Das Wetter ist schuld, dass ich so häufig berichte in den letzten Tagen: es ist kalt und regnerisch in Stockholm, und was tut man da ? Eben !
Dabei war es hier tagelang so warm, dass ich mir schon ziemlich leid tat in meiner Blechbüchse. Aber ich habe ja Zeit, und das wird schon wieder. Und deshalb gibt’s jetzt noch die Vasa…
Am Tag meines Vasa-Besuches herrschten noch sonnige 25 Grad in Stockholm.
Ich beschloss, von der Metrostation Slussen aus den ‘kleinen Spaziergang’ um die Bucht herum auf die Insel Djurgården zu machen, wo das Museum liegt. 5 Kilometer später kam ich heiss und durstig dort an und schleifte meine Jacke praktisch im Strassenstaub hinter mir her.. Im Museum selber war ich dann aber froh darum, denn eine Klimaanlage schafft hier schonende Bedingungen für das alte Eichenholz der Vasa.

«Wir haben hier einen grossen Glücksfall ! Wenn die Vasa nicht gesunken wäre, wären wir alle heute nicht hier, wüssten wenig über das Leben auf einem solchen Schiff zu jener Epoche, und ich hätte keinen Job».
So begann die junge Museums-Dame ihre kurzweilige Führung. So kann man das natürlich auch sehen.

So hat die Vasa ausgesehen, als sie auf ihre Jungfernfahrt startete
Die Vasa ist – wie Pompeji – eine Art historischer ‘Pfirsich’, der 333 Jahre lang unberührt im Einmachglas gelegen hatte. Als sie 1961 gehoben wurde, war auf dem Schiff die Zeit bei 1628 stehen geblieben.
Sie sollte das ultimative Kriegsschiff ihrer Zeit werden: schnell, wendig, schlagkräftig, einschüchternd. Sie war deshalb nur 12 Meter breit bei einer Länge von 69 Metern und einer Höhe von 52 Metern – und sie war mit 64 Kanonen bestückt. Wir erinnern uns: das war die Zeit, als Schweden eine Seegrossmacht werden wollte.
Der ‘Löwe des Nordens’, wie König Gustav II. Adolf sich auch nannte, liess 700 geschnitzte Skulpturen anfertigen, die seinen Ruf in die Welt tragen – und seinen Gegnern Furcht und Schrecken einjagen – sollten.

Das Hauptproblem der Vasa war, dass 90% des Schiffes über der Wasserlinie zu liegen kamen und der schmale Rumpf nichts zur Stabilität beitrug; das Schiff wirkt auch jetzt auf dem Trockenen wie ein hochkant gestelltes Holzbrett. Das konnte nicht gut gehen.

Heckansicht der Vasa
Der Bau des Schiffes war schon gut vorangekommen, als der König zwei Kanonendecks wünschte statt des geplanten einen Decks; ein fataler Fehler, wie sich herausstellen sollte.
Zu jener Zeit hing die Stabilität eines Schiffes ausschliesslich von der Erfahrung des Schiffbauers ab. Stabilitäts-Tests wurden in der Praxis – und nach dem Bau – durchgeführt: die Schiffsmannschaft hatte an Deck anzutreten und alle rannten auf Kommando nach backbord, dann nach steuerbord. Je schneller sich das Schiff jeweils wieder aufrichtete, desto besser. Diese Gewichtsverlagerungen wurden immer mindestens 30 Mal ausgeführt; bei der Vasa aber bereits nach dem dritten Mal abgebrochen. Die Mannschaft befürchtete, dass das Schiff sonst noch in der Werft absaufen würde.
Dem König sagte lieber niemand etwas – vielleicht würde ja wider Erwarten alles gut gehen. Ausserdem hatten 400 Leute drei Jahre lang an dem Schiff gearbeitet; was soll man denn da sagen ?
Etwa: «Ich befürchte, das war nix – vielleicht klappt’s ja nächstes Mal..»? Man schwieg.

Der ‘Löwe des Nordens’ – die Galeonsfigur
Am denkwürdigen Tag der Jungfernfahrt – es war ein sonniger Sonntag im August – stand halb Stockholm vor dem Schloss, wo das stolze Schiff bereitstand mit gehissten Segeln.
Die Kanonen feuerten Salutschüsse, das Schiff nahm Kurs aufs Meer – und dann kam eine leichte Brise auf, das Schiff bekam augenblicklich Schlagseite – und richtete sich nicht wieder auf.
Nach einem Kilometer oder zwanzig Minuten Fahrt war Vasas erste und letzte Reise vorbei; das Schiff lief voll und sank so rasch, dass 30 Leute an Bord nicht schnell genug an Deck gelangten und im Schiffsrumpf ertranken.

Alle 15 gefundenen Skelette sind in Glassärgen ausgestellt und wurden, ebenso wie Kleider- und Schuhreste, untersucht mit oft verblüffenden Erkenntnissen. Nun werden anhand der Skelette lebensnahe Nachbildungen der Seeleute hergestellt. Der Blick auf ein so lebendig wirkendes Gesicht ohne Körper ist schon seltsam. Die Namen der Opfer sind nicht wirklich bekannt; die Skelette wurden benannt, um sie voneinander zu unterscheiden.

Das ist Gustav. Er war 1.60 m gross, 40-45 Jahre alt und der kleinste der gefundenen Matrosen; er hat sich kurz vor der Jungfernfahrt einen Zahn ziehen lassen und hatte einen Kreuzbiss. Seine Wirbelsäule zeigt Veränderungen durch harte Arbeit oder Infektionen.
Die Vasa lag zwar in nur 30 Metern Tiefe, aber mit den technischen Möglichkeiten der Zeit gelang es nicht, sie zu heben. Immerhin konnten 62 der 64 Kanonen geborgen werden.
Aber das Schiff hatte Glück im Unglück (wenn auch bloss aus der Warte der Nachwelt gesehen..): da der Salzgehalt des Wassers sehr niedrig ist an dieser Stelle, gab es da keine Schiffsbohrwürmer, die auch als ‘Termiten der Meere’ bekannt sind. Es sind dies wurmähnliche Muscheln mit einem kleinen harten Schalenteil, den sie zum Bohren benutzen. Diese Tiere sind imstande, ein ganzes Schiff aus Holz innerhalb von zehn Jahren von innen her so zu durchlöchern, dass es danach einfach zerfällt.
Schon Kolumbus kannte das Problem – er hat auf seinen vier Reisen neun Schiffe an die Schiffsbohrwürmer verloren – in Holland brachen wegen ihnen überraschend wuchtige Deichtore bei Sturmfluten, und in San Franciscos Kaianlagen richteten sie noch in den 1920er Jahren Millionenschäden an.

Der Vasa blieb dieses Schicksal erspart – sie wurde im sauerstoffarmen, schwefelhaltigen Schlamm vor der Küste so gut konserviert, dass 98% des Ausstellungsstücks Originalteile sind.
1961 wurde das Schiff gehoben – und danach 17 Jahre lang mit PEG (Polyethylen-Glykol) begossen, um das Wasser im Holz zu verdrängen und ein Reissen des trocknenden Holzes zu verhindern. Danach wurde das Schiff 9 Jahre lang getrocknet, die gefundenen Einzelteile zusammen-gepuzzelt – und seit 1990 steht es in der eigens dafür gebauten Ausstellungshalle – und ist das meistbesuchte Museum Schwedens geworden.
Ich habe bestimmt drei Stunden im Museum verbracht, so interessant ist das Ganze präsentiert. Sehr empfehlenswert !
PS Es hat eben aufgehört zu regnen. Hurra !

Liebe Rösli, danke für die überaus interessante Beschreibung der Vasa…ich hoffe dass es wieder schönes Wetter gibt und du noch viele interessante Begegnungen und Erlebnisse hast! Ich plage mich mit Hexenschuss seit Donnerstag, ziemlich lästig! Ganz liebe Grüsse aus Oberrüti!
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Liebe Henriette
Oh je – das mit dem Hexenschuss tut mir ja sehr leid für dich ! Sowas muss furchtbar schmerzhaft sein. Ich wünsche dir eine gute (und vor allem rasche) Besserung ! Heb dir Sorg, gäll !
Ja, ich freue mich auch auf schöneres Wetter – ich möchte ja noch eine Weile im Norden bleiben.. Aber eben: falls es noch etwas dauern sollte, wohne ich einfach ein wenig vor mich hin und gehe auswärts essen als kleiner Trost 🙂
Bis nächstes Mal mit herzlichen Grüssen aus Stockholm !
Rösli
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Liebes Rösli, einmal mehr absolut genial!
Ich habe die Geschichte der Vasa nicht gekannt.
Egoistischerweise hoffe auf schlechtes Wetter für dich und spannende Berichte für mich😘
Liebe Grüsse und trotzdem schönes Wetter
Bernadette
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Liebe Bernadette
Herzlichen Dank für die Blumen – die freuen mich natürlich sehr 😊
Das mit dem Wetter scheint auch zu klappen 😉 – es ist immer noch kalt – und es regnet auch immer wieder.. (merde..🤪).
Dir wünsche ich einen guten Sonntag Abend – heb dir Sorg ! Liebe Grüsse 🧡
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