3700 km, 10 Tage, 1 Blick zurück

 

21. Dez. 2017 (ich kam nicht früher ins Internet)
Rückblickend erstaunt es mich nun doch, wie rasch ich die Idee des Nomadenlebens als DIE Lösung aller potentieller Probleme angesehen habe. Da die Würfel inzwischen gefallen sind, habe ich mich ins Lernen hineingeworfen…

Was habe ich für Umstände gehabt, bis ich zum ersten Mal am Strom angeschlossen war: drei Kabel zur Auswahl und lauter verkehrte Versuche. Als das Lämpchen im Wagen endlich anzeigte, dass ich nun ‘Saft’ hätte, war das ein veritabler Sieg !

Noch eindrücklicher verlief mein erstes Abreise-Prozedere: meine Hecktüre muss ziemlich sec zugeworfen werden, da das etwas schwere Velo dran hängt. Also Hecktüre auf, Gashahn zudrehen, Hecktüre zu (zweimal). Ach so, ja, das Elektrokabel ! Hecktüre auf, Kabel rein, Hecktüre zu. Motor an, Alaaaarm (durchdringend !): Trittbrett ist noch draussen. Motor aus, Tritt einfahren, Motor an, losfahren. Hinten gehen mehrere ungesicherte Kästchen und Schubladen auf, es scheppert gewaltig, und im Display erscheint die Warnung ‘Hecktüre offen’…
Ich muss ein tolles Intermezzo geboten haben dieses erste Mal. Wie schade, dass momentan nur wenig Leute auf den Plätzen stehen – ich hätte ihnen das amüsierte Grinsen gegönnt.

Ich habe mir jedenfalls folgerichtig eine Checkliste erstellt, und ehe die nicht durch ist, wird nicht losgefahren. Sie beinhaltet auch ‘Wasser ins Cockpit’, denn ich habe gehört, dass man nicht schnell genug wieder am Steuer sitzt nach dem Wasserholen, um ein Abdriften des Wagens auf der Autobahn zuverlässig zu vermeiden..J..
Wenn man allein unterwegs ist, ist das ‘Mise en Place’ besonders wichtig, sonst ist man ständig am ‘kurz Anhalten’. Ich weiss das, ich habs schliesslich praktiziert..

Ich kann übrigens auch das physikalische Gesetz über die Luftschichten-Verteilung im Raum bestätigen: Die Kälte sitzt unten, auch wenns oben warm ist. Ich habe mir inzwischen dick mit Schaffell gefütterte Boots als Haus-Puschen gekauft – jetzt ist es gut.

Eigentlich will ich immer Gas sparen, denn bisher musste ich noch keine Gasflasche ersetzen, und davor fürchte ich mich schon ein wenig. Zum Glück reicht bei den gegenwärtigen Temperaturen das Elektro-Öfeli gut für meine 25m3 (öh: stimmt das ? L=ca.5m x B=ca.2m x H=ca.2.5m. Ja, stimmt, oder ?).

Die ersten paar Tage gabs den ersten Kaffee erst nach dem Duschen und im Restaurant. Das war zwar nett aber die völlig falsche Reihenfolge, also habe ich mein Tschinggeli dann doch aktiviert, und inzwischen klappt das bestens mit uns beiden. Eine Füllung ergibt anderthalb Mugs Kaffee, die perfekte Menge zum Aufwachen.

Das Essen im Restaurant ist einfach und einfach gut, und ich gehe auch gerne aus dafür. Das Kochen auf dem Gasherd habe ich jedoch schon mal geübt: Mein Début-Menu waren Maccaroni mit gebratenen Zwiebeln, rotem Pesto und Artischocken, besprinkelt mit handgeschnetzeltem Raclette-Käse und viel Pfeffer. Das war richtig fein – und danach hatte ich ein ganzes Becken voller Geschirr zum Abwaschen.. Ich vermute ja, dass eine Spezialisierung auf Suppen praktisch wäre..

Zum Rauchen setze ich mich in eine Wolldecke gehüllt auf ein Frottétuch auf dem Trittbrett. Das ist ungefähr wie einst daheim auf dem Balkon, nur jetzt einfach mit wechselnder Aussicht.

Ich habe in nur zehn Tagen in den öffentlichen Duschen ein Dusch-Gel, ein Shampoo, ein Hand-Bürsteli und ein Deo stehenlassen. Ich muss wohl noch etwas üben, um wahrhaftig zu akzeptieren, dass das hier jeweils nicht mein Bad ist.

Als ich zum ersten Mal in Frankreich tankte, war ich etwas unsicher, was den ‘Kraftstoff’ betraf, denn ich ging davon aus, dass Diesel überall Diesel heisst. Nicht in Frankreich. Natürlich nicht, wie konnte ich das annehmen, tsk. Und dann kam mir plötzlich die Geschichte von Françoise in den Sinn, in der ein Camionfahrer in der Garage anrief und jammerte: «..ça pisse du Gazole du haut du moteur..». Jawohl, wir Camion-Fahrer tanken Gazole ! Danke, Françoise ! 🙂

Woran es noch fehlt:
– eben, die Gasbombe wechseln (es ist die zweite Worthälfte, die mir dabei nicht gefällt).
– Ich hatte daheim mindestens 5 Stecker-Adapter, befand es aber nicht für nötig, mehr als einen einzupacken.
Einst besass ich Geschirr für 50 Personen und Gläser für 100, eingepackt habe ich jedoch nur eine grosse Tasse, vier Suppenteller und vier Weingläser, und drei der vier originalen Kaffeetassen sind früh einem fatalen Sturz aus dem nicht gesicherten Kästchen zum Opfer gefallen. Ich vermute auch, dass ich einen der bereitgestellten Geschirrstapel aus Versehen in die Brocki gebracht habe..
Ich muss Spanisch lernen. Ist euch schon aufgefallen, dass man stammelnde Fremde automatisch für ein wenig dümmlich hält und ganz laaangsam, ganz lauuut und in Grundformen spricht mit ihnen – und dabei diesen mitleidigen Blick drauf hat ? Peinlich, nicht?

Ich habe bereits viel gelernt und bei einigen Dingen sogar eine gewisse Routine entwickelt. Aber es gibt täglich neue Herausforderungen in diesem neuen Leben,  das mir immer noch ziemlich neu und fremd ist. – – – – – – Ist das nicht schön ?

14 Gedanken zu “3700 km, 10 Tage, 1 Blick zurück

  1. Avatar von Fabiola Poffet Fabiola Poffet

    Oh man….da ist ja schon einiges los bei Dir:):):) Gasflaschen kannst du an den Tankstellen wechsel und wenn du lieb schaust, werden die Tankstellenwarte das sicher für Dich übernehmen.
    Ansonsten wie schon geschrieben, ruf Flavio an oder geh einfach vorbei…..so wie es eben die Spanier machen…..:):)

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  2. Avatar von Kudi Weber Kudi Weber

    Es läuft ja schon wie geschmiert bei dir, wäre doch auch stinke langweilig wenn alles auf Anhieb funktionieren würde.
    Schaue ein wenig wehmütig nach meinem abgestellten Schlafzimmer in der Scheune, habe mir aber vorgenommen nächstes Jahr auch den Weg nach südspanien unter die Räder zu nehmen.

    Wünsche dir wunderschöne Weihnachten und Rutsch gut rüber.
    🎄🎄🎅🏻🎄🎄

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    1. Sali Kurt
      (jetzt habe ich deine Nachricht wiedergefunden. Herzlichen Dank für deine Wünsche !
      Du hast recht, es muss ja nicht alles sofort klappen – so lange es am Ende zum Funktionieren kommt…
      Schon spannend, das Zigeunerleben. Mal sehen, was ich sonst noch alles lernen muss, bis ich sagen kann,
      ich hätte es – mehr oder weniger – im Griff…
      Was ich dir sagen kann ist, dass dein Schlafzimmer in der Scheune wahrscheinlich etwas kühl ist momentan..
      war das nuttig ? Schon, oder ?
      Gemütliche Weihnachtstag und Es Guets Neus !
      Liebe Grüsse
      Rose

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  3. Avatar von Myrta Myrta

    Merci Rösli,
    dini Gedankegäng sind wie immer en riesige Uufsteller 😉
    nochdem mir jetzt es paar Tag lang im Oberland Schnee gfräset und Iis picklet händ (ähämm – de Chrampf hetted mir üs chönne spare – es hät leider wieder bis wiit ufe drigrägnet!) simmer vor em wiehnächtliche Bevölkerigszuewachs is leider e chli näblegi Underland gflüchtet…
    Gniess d’Wiehnacht emol andersch – und en guete Rutsch.
    heb der Sorg!
    Myrta

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    1. Guete Morge, Myrta
      Am besten betrachtest du das Schneeschaufeln als Fitnessprogramm, das du auch völlig freiwillig auf X einem Hügel machen würdest…. 🙂
      Meine ‚andere Weihnacht‘ hier in Vidreres war echt schön – aber langsam wirds Zeit zum Weiterziehen.
      Ich wünsche euch ins Unterland noch ganz schöne Festtage und Es Guets Neus !
      Händs guet und händ enand Sorg. Rösli

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  4. Avatar von Andreas Nüesch Andreas Nüesch

    Hopp Rösli, i hoff hegischt a schöni Whienacht könna fiera. Wennt im Fall Luscht noch Südworscht häscht, wöremer am 4. Januar bida Lisabeth Neujöhrla; (aber nu wennt kascht!!!)
    Suscht wünschid mer Der an super Start is neu Johr und hebter Sorg!!

    herzliche Gruess usem Rhentil Andi+ Martha

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    1. Hopp ha ! 😊
      Bis etz isches super, mindeschtens aber all choga spannend 😜
      I glob nöd dassis schaff uf de 4. Januar, aber a Südworscht isch o goat im Juni (oder so…). 😀
      Bi i de Nächi vo Valencia – und heb endlich südwärts !!!
      Eu allne E GOATS NEUS – und uf en anders Mal !
      Judihui ! Herzlichi Grüess ! Rösli

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