
Siga, siga… Das hört man hier oft (Betonung auf dem ‘a’, also sigaa). Immer schön langsam..
Wir lernen gerade den Unterschied zwischen nordischen und griechischen Zeiteinheiten. Eigentlich… sind wir ja am Dienstag nach Nafplio aufgebrochen. Eigentlich hätten Johnson und Helen dort längst ihr Auto abgeholt. Eigentlich war ich grosszügigerweise bereit, sogar bis Donnerstag auszuharren. Und vielleicht – aber nur vielleicht – ist es nächsten Dienstag tatsächlich soweit.. Ja, ich bin immer noch in Leonidio 😊.
Johnson war auf dem Weg zu seinem abgemachten Termin beim Notar, um sich registrieren zu lassen, als dieser mit dem Motorrad an ihm vorbeifuhr und lachend über die Schulter rief: «Bin gleich wieder da!». Das war er auch prompt – anderthalb Stunden später. Siga, siga..
Der Campingplatzbetreiber hat mir empfohlen, die Platzmiete erst zu bezahlen, wenn wir wirklich abreisen, und zu Johnson meinte er: «Welcome to Greece – get used to it !» 😊

Es ist schön, dass ich problemlos eine Woche – oder so – länger warten kann, und im Dorf werde ich auch schon wie eine alte Bekannte gegrüsst. Bald habe ich alle Tavernen einmal durch.

Zwischenbemerkung: den Katzen hier geht es richtig gut. Sie kommen nur für etwas Gesellschaft, nicht zum Betteln. Die Betreiber des Platzes füttern sie nicht nur, sie lassen auch alle Neuzuzüger gleich unterbinden und impfen. Das ist hierzulande nicht selbstverständlich – und deshalb schön.

(M)Ein Lied an die griechische Singzikade
Juni ist der Monat der Zikaden. Schon der Grieche Anakreon hat eine ‘Hymne an die gottgleiche Singzikade’ verfasst. Um dieses unscheinbare, grillenähnliche Insekt ranken sich zahlreiche Legenden und Mythen. Bei vielen Völkern wurde sie als Sinnbild für die menschliche Seele verehrt und als Symbol für Unsterblichkeit, Wiedergeburt und ein langes Leben.
Da verwundert es nicht, dass sie auch in der Kunst eine grosse Rolle spielt und als schmückende Edelsteinbroschen oder auf Münzen verewigt wurde.

Anders als Grillen erzeugen Zikaden ihre ‘Musik’ nicht durch das Aneinanderreiben der Beine, sondern durch zwei Trommelorgane am Bauch, deren Schallmembrane durch Muskelkontraktionen zum Klingen gebracht werden.
Und jetzt kommt’s !
Der gottgleiche Gesang der Zikaden ist schlicht grauenhaft !
Das schrille, völlig unmusikalische Gerassel geht einem durch Mark und Bein und ist nervenaufreibend !
Das helle Zirpen der Grillen im reifen Kornfeld habe ich immer als ‘Loblied auf den Sommer’ empfunden, aber das hier ist die reine Folter. Und es ist ein einziges Insekt pro Baum, das so einen Lärm macht. Das Biest betreibt ihn gut und gerne eine halbe Stunde lang, ehe es sich kurz ausruht, um dann wieder loszulegen.

Gibt es diese Holzrasseln noch, die wir so gerne um den Stab sausen liessen zur Fasnachtszeit ? Wenn man sich pro Zikade zwanzig solcher Rasseln in einem kleinen Kreis und in voller Aktion vorstellt – und sich selber mittendrin – dann passt das ungefähr.
Ich weiss das: ich habe mich unter diesen Baum in den Schatten gekuschelt, und das rasselnde Mistvieh wohnt genau über meiner offenen Dachluke und markiert unerschütterlich sein Revier.
Da nur die Männchen ‘singen’ (ha !), hat der alte Xenarchos dazu bemerkt: «Glücklich leben die Zikaden, denn sie haben stumme Weiber». Ist ja gut.
Da ich dank meinem Mitbewohner bereits lange vor 6 Uhr wach war (siehe Sonnenaufgang oben und ganz oben), habe ich einiges gelesen über diese Tiere – und danach beschlossen, das Männchen auf dem Baum fortan nicht mehr durch ungehaltenes Auf- und Zuscheppern der Dachluke zu unterbrechen in seinem Gesang:
Das arme Ding lebte vier Jahre lang als Raupe tief in der Erde und hat sich von mageren Wurzeln ernährt, ehe es sich verpuppte und sich endlich für sein kurzes geflügeltes Erwachsenen-Gastspiel ans Tageslicht kämpfen durfte. Gönnen wir ihm also die kurze Zeit der Sinnenfreuden im Sonnenlicht. 
Nachtrag: Ich bin eben mit dem Velo durch einen Olivenhain gefahren. Auf jedem Baum sitzt eine Zikade, und aus der nötigen Distanz ist der Klangteppich aus Sirren und hellem Ziiiiizzzzzz und Holzrassel-Klappern überhaupt nicht unangenehm und beinahe so etwas wie ‘Ein Loblied an den Sommer’… 😊 Sowas !
Wahrscheinlich eignen sich Zikaden einfach nicht als Haustiere..
Gestern ist ein Grieche mit seiner Frau in ein Zelt eingezogen am anderen Ende des Platzes. Ich weiss nicht, wie sie angereist sind, denn ein Auto ist nirgends zu sehen – bloss die Koffern stehen immer stramm ausgerichtet vor dem Zelt.
Heute Morgen kam der Mann mit einem freundlichen ‘Kalimera’ bei mir vorbei, und dann fragte er mich, ob ich Ärztin sei. Ich habe bescheiden verneint und war milde geschmeichelt, bis mir einfiel, dass unser weisses Kreuz auf der Schweizer Fahne grenzübergreifend von allen Farbenblinden als ‘Rotes Kreuz’ verwendet wird, und dass wir also alle mit so einem ‘Erste Hilfe-Symbol’ auf der Autonummer unterwegs sind.. 😊
Erkenne den Unterschied…
Wenn unser Henri damals ein ‚Hellgrünes Kreuz‘ oder ein ‚Schweizerisches Knallgelbes Kreuz‘ gegründet hätte, wäre alles viel einfacher gewesen. Aber nein….
