mundwinkel und dem speckigen Hut, aber Leone hielt nicht allzu viel von seinem Schauspieltalent. «Er hat zwei Gesichtsausdrücke: einen mit und einen ohne Hut.» (😊 kicher…).

Filme, die ebenfalls teilweise hier gedreht wurden, sind: The Good, the Bad and the Ugly, Lawrence of Arabia, Patton oder Indiana Jones.
Die offizielle Liste ist deutlich länger, aber diese Filme habe ich zumindest alle gesehen..

Echte Filmfans können sich hier Original-Drehorte ansehen. Wer sich nicht mehr so gut erinnert, geht zuerst in die Film-Vorführungen.
Mir reicht es schon zu wissen, dass ich (beinahe) dort war, wo Charles Bronson und Henry Fonda einander gegenüber standen beim Showdown.

Eine kleine Menschengeschichte
Vor drei Wochen haben die neuen Besitzer Nick und Leanne den Platz ‘Little Texas’ übernommen. Sie haben ein kleines Baby, weshalb Leanne momentan vor allem das Brotbacken auf Bestellung am frühen Morgen übernimmt. Nick hingegen arbeitet seit drei Wochen täglich von 7 bis 22 Uhr und öfter auch länger, wenn ihn späte Ankömmlinge aus dem Bett läuten. Er freut sich schon sehr darauf, dass Leannes Eltern bald aus England dazustossen wollen und ihm dann die Arbeit tageweise abnehmen, damit auch er zur Abwechslung frei nehmen kann..
Dieser Nick ist wahrscheinlich der mutigste (oder leichtsinnigste ?) Mensch, der mir seit langem begegnet ist. Nicht nur hat er keine Ahnung vom Campen oder vom Verwalten eines solchen Platzes, er war doch tatsächlich vor diesem Neustart Nuklear-Ingenieur ! Das dürfte so ziemlich am anderen Ende der idealen Talent-Skala für einen Campingplatzbetreiber liegen. Oder vielleicht doch nicht ?
Nick hatte innerhalb von kurzer Zeit seine krebserkrankte Frau, seinen einzigen Bruder und seine Eltern verloren. Nach der Zeit der Trauer kam der Tag, an dem er beschloss, in Zukunft etwas gaaanz anderes zu tun und – genau – zum Beispiel einen Campingplatz in Spanien zu bauen. Als er diese Idee doch tatsächlich ernsthaft zu planen begann, lernte er Leanne kennen, und sie meinte, sie würde da schon mitmachen. Und just dann wurde doch tatsächlich der bereits beliebte Platz ‘Little Texas’ zum Verkauf angeboten, und das war noch viel besser als selber einen zu bauen und ein paar Jahre ohne Einkommen auszukommen.
Und um es abzurunden: ich glaube, das kommt gut ! Nick ist ein überaus freundlicher Gastgeber, und es gefällt ihm, überall Hand anzulegen. Der fest angestellte Valerio, der den Platz vor fünf Jahren nach den Plänen der Vorbesitzer praktisch im Alleingang aufgebaut hat, ist bei Nick geblieben und erledigt weiterhin das Handwerkliche auf dem Platz. – – – – Ich wüsste gar zu gerne, wie es hier in einem Jahr aussieht.




Der Circuito de Almeria ist bei Motorrad-Rennfahrern gut bekannt

Da man das Aufheulen der Maschinen ziemlich gut hört auf dem Campingplatz Little Texas (einziger Negativpunkt dort), beschloss ich, mir diese Rennstrecke anzusehen. Aber natürlich nicht via die Hauptstrasse, sondern hinten herum mit dem Velo. Viel hübscher.
Die Feldstrasse endete allerdings bald an einem ‘Schweine-Hof’ zwischen Olivenbäumen. Die riesigen Jauche-Silos dort stanken dermassen, dass mir beinahe schwindlig wurde. Nie würde man vermuten, dass der hauchdünne, fein-rauchig duftende Jamón Ibérico einmal so begonnen haben könnte.
Nach weiteren 100 Metern durch hohe Traktorradspuren in der harten Erde der Olivenbaumplantage gab ich auf und entschied mich nun doch für die Hauptstrassen-Route. Also zurück zu den Jauche-Silos…

Inzwischen machten die Rennfahrer Mittagspause, und ich konnte mich nicht mehr am Motorenlärm orientieren. Ich bog rechts ab und fuhr ein paar Kilometer der Hauptstrasse entlang, besuchte dann eine Tankstelle mit Laden, weil mir die fein geschnittenen Käsescheiben ‘semi curado’ so gut schmecken und fragte bei der Gelegenheit, wie weit es noch sei bis zum Circuito: Oh, etwa 6 Kilometer in diese Richtung !
Shit ! Da kam ich her ! Prompt ! Verflixt und zugenäht ! Wenn ich mich wenigstens darauf verlassen könnte, dass mein Bauchgefühl sich immer irrt, könnte ich einfach in die Gegenrichtung halten. Aber nein, manchmal hat es ja sogar recht ! Vielleicht sollte ich eine Strichliste führen und den Prozentsatz ausrechnen ?

Nun ja. Zum Glück hatte ich schon etwas erlebt, denn der Rest war nicht mehr so spannend – jedenfalls nicht für Amateure wie mich – Kenner sähen das wahrscheinlich anders.
Nicht-Kunden dürfen nicht auf den Platz fahren laut gross angebrachter Tafel. Ich fuhr also auf den Platz und war prompt beeindruckt von der Grösse der Anlage, die an einen kleinen Flugplatz erinnert.
Dann stand ich unschlüssig in der Bar ‘Fast Lap’ herum und hatte weder Lust auf Kaffee noch auf Wein. Stattdessen sah ich eine Weile den Fahrern zu, die an mir vorbei rasten und in den Kurven (beinahe ?) den Boden berührten mit ihren Knien. Verrückte Kerle. Ok, das wars.

