Schwedens Campingkultur, seine Ostseestrände und Seen

Aber zuerst ein Korrigendum, excusez ! : Das schwedische ‘å’ ist KEIN ‘o’ wie in Morgen, sondern wie in ‘Oh!’. Ein ‘Fågel’ ist also ein ‘Vogel’ – und wird auch so ausgesprochen. Und das gesprochene Hallo! wird so geschrieben: Hallå! Meine Gratäng Sås ist ergo eine Soss ! So, uffa.
Der Receptionist in Åhus (genau: Oh-hüs) hat gelacht und gemeint, die falsche Aussprache hätte mir wahrscheinlich ein Däne beigebracht; die sprächen so. Mir selber ist ja jede Entschuldigung recht. 😊

1_Strand

2_Raps.jpg
Unterwegs. Hier blüht überall der Raps – deshalb hier nochmals ein Bild davon; er ist gar zu schön… Oft könnten solche Bilder auch aus der Schweiz stammen; wir haben offensichtlich mehr gemeinsam mit den Schweden als bloss die hohen Lebenskosten..

Camping in Schweden

Waren es etwa doch nicht die Holländer, die das Wohnwagen-Reisen erfunden haben ? Die Schweden haben es nämlich drauf ! Ihre Campingplätze sind extrem gut organisiert mit grosszügigen, sehr sauberen Duschen, separaten Küchen, Essecken und oft einer Art Stube für die Allgemeinheit. Eigentlich toll !

ABER ! Bis auf wenige Ausnahmen waren bisher sämtliche Plätze, auf denen ich stand, mindestens zur Hälfte von Dauercampern belegt. Und die haben hier nicht einfach einen Wohnwagen stehen, nein: vor den Wohnwagen kommt das grosse Vorzelt und vor das Vorzelt die gedeckte Terrasse mit Holzboden, und rund ums Ganze herum noch ein Windschutz-Plastikzaun ! Greuslich !

3_Dauercamper
Das sind kein Nomadendomizile mehr, sondern veritable Zweitwohnungen. Das Bild eines solchermassen vollgepackten Platzes ist, gelinde gesagt, nicht sehr einladend (wobei das Exemplar oben eines der hübschesten war).

Dass die Plätze im Grossen und Ganzen dennoch ordentlich wirken, hat wohl damit zu tun, dass sie während gewissen Monaten abgeräumt werden müssen. Dann ziehen die Leute auf einen anderen Platz und dauerwohnen dort..

Ich darf mich ja auch nicht wirklich beklagen, denn in Schweden herrscht das durch die Verfassung garantierte ‘Allemannsrätt’ oder Jedermannsrecht’ (das gilt auch für mich als Besucher): ich darf mich frei bewegen und jederzeit und überall eine Nacht lang wild campieren auf öffentlichem Grund. Das ist kein schlechtes Angebot, und wenn ich nicht so ein Weichei wäre, würde ich genau das tun und an einem Seeufer mitten im Wald stehen. Leider bin ich ein Weichei, und ich schätze nicht nur die Restaurants auf den Plätzen, sondern auch die Platzbeleuchtung bei Nacht – und das Wissen, dass da noch der eine oder andere Nachbar wäre, sollte mich ein Eichhörnchen überfallen..

Jawohl, Schwedens Strände sind schön !

Irgendwie schade, dass man sie nur während zweier Wochen im Jahr benutzen kann, nicht ? (ist ja gut, vielleicht sind es ja sogar drei oder vier Wochen)

5_Strandsteg
Etliche liegen in Naturschutzgebieten und werden durch eine Dünenlandschaft abgeschlossen, die man auf Holzstegen durchquert auf dem Weg zum Wasser.

Küsten-Wanderwege und viel Wald ergänzen das Bild. Mir hat meine Strandbesichtigungstour so gut gefallen, dass ich in fünf Stunden gerade einmal 135 Kilometer weit gekommen bin. Wenn es nicht so unglaublich windig wäre, hätte ich grosse Lust gehabt, mich in den feinen Sand zu setzen und eine Zeitlang auf das dunkelblaue Meer hinausschauen.

7_Erosion
Dieser Strand liegt noch auf Ystads Boden, und auf diesem Infobild ist eines der Probleme zu sehen, welches von der landfressenden Ostsee verursacht wird: sie trägt unermüdlich den Sand von der Küste ab.

Damit das Festland nicht ebenfalls dem Meer zum Opfer fällt, werden solche Verbauungen errichtet, und auf der Erosionsseite – hier rechts vom Pier – wird immer wieder Sand aufgeschüttet. Der Laufsteg auf dem soliden Unterbau ist mit Holzlatten belegt und wird im Sommer als Tauchsteg benutzt. Das da hinten ist das Hotel Saltsjöbad mit Konferenz-Center und Spa. Sehr hübsch gelegen !

8_CP Ahus
Åhus, First Camp. Hier gibt es Platz für über 500 Wagen.
Ich stehe ganz links auf dem ‘Durchreisenden-Streifen’, und das ganze Feld rechts ist voller Wohnwagen. Ich schätze, dass 75% der Plätze von schwedischen Dauercampern belegt sind. Die wenigen anwesenden ‘Insassen’ dieser Wohnwagenburgen waren am Rasensäen,  Rasenmähen, Stühle reinigen…

Am nächsten Tag regnete es in Strömen. Ich hatte keine Lust, das Wetter hier auszusitzen; 330 km weit bin ich deshalb gekommen; etwas Gutes hatte das schlechte Wetter ja auch: ich war nicht versucht, alle paar Kilometer eine Strandbesichtigung zu machen.. 😊

9_Elch
Wir kennen ja alle ja dieses berühmte ‘Achtung Elch’-Schild (man empfiehlt übrigens, keines davon zu klauen, denn es gibt sie in praktisch jedem Souvenirshop zu kaufen..).
Ich fuhr ganz lange ganz allein und ganz langsam durch einen riesigen, dunklen Wald und spähte aufmerksam durch die Stämme, denn ich wusste einfach, dass demnächst ein Elch die Strasse kreuzen würde in dieser absoluten Einsamkeit.
Was dann allerdings von hinten kam, war kein Elch, sondern der Regionalbus.
Die grenzenlose Einsamkeit ist auch nicht mehr, was sie mal war..

(Dieses untrügliche Bauchgefühl hatte ich früher auch hin und wieder in Sachen Lotto: «Heute mitspielen für 2 Franken, und – zack – reich !» Nein, hat auch dort nicht geklappt.

Und nein, einen Elch habe ich keinen gesehen, aber immerhin galoppierten etliche Hasen über die Fahrbahn, und ein paar Fasane mit kupferroten Brustfedern grasten an der Böschung.
10_Hultsfred
In Hultsfred habe ich dann doch noch das Schweden gefunden, das ich mir vorgestellt hatte
Wodurch wird eigentlich eine ganz bestimmte Erwartung geprägt ? In diesem Fall vielleicht durch ein Kalenderbild oder einen Geo-Artikel ? Möglicherweise durch einen Film, in dem nur die Idealvorstellung vorkommt? Was immer es ist: manchmal komme ich irgendwo an, und es ist wie ein Déjà-vu: ja, genau so muss es sein.

Ich stehe an einem idyllischen See mit inzwischen einem einzigen weiteren Campervan (und keinem einzigen Dauercamper); auf der Wiese vor mir tummeln sich Gänse mit Scharen von jungen ‘Daunenbällchen’, die das Formationsmarschieren üben, und über allem liegt eine himmlische Ruhe (wenn die Gänse nicht gerade streiten..). Die Sonne scheint, und ich lese vor meinem Häuschen ein Buch, das ich in der Gemeinschaftsküche gefunden habe. 18 Grad. Geht doch. Wir sind im Pippi Langstrumpf-Land Småland, und natürlich gibt’s dazu die Astrid Lindgren-Welt in der Nähe.

11_Hultsfred.jpg
Mein Haus am See mit WC/Dusche gleich daneben. Feudal !

Die Pächterin Antje ist eine Deutsche, die den Platz seit neun Jahren betreut. Von Juni bis August ist hier normalerweise alles belegt und die Hölle los, und wenn ich wollte, dürfte ich während der Hochsaison gerne vier Stunden täglich im Kiosk arbeiten. An und für sich reizt mich das (Leute treffen, schwedisch lernen, testen, ob ich noch arbeiten könnte, wenn ich denn wollte), aber ich bin noch nicht fertig mit dem Norden…

Dass hier keine Dauercamper stehen, liegt ebenfalls am ‘Jedermannsrecht’: Der Grund gehört der Gemeinde und muss deshalb für alle zugänglich bleiben. Die Leute dürfen frei an den Strand kommen oder durch den Park joggen, und das tun sie auch. Der Wohnwagen darf ein paar Wochen lang auf dem Platz stehen, muss aber bewohnt sein während dieser Zeit.

14_See
Land der Seen

Mir fiel unterwegs vor allem auf, dass die Landschaft unserer in der Schweiz gleicht: zersiedeltes Landwirtschaftsgebiet, also überall Felder, und überall Häuser. Ich habe hier selten einen Ort gesehen, der um einen Dorfmittelpunkt herum gewachsen ist. Vielleicht kommt das ja noch. Aber Wald haben sie ! 50% von Schwedens Fläche ist mit Wald bedeckt (auch wenn dieser oft keinen sichtbaren Elch enthält..).

12_SeenMap

Ich bin an zahlreichen Seen entlanggefahren; sie bedecken die Landkarte wie Masernflecken. An den mit Schilf bewachsenen Ufern nisten Vögel, auf dem Wasser schwimmen Schwäne, am Ufer gegenüber kann man manchmal ein kleines rotes Häuschen am Waldrand ausmachen. Wunderschön, ein See wie der andere.
15_See

13_SeeAby

16_SeeKatrineholm

 

18_Joghurt

Joghurt kauft man hierzulande im Kilo-Tetrapak (diese Verpackung wurde ja auch von einem Schweden erfunden).

Vorteil: viel Joghurt, wenig Platzbedarf.
Nachteil 1: wenn ich die Packung öffne, sind danach sozusagen fünfeinhalb offene Joghurtbecher im Kühlschrank und sollten bald ausgelöffelt werden.
Nachteil 2: Es gibt fünfeinhalb Becher lang Mango-Vanille-Joghurt, obwohl ich schon beim ersten Löffel wusste, dass das keine meiner Lieblingssorten würde.
Nachteil 3: Wenn es aber meine Lieblingssorte wäre: wie komme ich bei dieser Verpackung auch noch an den letzten Rest darin? Statistisch gesehen muss Schweden ein Land sein, in welchem ziemlich viel Joghurt im Abfall landet.

Um die ‘Weisheit zum Tage’ ist es nicht immer gleich gut bestellt…😊

Heute war Waschtag in Katrineholm (150 km vor Stockholm), und morgen halte ich Richtung Mariefred. Dort steht nämlich das Schloss Gripsholm, das Tucholsky einst verewigte im gleichnamigen Roman (..und was war schon wieder der Inhalt dieser Geschichte ?..Ooooch !)

19_See

9 Gedanken zu “Schwedens Campingkultur, seine Ostseestrände und Seen

  1. Avatar von Andi und Martha Andi und Martha

    Hopp Rösli
    I moas scho säga, „huara schöa !!
    Zu Deinem Joghurtproblem; wenn die Schachtel bald fertig ist, schneidest Du sie quer durch und löffelst sie fertig aus ,oder?
    Es ist immer wieder schön von Deinen Eindrücken und Erlebnissen zu hören und dabei zu sein.
    Heb Sorg und mach witer aso!!

    Gefällt 1 Person

  2. Avatar von Henriette Streuli Henriette Streuli

    Liebe Rösli, da geht es dir ja richtig gut in Schweden…danke für deinen Bericht! Es ist immer spannend zu lesen! Hebe dir Sorg, liebe Grüsse aus Oberrüti (am Freitag haben wir auch 18°C)

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Henriette
      Good for you – ich meine das Wetter (ihr seid nämlich mein ‚warmer Süden‘, den ich mir als milde Zuflucht bewahre.. 😊
      Heute hatten wir hier wieder 18 Grad. Das ist aber überhaupt nicht selbstverständlich, und in der Nacht kühlt es dann ab auf 3 Grad… Aber heute war’s perfekt, und ein paar Teenagers waren tatsächlich schwimmen im Mälar-See. Die Platzbetreiberin meinte, 12 bis 14 Grad hätte das Wasser ja bereits… Iiiiiks !
      Liebe Grüsse aus dem Schloss Gripsholm in Mariefred !
      Rösli

      Like

  3. Avatar von Katharina und Hansruedi Steinmann Katharina und Hansruedi Steinmann

    Hallå Rosa
    Ja, das mit den Wohnwagenparks ist uns auch aufgefallen – sehr „amächelig“ sehen diese zusammengepferchten Einheiten nicht aus. Elche und auch Rentiere haben wir schon gesehen, die Elche allerdings nur ohne Geweih und leider nicht nah genug für ein Foto. Aber ich habe den Elch ab sofort zu meinem Lieblingstier ernannt (noch vor den Giraffen), nur wegen diesen unnachahmlichen Schildern.🤣
    Nach 5000km und unzähligen Fjordumkurvungen und „Tunnelen“ sind wir jetzt auf den Lofoten angekommen. Uns gefällt es ausnehmend gut hier in Norwegen, auch wenn es gerne etwas wärmer, etwas weniger windig und dafür etwas sonnenreicher sein könnte😀. Im Moment stehen wir direkt am Meer gegenüber den Vesterålen und warten auf den Sonnenuntergang um 23.18 Uhr = die Mitternachtssonne ist nicht mehr weit! Wir planen noch einige Tage hier auf den Lofoten und Vesterålen bevor wir noch bis nach Tromsø tuckern (wir bevorzugen wenn immer möglich Nebenstrassen, da kann man so schön schleichen😉) um dort die Mitternachtssonne zu erleben (ab 20. Mai bis Mitte August).
    Viel Vergnügen in Stockholm, mir hat die Stadt sehr gut gefallen. Verpass ja die Wachablösung beim Palast (?) nicht und auch eine Fahrt mit dem schwimmenden Bus.
    Weiterhin gute Reise wünschen dir
    Kathi und Hansruedi
    (22.58Uhr, die Sonne ist jetzt hinter den Wolken verschwunden, Zeit fürs Bett)

    Gefällt 1 Person

    1. Avatar von Vreni D Vreni D

      Hallo Rösli
      Spannend, eigentlich sottsch mit em Schwedisch kei Problem ha..😏chasch di erinnere wie mer uns amme als Schwedinne usgäh hei will ich dr Tonfall und Modualtion chli kennt ha….🤩🤣

      Gefällt 1 Person

      1. Liebes Vreni
        Haha ! Und natürlich dachten wir, niemand merke etwas bei zwei so typischen Vertreterinnen des Schwedischen Genres: du mit deinen seelenvollen braunen Augen und schwarzen Haaren, ich mit meinem Gardemass von einsdreiundfünfzig Totallänge (kicher..) 😊

        Like

    2. Hejhej ! 😊

      Es freut mich ausgesprochen, von euch zu hören – und auch gleich noch herzlichen Dank für eure Stockholm-Tipps (sind notiert !).
      Sollte ich je einen Elch zu Gesicht bekommen, erküre ich ihn auch zu meinem Lieblingstier – nur schon wegen seinem salopp-runden Trab.. 😊

      Eure Bedingungen ans Wetter könnten glatt von mir sein ! Ist ja furchtbar, oder ? Immerhin hatten wir heute 18 Grad – und ich habe mir einen kleinen Sonnenbrand eingefangen vor lauter Begeisterung. Der Wind hier oben ist ein ewige

      Wow ! Ich dachte, die Nacht HIER wäre spät dran – bis 22.30h kann man gut ohne Taschenlampe spazieren gehen ! Ich freue mich also auf noch mehr Norden – vorausgesetzt, das Wetter macht ein wenig williger mit..

      Ich wünsche euch viele schöne Erfahrungen, Ausblicke und Sonnenuntergänge – und auch euch eine gute Reise !
      Liebe Grüsse an euch Beide aus dem Schloss Gripsholm in Mariefred
      Rosa

      Like

  4. Avatar von Vreni D Vreni D

    Hoi Rösli
    Ich ha eigentlich dä Kommentar scho mol gschriebe, allwäg öppis falsch gmacht…🤨
    Ha welle froge ob di chönnsch erinnere wie mir uns amme as Schwedine usgäh hei? Ich glaub im Ticino. Ich ha vo dr Sproch här d Modulation e chli kennt. Drum sotsch die Schwede jo chli verstoh..🤣😏🤗
    Liebi Grüess, Vreni

    Gefällt 1 Person

    1. Grad namal ich (wlan uf schwedisch isch halt echli andersch..). 😊
      Also ich bin immer na im Sprach-Sumpf, würdi schätze. Und das mit de Modulation isch mir nach wie vor es Rätsel, aber mir isch glich… Schön isches einewäg ! Heb Sorg – liebi Grüess ! Rösli

      Like

Hinterlasse einen Kommentar