Wusste ich es doch: die Häuser hier haben mich an etwas erinnert; ich kam aber nicht gleich drauf: es könnten Häuser in Asterix-und-Obelix-Bänden sein, wenn sie Stroh- statt Schieferdächer hätten, nicht ?

Alle Häuser hier habe diese steilen Dächer, und inzwischen habe ich gelernt, dass die Schieferschindeln je nach darin enthaltenen Mineralien mit der Zeit rostrot werden (Eisen) oder weissgrau (Kalk) oder beinahe jede andere Farbe dazwischen (siehe Bild oben). Bei direkter Sonneneinstrahlung glänzen sie silbern (Bild unten).

Asterix und Obelix waren tatsächlich Bretonen, soviel haben die Autoren Goscinny/Uderzo verraten. Es gibt hier ja auch noch jede Menge Menhire bzw Hinkelsteine zu besichtigen, die Obelix wohl für eine Lieferung am nächsten Tag vorgesehen hatte..
Ein paar Leute in Erquy behaupten ja, ihr Dorf sei das Vorbild gewesen für die standhaften Gallier um 50 v.Chr. Da aber nicht einmal mehr der Baum aufzufinden ist, an dem der daran aufgebunden Troubadix jeweils das Wildschwein-Festgelage verbrachte, spielt das auch keine grosse Rolle mehr.

Die Bretagne ist der westlichte Zipfel Frankreichs (Hauptstadt: Rennes) und misst gerade mal 150 x 250 km, kommt aber auf stolze 2730 km Küste, wenn alle Buchten mitgerechnet werden. Kein Ort innerhalb der Bretagne ist weiter als 80 km vom Meer entfernt.
Meine Eindrücke aus dieser Region sind geprägt von fetten Wiesen und reifen Kornfeldern, von caramelfarbenen Kühen, behäbigen Steinhäusern und schnuckeligen Steinhäuschen, von grossen Wäldern, dem rauen Atlantik, der die Steinküsten bestürmt und Erdküsten abträgt – und von viel Wind !
Das Bild bei Ebbe ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig: das Wasser geht hier bis zu 12 Meter zurück und ‘verbreitert’ den Strand zum Teil kilometerweit ins Meer hinaus.
Dennoch: mir gefällt es hier so gut, dass ich immer nur in kleinen Etappen weitergezogen bin.

In Concarneau war ich beinahe am westlichsten Ende von Frankreich, in Perros-Guirec an der rosa Granitküste und nun bin ich in Pordic, 120 km vor Saint-Malo
La Côte de Granit Rose

Perros-Guirec – Die rosa Granitküste ist tatsächlich wunderschön; sie ist ein Naturpark und somit vor Überbauungen geschützt

Diese hübsche, kleine Bucht mit glasklarem Wasser liegt jenseits des Hügels der Granitküste in Ploumanac’h.
Schon von weitem erklangen Songs aus den Sixties über das Wasser. Sie kamen von einem (eigentlich) gediegenen Hotel am anderen Ende der kleinen Bucht.
Ich setzte mich auf die Terrasse und sah zu den Klängen von ‘Monday Monday’, ‘Wild Thing’ und vielen anderen altbekannten Melodien zu, wie das Wasser stetig anstieg, bis die sonnenbadenden Männer zum Strand schwammen und die Steine wieder ganz im Wasser lagen. Bei ‘You’ve Got Your Troubles, I’ve got Mine’ kam mir in den Sinn, dass ich ja noch eine Stunde Rückweg an der Granitküste vor mir hatte. Zeit zu gehen.


Blick zurück zum Hotel ‘Castel Beau Site’ und seiner Terrasse – die ‘Sonnenbad-Steine’ sind nicht mehr zu sehen

Hier wartet eine Gruppe Fotografen auf das perfekte Licht für Bilder des berühmten Leuchtturms von Ploumanac’h. Ich persönlich finde das Licht schon jetzt sehr schön… 😊


Etliche der durch Wasser und Wind geschliffenen Granitsteine scheinen der Schwerkraft zu trotzen
Pordic – Camping Les Madières

Ich stehe hier ganz allein im Grünen und werde von Tauben und Rotkehlchen besucht; die Amseln buddeln Würmer aus dem Boden oder pflücken sich halbreife Kirschen vom Baum.
Es sind weitere sieben oder acht Gäste vor Ort, die alle schon seit Jahren hierher kommen. Seit gestern gelten Hochsaison-Preise: ich bezahle also neu €19.- statt wie bisher €15.- die Nacht. Nur die Gäste fehlen noch..
Das ist die Spezialität der Platz-Chefin (bzw des Metzgers aus dem Nachbardorf): Saucisse Bretonne mit Gemüse – es schmeckt alles richtig gut ! Der Rosé ist von der Loire – sie haben es hier ja eher mit dem Apfelmost..
Pordic – ein typisches Ebbe-Bild – dies alles deckt das Meer wieder zu in ein paar Stunden.
Die Sandsteinbänke jenseits des Herrn im roten Shirt sind über und über voller Muscheln.

Aus der Nähe sieht das so aus. ‘Strandfischen’ oder ‘La Pêche à Pied’ ist sehr beliebt bei den Bretonen, und die Leute hier spotten über die Preise, welche in Paris für ein Tellerchen mit sechs bretonischen Austern bezahlt werden.
Jeder hier hat das Recht, eine bestimmte Anzahl Muscheln pro Tag zu ernten im Schlick des Ebbe-Strandes. Zur Auswahl stehen unter anderem Austern, Schwert- und Jakobsmuscheln. Es gilt lediglich zu beachten, dass zum Beispiel eine Miesmuschel nicht kleiner sein darf als vier Zentimete, Jakobs- und Schwertmuscheln nicht kleiner als zehn Zentimeter.

Dies ist dann wohl die ‘Salat-und Schnecken-Ecke’ am gleichen Strand. Jeder Stein hier ist überzogen mit den Schnecken – es gibt sie in vielen Restaurants zusammen mit Muscheln zum Apéro (ich habe bisher noch keine bestellt.. 😊)

Das Meer holt sich bei jeder Flut auch ein Eckchen aus dieser erdigen Küste
Ich werde heute auf dem Campingplatz von Les Madières meine vierte und letzte Nacht verbringen. Viel habe ich hier nicht gemacht: einen Krimi gelesen, ein paar halbherzige Spaziergänge unternommen, den Teilnehmern eines Halbmarathons, die auf ihren letzten zwei Kilometern vor dem Platz vorbeikeuchten «Allez ! Bravo !» zugerufen.
Als einziger weiterer Zuschauer stand ein dicker Camper-Kollege neben mir, der den Läufern Bier versprach in zwei Kilometern, was eine deutlich belebendere Wirkung zeigte als mein ‘Bravo’. Sein kleines Hündchen, das die ersten zwanzig Läufer noch begeistert angebellt hatte, gab auf und legte sich hin nach der Aufregung.
Das Paar, das den Campingplatz ‘Les Maladières’ betreut hier in Pordic, hat es nicht einfach. Es gibt hier keine offensichtlichen Attraktionen ausser viel Land und Wald und den Strand in 10 Minuten Entfernung; sie haben einen netten, kleinen Swimming Pool aber keinen grossen Kinderspielplatz; das Restaurant gibt her, was die Chefin selber kocht, und beide arbeiten von Montag bis Sonntag.
Die Chefin hat sich beklagt, dass sie €1650.- pro Jahr zu bezahlen haben, nur um im ACSI Campingplatz-Katalog erwähnt zu werden. Sie empfindet es als nachgerade unanständig, dass sie hier kaum über die Runden komme mit dem Geld, das sie verdienen, währenddem der Chef von ACSI in einem Schloss wohne und sich für Zeitungsfotos gerne davor aufstelle mit seiner Familie. Man kann es ihr nicht verdenken.
Da ich keine Ambitionen habe in Sachen Wasserrutschen, bin ich nach dem lebhaften 5-Stern-Platz bei der Granitküste gerne hierher ‘geflüchtet’ und geniesse die Ruhe des Platzes sehr.
Morgen suche ich eine Caravan-Garage auf, die möglicherweise einen passenden Anschluss für meine französische Gasflasche zur Hand hat. Dann würde ich vielleicht sogar wieder einmal selber kochen… 😊

Ich finde es wunderbar ,dass Du bei allem Stress auch einmal Deine Seele baumeln lässt! Würde ich auch machen. Die Bretagne ist wirklich ein sehr schönes Plätzchen. Schön,dass Du die vielen Bilder mitschickst. Dieses Mal bin ich aber vor Lisa !“ätsch“
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Hihi – Ehre wem Ehre gebührt: Gratulation und ich ziehe all meine vergangenen Beschwerden zurück! 😉
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