Nach drei Stunden Fahrt vom Ortasee her bin ich in Mango angekommen. Der beinahe touristenlose Ort liegt in der Langhe, einer kleinen Region innerhalb des Piemonts etwas östlich von Alba.
Nach dem Ortasee gings zuerst einmal eine gute Stunde lang durch Reisfelder. Dass es Reisfelder sind, ging mir erst auf, als ich immer wieder Schilder las, auf denen Reis zum Verkauf angeboten oder eine ‘Risotteria’ angekündigt wurde. Ich war erstaunt zu sehen, dass diese Reissorte gerade einmal kniehoch wird und beim Reifen eine golden-orange Farbe bekommt. Und dabei ein wenig an zu selten gegossenes Katzengras erinnert..
Italien ist übrigens der grösste Reisproduzent Europas. Ein Drittel der westeuropäischen Reisernte stammt aus dieser Region, der piemontesischen Po-Ebene.

Mango, Stellplatz La Trava
Der Blick vom Stellplatz La Trava schweift von Rebenhügel zu Rebenhügel und reicht an klaren Herbsttagen wie dem heutigen bis hin zu den Schweizer und Französischen Alpen. Meine Fotos sind allerdings vom nächsten Tag, da ich gleich ‘Programm’ hatte nach meiner Ankunft..

Dennoch: das ‘Wölkchen’ in etwa der Bildmitte ist tatsächlich ein schneebedeckter Berg der Schweizer Alpen: Davor: Hügel über Hügel voller Reben.

..und hier der Beweis mit demselben Bild; unscharf zwar, aber voilà !
La Trava ist ein ‘Agriturismus-Stellplatz’, in diesem Fall ein Weingut. Von ihren Stellplatzgästen erwartet Maria, die Chefin, dass diese ihren Platz erstens nicht sehr lange besetzen und zweitens mindestens 6 Flaschen Wein kaufen während diesem kurzen Aufenthalt. Diese Art Marketing ist einerseits verständlich, denn Maria hat zwar nur sieben Plätze zu vermieten, dafür aber jede Menge Wein zu verkaufen; andrerseits grenzt diese Art des Marketings schon ein wenig an Nötigung – umso mehr, als die Weine nicht über alle Zweifel erhaben sind..😉

Ein schöner Standplatz. Etwas teuer vielleicht, aber schön..

Mir hat Maria trotzdem gefallen mit ihrem Temperament, den zupackenden Händen und – ja, das muss ihr der Neid schon lassen: mit ihrem Verkaufstalent.

Renate und Theo. Nicht nur ist die Aussicht von hier aus traumhaft schön, ich wurde auch gleich noch zum Nachtessen eingeladen von meinen deutschen Nachbarn. Wie schön.
Und was für ein Nachtessen: saftige grüne Oliven, gebeizter Thunfisch, Polpe in unterschiedlichen Zubereitungsarten, Muscheln, Crevetten, verschiedene Brote – und ein süffiger, deutscher Grauburgunder ! Ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass ich gehört hätte, es gäbe keinen einzigen guten deutschen Rotwein. Und was haben die Beiden dazu gesagt (statt ihren Wein heroisch zu verteidigen ?) Dies sei leider eine Tatsache. Ok, das war’s. Nun glaube ich es auch, Andy 🙂

Marias Weindegustationsraum
Und nach all diesen Köstlichkeiten bei Renate und Theo schritten wir – zwei weitere ‘Opfer’ und ich – zur obligatorischen Weinverkostung mit Maria, und die ging so: erst wurden wir mit 14.5% -volumigem Arneis aufgewärmt (spritig), dann mit 15,5%-igem Barbera weichgeklopft (noch spritiger) – und dann gab’s die einfachen Weine, die im Vergleich zu den vorherigen endlich herrlich nach Wein schmeckten und sich deshalb augenblicklich unser Wohlwollen erwarben. 😊
In einer knappen Stunde tranken wir drei Weissweine, fünf Rotweine und einen hausgemachten Grappa, und ich wusste beim Eid nicht mehr, welcher denn nun wirklich trinkbar war. (Nachtrag: Marias Nebbiolo ist einfach, aber gut – die anderen, die ich gekauft habe, wären perfekt für ca. 5 Kilo feinstes Gulasch oder Sauerbraten.
Bereits am nächsten Tag dislozierte ich vom Stellplatz zum Feriendomizil meiner Freunde, das ebenfalls in der Gemeinde Mango zu finden ist.

Das ist es, La Casa Giromet in Mango/Piemonte. Mein Zimmer mit Balkon ist rechts oben
Das ‘Casa Giromet’ ist ein kleines Appartment-Haus mit drei Wohnungen und einem Zimmer. Dort blieb ich fünf herrliche Tage lang (meinen ‚Dügg‘ durfte ich für dies Zeit in einer Fabrikhalle parkieren).

Das Haus ist ein Juwel mit seinem wunderschönen Garten und den von seinen beiden Besitzern liebevoll eingerichteten Räumen. Sehr zu empfehlen für Stressgeplagte, die wirklich abschalten wollen (aber dennoch Lust aufs Kochen haben mit frischen Produkten vom Markt, denn das nächste Restaurant ist ein paar Kilomenter entfernt).

Im und um Casa Giromet gibt es viele zauberhafte Details zu bewundern
An meinem Geburtstag kamen zu meiner freudigen Überraschung zwei weitere Freunde aus der Schweiz extra angereist, und wir alle wurden abends aufs Allerfeinste bekocht mit fantastischen Gnocchi an Gorgonzolasauce und Fettucini an viel frischen Steinpilzen. Es wurde ein urgemütliches, fröhliches Fest.

Ups ! Die Gnocchi habe ich beinahe verpasst, aber das rechts sind frisch gemachte Teigwaren und frische Steinpilze vom Markt – göttlich !

Das hübsche Päckchen vorne ist ein zarter Trüffelkäse – und hinten kullern knackige Haselnüsse – in dieser Region wachsen sie tonnenweise !
Aus diesem Brunnen in Acqui Terme plätschert schwefelhaltiges Waser von 70° C. Die Einwohner spülen sich direkt vor Ort die Augen damit und befeuchten ihr Gesicht, und wie jemand aus unserer Gruppe sagte: «Die tragen alle keine Brille!» (hm…).
Immer wieder kommen Leute und füllen kleine Behälter mit dem Wasser, das sie nach Hause mitnehmen. Es soll Wunden heilen, schmerz- und entzündunghemmend wirken, und ein halbes Glas davon soll gut sein für den Magen und die Verdauung.

Acqui Terme. Wenn man in der Enoteca La Curia ein Glas Wein bestellt, gibt’s ein ganzes Buffet von Antipasti als Dreingabe.
Wir haben uns also die frische Pizza munden lassen, verschiedene gewürzte Frischkäse auf Brotstücke gestrichen, Würste und knusprige Bruschette gegessen und waren gut vorbereitet auf die spätere Weindegustation auf einem Gut in der Nähe.
Vor der Degu ging es weiter zu ‘Haselnuss-Elena’, die ein ‘Nutella’ verkauft, das nicht wie das Original aus über 60% Zucker und Fett besteht, sondern zu einem hohen Teil aus Haselnüssen. Ich habe mir auch einen Vorrat an frisch gerösteten, vakumierten Nüssen gekauft als Notvorrat. Man weiss nie.

Das ist Graziella, bei der wir abends ein 7-Gang-Menü kredenzt bekamen.
Nicht unbedingt das Bild einer italienischen Mamma, aber kochen kann sie !
Man beachte auch die typisch italienische, dezente Beleuchtung im Ristorante.
Links am langen Tisch feiert eine ganze Familie einen Geburtstag mit Nonna, Onkeln und Tanten noch und noch. Auffällig: die Männer sitzen an einem Ende der Tafel, die Frauen am anderen..
Die Jubilarin hat uns prompt von ihrer Geburtstagstorte herübergebracht, die wir uns nach unserem eigenen Dessert auch noch schmecken liessen, weil es auch nicht mehr darauf ankam. Danach lagen wir allerdings wie gestrandete Walfische im Bett und seufzten..

Morgenstimmung vom Balkon aus
Rapallo
Und nun bin ich in Rapallo, und dafür habe ich ganz Genua durchquert entlang der Küste des Ligurischen Meeres. Die Stadt wirkt sehr lebendig, und im Hafen (gleich neben der Strasse) stand ein Ungetüm von einem Kreuzschiff namens MSC Splendida, das offenbar in Schweizer Händen – und 18 Stockwerke hoch – ist !
Jäh taucht landeinwärts die Morandi-Brücke im Blickfeld auf, deren Überreste auf
35 Metern Höhe abrupt enden. Da die Brücke nicht nur eine vierspurige Autobahn getragen hatte, sondern auch die Verbindung zwischen Ost- und West-Genua und die Zufahrt zu dem grossen Hafen darstellte, kommt es nun in der ganzen Stadt zu täglichen Riesenstaus.
Entgegen den pessimistischen Prognosen verlief meine Durchquerung der gut 20 Stadt-Kilomenter jedoch problemlos. Um 14.30h war ich allerdings auch nicht zu einer Zeit unterwegs, zu der ganz viele andere es sein müssen.
Es nützt übrigens nichts, die Brücken hier zu vermeiden, denn wenn man nicht oben drüber fährt, fährt man unten durch. Wie die Geschichte zeigte, kann beides fatal sein.
Das Wetter hier ist deutlich milder als in Mango, wahrscheinlich, weil Rapallo etwa 15 müM liegt statt in den luftigen Hügeln. Gestern habe ich bis 21.30h draussen gelesen, da ich praktischerweise direkt unter einer Leselampe stehe (scusi: Platzlampe..).

Hier bin ich…
Ein vergnüglicher Bootausflug mit dem ‚Servizio Marittimo del Tigullio‘

Heute habe ich einen Ausflug gemacht in einem Schiffli wie das rechts oben; Rapallo – Santa Margherita Liguria – Portofino – San Fruttuoso und zurück – grandios !
Portofino (Plinius d.Ä. nannte sie Portus Delphini, Hafen der Delfine)

Da hinten geht es in die Bucht von Portofino hinein. Auf dem Kartenausschnitt rechts kann man erkennen, dass der Ort in einer tiefen, versteckten Bucht liegt.
Portofino. Doch, das Dorf ist bezaubernd, besonders, wenn es wie jetzt nicht überrannt wird von Touristen.
Hier also machen die Reichen und die Schönen Ferien (warum sagt man das eigentlich so? Ach so, wahrscheinlich, weil die Reichen nicht auch noch schön zu sein brauchen..).
Ich habe natürlich auch Ausschau gehalten nach Promis. Dann wurde mir bewusst, dass ich sie auch dann nicht erkennen würde, wenn sie hier wären – oder bloss dann, wenn sie angeschrieben sind oder genau so aussehen wie in diesem bekannten Film da.. diesem berühmten, du weisst schon… dem… äh…Mensch!..wie hiess er schon wieder?.. 😉. Nein, hoffnungslos. Also habe ich meinen Aufenthalt einfach so genossen.

Das war noch in der Promi-Such-Phase: Die Dame in Rot hat bestimmt 100 Fotos gemacht, und alle, alle von sich selbst mit je einem kleinen Ausschnitt von Portofino im Hintergrund. Es ist schon eine seltsame Zeit, in der man völlig talentfrei – und allein durch eine gute Portion exhibitionistischem Narzissmus – eine Art Berühmtheit erlangen kann (ich habe inzwischen Kaffee getrunken und hatte viel Zeit, ihr beim Arrangieren der Haare zuzusehen). Ach so ! Das sind dann wohl ‘Die Schönen’ von Portofino. Ok… 😊

Rechts auf dem Hügel steht die berühmte Kirche San Giorgio aus dem Jahre 1154, links das Castello Brown aus dem 16. Jahrhundert. Damit das auch erwähnt sei…
(ich habe bemerkt, dass meine ‘Kultur’ momentan vor allem in Küche und Keller stattfindet; etwas Historie kann demnach nicht schaden).

Auch unterwegs gab es immer wieder Postkartenansichten:



San Fruttuoso

Die Abbazia di San Fruttuoso ist eine Benediktinerabtei aus dem 10. Jahrhundert, die nur per Boot oder auf dem Wanderweg von Portofino aus erreichbar ist

Die Bucht der Abtei und unser Boot im Hintergrund

Eine 2.5m hohe Bronzestatue des Cristo degli abissi (Christus der Abgründe) wurde 1954 in 15 Metern Tiefe in der Nähe der Abtei versenkt. Sie soll Fisher und Taucher beschützen und wird gerne von letzteren besucht.


Zurück in Rapallo

Ich glaube, ich habe das ‚Land der Roller‘ gefunden. Sie sind überall in langen Reihen parkiert und ihre Benutzer verstehen es, sich flink und frech durch den Verkehr zu schlängeln.
In der Schweiz trifft man sich im Migros- oder Coop-Restaurant (wettersicher), und hier – ebenso wie in Spanien und Portugal – überall dort, wo es Bänke gibt. Ein schöner Brauch, hier wie da..

An dieser Wand vor der Unterführung erfährt man die neuesten Todesanzeigen und Danksagungen. Auch dieser Signore wird einige Leute erwähnt finden, die deutlich jünger sind als er – oder einst mit ihm zur Schule gingen..
Momentan sind wir noch zu zweit auf dem Platz Miraflores in Rapallo (im Wagen rechts wohnen Norweger). Der gelbe Pfosten neben meinem Auto trägt meine abendliche ‘Leselampe’

Diese Gelbe Warnung an der Kreuzug oben besagt, dass heute ab Mitternacht heftige Gewitter erwartet werden.
Der Markt von morgen ist annulliert, alle Sportanlagen bleiben geschlossen. Ich wollte deshalb meinen Blog noch gestern einstellen, damit ‘im Falle eines Falles’ bekannt wäre, dass ich dabei war… Dann dachte ich mir aber, dass die Meteorologen hier bestimmt auch nicht besser sind als unsere daheim, also bin ich stattdessen schlafen gegangen.
Es regnet tatsächlich seit Mitternacht, aber dramatisch wirkt das noch nicht.. Nun ja, das kann es ja noch werden, warten wir’s ab.
Ich werde heute gemütlich lesen, mir vielleicht einen DVD-Film ansehen, den nächsten offenen Campingplatz suchen online und generell ganz viel NICHTS tun..
Mein Blog ist etwas gross geworden heute. Das hat man davon, wenn es regnet, als ob es noch eine ganze Weile so weitergehen würde – und man deshalb viel Zeit hat..😊


Liebe Rösli, das ist doch herrlich geniessen und du triffst immer nette Menschen, super!! Wünsche dir noch ganz viele schöne Erlebnisse in bella Italia! Liebe Grüsse aus Oberrüti, wir haben gestern Äpfel gesammelt und zur Mosterei gefahren!
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