Berührung mit Albanien: Shkoder, Berat, Gjirokastra

109_1_BeratBerat, Stadt der tausend Fenster mit Burg…

Doch der Reihe nach ab Lake Shkodra: Leute, Ideen und viel Gegend..

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Am Shkodra See: Diese zwei fröhlichen Berner sind vor 4 Wochen und beinahe 2000 Kilometern in der Schweiz auf ihren Velos losgefahren.

Sie haben sich auf dem Platz ein paar Tage lang erholt und sind bereit für ihre nächste Etappe auf dem Weg nach Athen. Von dort fahren sie mit dem Zug zurück in die Schweiz – und an die Arbeit, welche ihnen die nächste lange Reise finanzieren soll…
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Ganz hinten auf dem Steg wird eben ein Hochzeitspaar vor romantischem Hintergrund fotografiert – und die schwarze Pünktchen-Wolke am Abendhimmel sind Mücken. Sie haben sich strategisch oberhalb des Stegs positioniert, denn ‘durch diesen Holzsteg müssen sie kommen; es führt kein andrer Weg ans feste Land’…

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Es gibt viele Tankstellen-Ketten in Albanien. Zwar ist keine davon (z.B.) ‘nur für Frauen’, jedoch eine ganze von (oder für..) Kastrati. 😊

Was wieder einmal beweist, dass Markennamen gut geprüft werden sollten in allen möglichen Sprachen, ehe man sie wählt…

Auf der Liste der peinlichen Markennamen ist zum Beispiel auch der Mitsubishi Pajero zu finden. Pajero heisst ‘Wichser’ auf Spanisch (wusste ich auch nicht), und der Mazda MR2 wird in Französisch (MRdeux) praktisch als ‘Merde’ ausgesprochen. Der Silver Shadow von Rolls Royce sollte ursprünglich ‘Silver Mist’ heissen, aber die HABEN geprüft, ob das anderswo allenfalls zu spöttischem Gekicher Anlass geben würde.. Silberschatten klingt ja auch mindestens so edel wie Silbernebel..

Ich weiss immer noch nicht, was das Kastrati-Logo darstellt: vielleicht ein Marsmännchen mit Zahnlücken und Gamsbart-Hut ? Einen Geissbockschädel auf einem Helm ? Oder halt doch bloss eine Küchenmaschine von unten gesehen mit den Schwingbesen zwischen den Einklick-Löchern ?

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Berat: Wäsche- und Stromleinen..

Hier gibt’s nun ein paar zusammenhanglose Fakten über Albanien:

• Es leben mehr Albaner im Ausland als im eigenen Land. Die ‘Gastgeber’ sind nebst ein paar weiteren Ländern Italien, Griechenland, Kroatien, Skandinavien, Deutschland und die Schweiz. Im Land selber leben 2.8 Millionen Einwohner.
• Am Ende des Kommunismus 1990 gab es lediglich 3000 Autos im ganzen Land, da privater Autobesitz zuvor verboten war.
Das erklärt wahrscheinlich die noch junge, aber grenzenlose Begeisterung für Autos bei den Albanern.
• 70% der Landesfläche werden von Hügeln und Bergen eingenommen. ‘Korab’ ist der höchste davon mit 2764 Metern.
• Mutter Teresa ist die erste und bisher einzige Albanerin, die einen Nobelpreis gewonnen hat

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Berat: mit Graffiti wird vom schlechten Zustand von Gebäuden abgelenkt.

Die 200 km-Fahrt von Shkodra nach Berat war etwas enttäuschend, hatte ich mir doch eine liebliche landwirtschaftliche Gegend vorgestellt in diesem recht armen Land, wo Landwirtschaft noch eine Rolle spielt.

Auffallende Gegensätze:

Viele Gebäude sind in einem desolaten Zustand; man hat den Eindruck, dass sie lediglich von etwas Farbe und Spucke zusammengehalten werden. Die Strassen sind von Bauruinen gesäumt, deren nackte Betontreppen nirgendwohin führen.
Wenn aber ein Hotel in einem Städtchen ‘Olympus Palace’ oder ähnlich heisst, sieht dieses aus wie eine Pavlova: schneeweise Meringues mit viel Schlagrahm – und als Krönung Gold auf kitschigen Türmchenspitzen.
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Auf der Strasse verkehren Eselfuhrwerke mit hoch beladenen Holzwagen; alte Leute mit Gehstock trifft man oft mit Einkaufstasche auf einsamen Strassen ausserhalb – und in den Dörfern wird ‘Auto-Cruising’ betrieben: junge Kerle in polierten BMWs röhren mit quietschenden Reifen immer wieder über den Platz im Dorfzentrum und hupen dabei, was das Zeug hält. Gehupt wird hier zur Begrüssung, zum Warnen und als ‘Seht-mal-her-was-ich-für-ein-Hecht-bin’ – oder einfach, weil man nun schon mal eine Hupe hat.

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Aber die dunklen Dörfer gefallen mir. Es gibt keine Supermärkte, dafür ganz viele kleine Tante Emma-Läden und ‘Fachgeschäfte’ (manchmal besteht die Auslage aus gerade mal ein paar Kabelrollen und Steckerleisten oder aus einem Stapel Plastikdosen mit Deckeln), und vor beinahe jedem noch so winzigen Laden stehen ein paar Stühle und ein Tisch, wo man sich trifft.

Wie in Italien sitzen hier die Männer vor den Kaffeebars und trinken türkischen Kaffee oder spielen Domino.

Und ! Es gibt alle paar hundert Meter eine Tankstelle (oder die Ruine einer ehemaligen Tankstelle), dazwischen Autoreparaturwerkstätten, riesige Regale voller glänzender Felgen oder Auto-Ersatzteile. Überhaupt ist ganz vieles auf das Auto ausgerichtet. Die Strassen sind allerdings oft so schlecht, dass man beim Fahren keine Zeit hat, sich etwas richtig anzuschauen, und anzuhalten traut man sich nicht, weil am Strassenrand Abfall und Scherben lauern..
30. Oktober. Heute hat mich in Berat doch noch der Regen eingeholt. Nach einem ganzen Monat Sonnenschein pur (mit Ausnahme der nassen Fahrt von Innsbruck nach Bled am ersten des Monats) hat mir heute ein Gewitter in Berat den ersten heftigen Regen beschert. Noch lange flackerte das Wetterleuchten am Nachthimmel, und der Donner entfernte sich grollend durch das Tal.
Nachthimmel ist übrigens relativ – es kann auch Abendhimmel gemeint sein damit. Oder Nachmittagshimmel.. Hier geht die Sonne doch tatsächlich um 16.38h unter, und um 17 Uhr ist es stockdunkel ! Das hätte ich ganz anders geregelt, aber mich fragt ja wieder keiner.

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Selbstgemachte Baclava von der freundlichen Platz-Besitzerin des ‘Berat Caravan Camping’

Dummerweise hatte ich kurz zuvor einen grossen Keks aus der Bäckerei gegessen, und mir war noch etwas ‘anders’ nach dem Zuckerschub, denn auch der Keks hatte vor allem aus Zucker bestanden – mit etwas Honig drin, um den Zucker in Form zu bringen.

Die Gebäcke hier schmecken gut; wir sind uns bloss nicht daran gewöhnt, dass richtig süsses Süssgebäck nach dem Backen noch in Zucker und Honig ertränkt wird… (und etwas Olivenöl, weil das so gesund ist).

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Das ist ein GUTER Streckenabschnitt der Nationalstrasse, sonst hätte ich kein Foto machen können während der Fahrt…
Hier fährt man routinemässig Slalom oder (falls es einen gibt) genau über dem Mittelstreifen – bis man einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen muss, das ebenfalls auf dem Mittelstreifen fährt..

Von Berat nach Gjirokastra: Hier kam ich dann doch noch zu schönen Ausblicken auf Albaniens Olivenhaine und Hügelzüge

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Die Fahrt war allerdings 229 Kilometer lang statt der ursprünglich angesagten 139 km, weil eine Strasse auf dem Berg sich verabschiedet hatte und als klebriger Morast vom Hang hing – also musste ich umdrehen.

Dann wollte ich zur Küste nach Vlora, aber die SH8 hier war so schlecht, dass ich mit gerade mal 15 kmh vorwärts kam, wenn ich nicht in den zahllosen Löchern auf der Strasse steckenbleiben wollte. Schliesslich gab ich es auf und wechselte auf die Autobahn (wofür ich wiederum 20 Kilometer in Gegenrichtung unterwegs war..). Und siehe da: Die Autobahn ist seidenglatt und brandneu. Und ich hatte die Gelegenheit, auch einmal in die Ferne zu schauen..

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Immer wieder sieht man Hirten mit ihren Tieren. Sie betreuen jeweils ein paar Schafe, Ziegen – oder ganze Schwärme von Truthähnen !

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Gjirokastra

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Die Burg von Gjirokastra trohnt über der steilen Altstadt

Es gäbe seitenweise Geschichte zu dieser Festung zu berichten; wir belassen es bei der Feststellung, dass ihr Bau schon vor dem 12. Jahrhundert begann, und dass der albanisch-osmanische Herrscher Ali Pasha um 1812 von hier aus Teile von Albanien und Griechenland beherrschte – unabhängig und selbstherrlich, obwohl er eigentlich seinem Sultan Rechenschaft schuldig gewesen wäre.

Ali Pasha war schon in jungen Jahren ein Bandit, und in seinen Geschäften blieb er ein Opportunist und Wendehals, der seine Gegner rasch und gnadenlos ausschaltete und mit allen Religionen und Regierungen zurechtkam, sofern sie ihm gerade etwas nützen konnten
1822 holte ihn das Schicksal ein, und sein Kopf wurde dem Sultan auf dem Tablett serviert. Eigentlich hat er nur getan, was auch heutzutage noch ähnlich gehandhabt wird in der Politik, mit dem Unterschied, dass die Tablett-Szene wegfällt. Irgendwie schade, nicht ?

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109_20_AltstadtGjirokastra
Blick von der Burg Kalaja auf Gjirokastras Altstadt im Vordergrund, auch ‘Steinerne Stadt’ genannt

Die Dächer sind mit flachen Steinen statt mit Ziegeln belegt. Wie bei Apuliens Trulli-Häusern wurden hier Steine anstelle von Ziegeln verbaut, da sie nicht nur gratis waren, sondern sich auch gut eignen zur Klimakontrolle in den Häusern.

Ich sage jetzt nicht, in welches ‘Erbe’ diese Altstadt 2005 aufgenommen wurde, aber seither geht es bergauf mit dem Tourismus, und die Häuser werden originalgetreu renoviert statt abgerissen. Das ist doch immerhin einmal etwas Positives zu diesem Thema… 😊

109_21_MoscheendachDie Moschee in der Altstadt wird gerade mit einem neuen Steindach versehen

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Eine Strasse weiter unten sieht man gut, dass es noch eine Weile dauern wird, bis das hier ein rein touristisch verpützelter Ort sein wird

109_23_KalajaUhrturm

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109_25_Kalaja_USLockheed

Eine nette Geschichte gibt es zu diesem Aufklärungsflugzeug der US Air Force, einer Lockheed T-33 Shooting Star.

Tatsache ist, dass das Flugzeug im Dezember 1957 auf dem Flugplatz von Rina bei Tirana landete. Der Pilot reiste danach zurück in die USA, aber das Flugzeug blieb in Albanien und steht seit den 70er-Jahren auf dem Burghof.

Die USA schrieben in ihren Zeitungen vom Januar 1958, dass der Pilot von Châteauroux/Frankreich nach Neapel/Italien unterwegs gewesen sei und sich im dichten Nebel verflogen habe. Als der Sprit zu Ende ging, machte er eine Notlandung in Albanien.

Das kommunistische Regime erzählte zur selben Zeit im Radio Tirana, dass Piloten der Albanischen Volksarmee ein Spionageflugzeug der USA im albanischen Luftraum abgefangen und zur Landung in Rina gezwungen hätten.

Man weiss beinahe nicht, wem man denn nun glauben soll, oder ? Ich würde als erstes wissen wollen, ob es tatsächlich Nebel gab in der besagten Nacht… 😊

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Verkäuferinnen gibt es viele am Strassenrand. Sie verkaufen Gemüse, Handarbeiten, Kräuter oder auch Hühner- und Trutenfleisch (manchmal hat es auch so gut wie keine Fliegen auf dem Fleisch..)

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Gestern Nacht war ich auf dem Platz hier ganz allein zugange

Vorteil vom Alleinsein: ich habe mir Queen Songs in voller Lautstärke angehört, und wenn es danach nicht schon Mitternacht gewesen wäre, hätte ich mir auch noch einen lauten Film angesehen..

Zur Nachtstimmung passte auch der Song des albanischen Sängers Alban Skenderaj, Burkuri e Frikshme, welchen ich tagsüber im Radio auf dem Platz gehört hatte. Schön melancholisch und schön altmodisch…: https://www.youtube.com/watch?v=lBb-K5-5K2I

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Heute Morgen hat mich die Platz-Chefin auf einem türkischen Kaffee eingeladen, etwas, das ich nie mehr getrunken hatte nach einem Versuch vor Jahrzehnten und einem Mund voller sandigem Kaffeesatz.
Und siehe da: der Kaffee schmeckte wunderbar ! Und er war überhaupt nicht sandig, sondern irgendwie nicht ganz so flüssig wie unser Kaffee. Schwer zu erklären..

Dieser Platz wurde im Mai eröffnet und nennt sich Camping Family, weil er einer jungen Familie mit drei Kindern gehört.
Eine Waschmaschine gibt es vielleicht nächstes Jahr, und sobald das Geld reicht, werden die Plätze mit Strohdächern auf Pergolen überdeckt, da es im Sommer sehr heiss wird hier.
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Meine Nicht-Planung sieht vor, dass ich morgen Griechenland erreichen sollte… 

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