
Kurt Tucholskys ‘Schloss Gripsholm, Eine Sommergeschichte’ aus dem Jahr 1931 ist humorvoll, ironisch, feinfühlig und unterhaltsam. Sie handelt von (tatsächlich gemachten) Ferien in Schweden mit seiner damaligen Freundin, die er Prinzessin nennt und die oft Plattdeutsch spricht, das ich manchmal nicht vollständig verstehe. In der Geschichte wohnen die beiden ein paar Wochen lang im Schloss, was in Wirklichkeit nicht der Fall war.
Die Erzählung beginnt mit einem fiktiven Briefwechsel zwischen Tucholsky und seinem Verleger Ernst Rowohlt, der ihn bittet, eine heitere Liebesgeschichte zu schreiben. Der Verlag soll laut Vertragsvorschlag 15% honorarfreie Buchexemplare erhalten, die er auf eigene Rechnung verkauft. Rowohlt revidiert schliesslich die Forderung auf 14%, darauf Tucholsky: «Bei 14% fällt mir bestimmt nichts ein – ich dichte erst ab 12%».
Denn meinte er: «Eine Liebesgeschichte.. Wer liebt denn heute noch. Woher nehmen und nicht stehlen ? Eigentlich möchten die Leute ja Dinge lesen wie ‘Die Gräfin raffte ihre Silber-Robe, würdigte den Grafen keines Blickes und fiel die Schlosstreppe hinunter’ – sonst bleibt da nur die Ehe… und all das Zeug, das wir nicht mögen..».

Blick vom Schloss auf den Schlosspark und den Mälar-See
Tucholsky wurde übrigens 1890 in Berlin geboren, war Journalist und erbitterter Bekämpfer des wachsenden Faschismus im Land, emigrierte 1929 resigniert nach Schweden und starb dort 1935 und nur 45-jährig an einer Überdosis Schlafmitteln, an die er sich nach einer schweren Magenerkrankung gewöhnt hatte. Es wird immer noch hin und wieder diskutiert, ob es nun Selbstmord war oder ein Versehen – Tucholsky selber bleibt ungerührt tot.
Sein Grab liegt in Mariefred; der Grabstein trägt die Inschrift: ‘Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis’ aus Goethes Faust. Er selber hatte sich ja den Spruch gewünscht: ‘Hier ruht ein goldenes Herz und eine eiserne Schnauze. Gute Nacht’.

In einem der Schlosstürme befindet sich ein wunderschönes, kleines Theater, das noch genau so aussieht, wie Gustav III. es 1792 hinterlassen hatte (er wurde während einem Maskenball in der Oper ermordet von unzufriedenen Adligen).
Tucholsky hat übrigens auch herrliche Aphorismen hinterlassen. Hier ein paar davon:
«Der Mensch besteht aus Knochen, Fleisch, Blut, Speichel, Zellen und Eitelkeit»
«Ein voller Terminkalender ist noch lange kein erfülltes Leben»
«Die Frauen haben es ja von Zeit zu Zeit auch nicht leicht. Wir Männer aber müssen uns rasieren»
«Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger»
Übrigens soll auch Inga Lindström zum Teil in Mariefred und im Schloss gedreht worden sein. Ich kenne die Fernseh-Serie nicht, habe aber gelesen, dass die Episoden dieser ‘Wellnessunterhaltung normalerweise mit Friede, Freude und Fröschequaken’ enden. Nun denn… 😊
Ich habe das Büchlein ‘Schloss Gripsholm’ in der Gartenbar des historischen ‘Hotel Gripsholm Värdshus’ gelesen – mit Blick auf das Schloss im Licht der untergehenden Sonne, auf dem Tisch ein Glas französischen Sauvignon Blanc für umgerechnet 11 Franken (das ist der Hauswein hier – die Armen haben ja nichts eigenes anzubieten). Bei solchen Preisen lernt man immerhin, mit viel Bedacht zu trinken..
Schöne Stunden waren das auf der Terrasse (rechts hinter meinem Velo im Bild oben. Auf dem Gepäckträger wartet geduldig mein Einkauf vom kleinen Dorfladen; er besteht hauptsächlich aus Zimtschnecken und Frühstücksbrötchen…).

Das Schloss vis-à-vis vom Hotelgarten. Es ist Abend geworden beim Lesen, und empfindlich kühl. Zeit, mich aufs Velo zu schwingen und heimzufahren

Blick auf Mariefred und Schloss Gripsholm vom Campingplatz aus (kein Wunder, dass es mir hier so gut gefallen hat, oder ?) Der Mälar-See reicht bis hinauf nach Stockholm in gut 70 km Entfernung.

Mariefred. Sie rühmen sich hier ihrer alten Holzhäuser. Nun ja, ein Jeder prahlt mit dem, was er hat..

Im Bahnhof von Mariefred gibt es auch ein Eisenbahnmuseum, das allerdings erst zur Hauptsaison öffnet (kleiner Nachteil, wenn man in der Vorsaison unterwegs ist..)
Schloss Gripsholm – Auf zur Besichtigung !
Ich hatte das Schloss mit seinen 65 Ausstellungsräumen beinahe gänzlich für mich allein (grosser Vorteil, wenn man in der Vorsaison unterwegs ist).
Der Bau des roten Schlosses begann 1537 unter König Gustav Vasa, welcher Schweden aus der Herrschaft des dänischen Königs befreit hatte.
Die Aussenmauern der vier runden Türme sind zum Teil vier Meter dick – das Schloss sollte auch eine Festung werden gegen allfällig erneute Übernahmegelüste der Dänen, die Schweden zu erobern gedachten mit dem Ziel der Ostseeherrschaft.

Mit solchen Mauern bleibt es innen entsprechend duster. Neid auf die Adligen im Schloss ist deshalb nur angebracht von der Dienerschaft aus der Epoche, die zwar in einem Schloss arbeiteten, wo jedes Schlafgemach eine eigene Feuerstelle hatte, währenddem sie selber in kümmerlichen, feuchtkalten Kammern im Dorf hausten.
Auch der Royale Nachthafen mit seidigem Sitz in edler Holztruhe darf nicht fehlen.
Um den Service rund um den königlichen Stuhl dürften sich eher wenige gerissen haben..
Heutzutage wird Schloss Gripsholm als Museum benutzt und beherbergt die Nationale Portrait-Sammlung – die mittlerweile über 4000 Gemälde umfassen soll. Mir wurde bereits nach 3500 etwas schwindlig, weshalb ich beinahe Selma Lagerlöf, Greta Garbo und Ingrid Bergmann verpasst hätte… Andrerseits wäre das auch in Ordnung gewesen: ich muss nicht unbedingt wissen, wie diejenigen ausgesehen haben, deren Werke ich bewundere, oder ? (Schon bei den Beatles interessierte mich die Lieblingsfarbe der Sänger herzlich wenig: mitsingen wollte ich ! Yeah ! Yeah! Yeah !)

Das Schloss bietet den Bildern einen oft sehr edlen Rahmen


Das Dorf Mariefred vom Schlosspark aus gesehen
So. Nun gehts aber auf nach Stockholm !
Ich muss zugeben: hier wäre ich gerne länger geblieben, aber mein Platz mit Blick auf den See ist reserviert und wird ab morgen von einem anderen Glücklichen besetzt, und umparkieren mag ich nicht. Ich betrachte es deshalb als Zeichen und Aufforderung, mich zu bewegen, auch wenn Mariefred ein wirklich feiner Fleck ist.
