
Es gibt in Stockholm dieses ultimativ hippe Restaurant mit den Ausmassen – und ein wenig auch dem Aussehen – eines langen Bastelraums: vielleicht 4 Meter breit, 16 Meter lang, einfache Tische, Küchenstühle und Bänke ohne Rücklehnen, an Wänden und Decke kunstlose Graffiti, wie sie spontan unter einer Brücke entstehen. Der hinterste Viertel ist die zum Restaurant offene Küche.
Mein Töchterchen Lisa hat mir hier ein Essen spendiert als Muttertagsgeschenk; was für eine tolle Idee!
Fotografieren verboten während des Essens; die Handies werden einem abgenommen und pro Tisch in einer Metallkassette eingeschlossen.
Das Restaurant selber könnte man glatt übersehen, so schmal ist es – zum Glück kann man den Hausnummern folgen. Ich war eine Viertelstunde zu früh dran und wurde dafür draussen mit einem Glas Champagner empfangen.

Service und Köche. Das Restaurant-Personal ist schon in Arbeits-Uniform und bereit..
Ich wurde unterrichtet, dass ich 20 Gänge zu erwarten hätte – und dass ich nicht trödeln solle beim Essen. Dann begleitete mich Sandra zu meinem Tischchen neben der Küche, auf dem ein Stapel Bauklötzchen und ein verschweisster Plastikbeutel mit Bouillon drin lagen (zumindest hoffte ich, dass es Bouillon sei..).
Und dann ging’s Schlag auf deliziösen Schlag.
Diese Mini-Gänge waren durchs Band exquisit, von herrlichen Sösschen begleitet und wunderschön angerichtet:
(-) ein winziges Kartöffelchen in einem selbstgebastelten, dicken Alufolienschälchen, dazu ein Töpfchen Sour Cream
(-) ein Mini-Biscuitkörbchen, gefüllt mit warmem schwedischem Weichkäse mit Birnen
(-) Ein saftiger, panierter Krabben-Lollipop mit Chiliflocken, den ich gleich so in die Hand gedrückt kriegte
(-) Fish & Chips – je eins von jedem – der Chip eine runde, perfekt knusprige Scheibe
(-) eine Auster, für deren Genuss wir in die Küche befohlen wurden, wo beim Schlürfen gewitzelt und gelacht wurde
(-) ein Löffel Kaviar, direkt auf den Handrücken geschöpft wie Schnupftabak, dazu ein Gläschen Vodka
(-) eine einzelne, am Tisch flambierte Spargelspitze, die dabei einen Ballon über dem Tisch zum Platzen brachte
(-) ein grosser Löffel, darauf seidig-warmes Hummerfleisch, den Gästen vom Kellner direkt in den Mund geschoben
(-) eine köstliche Gemüsebouillon aus dem vakumierten Plastikbeutel auf meinem Tisch, die ich in die Küche zu bringen hatte. Nach dem Erwärmen der Bouillon in der Abwaschmaschine (!) wurde sie über das Mini-Gemüse im Suppenschüsselchen gegossen.
(-) Steinbuttfilet auf Zwiebelgemüse (direkt auf die Handfläche geschöpft und mit Saucentupfern bedeckt), gefolgt von einem feuchten Tuch für die Handreinigung
(-) eine Scheibe Foie Gras neben einem Plastik-Entchen – und daneben eine mit Sauternes gefüllte Spritze
(-) ein knusprig-zartes Wachtelschenkelchen, in einem Säckchen serviert
(-) …
Ich habe längst den Überblick verloren über die Reihenfolge der Gerichte. Ich weiss aber noch, dass wir irgendwann zum rosa Lammfilet kamen, Piña Colada aus einer kleinen Ananas tranken, später eine erfrischende Früchtecreme und danach einen klassischen schwedischen Cake mit Vanillemousse serviert bekamen und ich nochmals ein Glas Grenache trank, währenddem ich meinen Tischnachbarn half, eine Klötzchen-Pyramide auf ihren Weingläsern aufzubauen.
Meine Tischnachbarn Rebekka und Jens sind Geschwister und beziehen heute ihr Weihnachtsgeschenk der Eltern.. Sie haben mir jede Menge Tipps gegeben für meine Weiterreise
Das Ganze ist ein unglaublich gut organisiertes, begeisterndes Gastro-Erlebnis !
Dieses lebt nicht zuletzt vom vermeintlichen Chaos, über das die Angestellten souverän herrschen. Und natürlich vom Gegensatz der servierten Haute Cuisine zum ‘Bastelraum’, in dem sie serviert wird.
Nicht zu vergessen die Portion kindlicher Spielereien, welche fröhliche Überraschungstupfer setzen.
Zu dieser Stimmung passt auch die laute Musik und der Rauch, der von der Rauchmaschine immer mal wieder so dick verteilt wird, dass man kaum noch seine Tischnachbarn ausmachen kann.
Das Essen war genial, und ich habe mich blendend amüsiert. ‚Go with the flow‘ muss die Devise an einem solchen Ort wohl lauten. Das habe ich getan – und ich bin begeistert !
Meinen allerherzlichsten Dank für dieses fantastische Erlebnis, Lisa !
PS Man soll die Überraschungen des Restaurants nicht verraten, Deshalb sage ich hier auch nicht, wie das Lokal heisst (man kann aber schon drauf kommen.. 😊)
Falls also jemand etwas Besonderes sucht für seinen Stockholm-Trip, sei ihm dies hier wärmstes empfohlen !
Die Handies aus den Kassetten sind zurück bei den Besitzern. Nun dürfte man eigentlich Fotos machen, findet es aber nicht mehr unbedingt nötig.. 😊
Ich hatte beschlossen, mit der U-Bahn (sie heisst hier T-Bana) zurück zu fahren, damit ich noch ein wenig zu Fuss unterwegs sei… Ankunft um 00.30h – und ich habe wunderbar geschlafen..

Geil!
Hat mich riesig gefreut, dass es Dich gefreut hat! Als Du mir am Vortag das Bild der Ladenfront geschickt hast hat es mir dann doch kurz gschützlet: wie – ahem – punkig soll das genau werden? 😯 Aber ich wusste ja, dass Dich ein gutes Essen für manch Abenteuer entschädigen könnte und bin jetzt froh haben wir es beide gewagt!
In diesem Sinne: nochmal nachträglich herzlichen Dank für Deine Dienste als Mami und als vorbildlicher Abenteurer! 💚
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