..wenn alle Windsäcke waagrecht an der Stange flattern.
Heute bin ich zwar nur etwa 350 km weit gekommen von Avignon nach Toulouse, aber durch den Mistral wurde die Sache ganz schön interessant. Und auch etwas anstrengend. Dieser kalte Wind hat richtig Kraft – oft fuhren die Autos nach einem heftigen Windstoss Schlangenlinien über die Spurlinien hinweg. Ich natürlich auch..
Und den Canal du Midi habe ich mehrmals überquert. Hübsch !
Aber wichtiger: du bist im Midi angekommen, wenn die Steinhaus-Dörfchen auf den Hügeln aussehen, als hätte man sie vor 100 Jahren dort vergessen. Und wenn überall Zypressen stehen!
Ich liebe diese dichten, schlanken Himmelsstürmer mit ihren glänzenden Zäpfchen. Sie vermitteln unweigerlich ein Feriengefühl und südliche Wärme.
Und Pinien gabs da ! Und Reben ! Ein Patchwork an säuberlich geschnittenen Reben – die Spaliere, an denen sie wachsen, sind so gleichmässig angelegt, dass die obersten Drähte aus einem bestimmten Winkel wie eine einzige Fläche glänzten im Sonnenschein. Man hat mir gesagt, dass hier inzwischen vor allem Merlot angepflanzt wird, noch vor Cabernet Sauvignon, Syrah und Grenache. Man müsste wieder mal etwas trinken aus dem Pays d’Oc, oder ?
Toulouse ist die Stadt der Fliegerei, und Airbus SAS der grösste Arbeitgeber der Region. Hast du gewusst, dass Antoine de St. Exupéry von hier stammte, dass schon die Caravelle hier produziert wurde und später auch die Concorde ?
Ich auch nicht.. (die Geschichte der Caravelle ist allerdings ruhmreicher als jene der Concorde).
Mein Camping-Platz heisst ‘Le Rupé’ und wird ultimativ bewacht mit hohen Zäunen und Kameras. Wenn man ein paar Schritte geht, erkennt man auch, warum: an derselben Strasse befindet sich eine hässliche Deponie aus Abfall, Unrat und Alteisen, und dazwischen lauter alte, verrostete Wohnwagen – oft mit Tüchern anstelle von Fenstern – und kleine, schmutzige Kinder spielen in den Abfallbergen.
Und wieder etwas weiter gibt es eine Bäckerei, die die köstlichsten Dinge anbietet: Macarons in allen Farben, die den Sprüngli-Luxemburgerli wirklich in nichts nachstehen (!), Tartelettes aux Pommes, die mit hauchdünnen Apfelscheibchen kunstvoll belegt wurden , Tartes à la Crème, Bûches de Noël in allen Farben und natürlich Eclairs !
Nach meinem ‚Gross-Einkauf‘ war da plötzlich noch ein kleiner Marktstand, und der alte Fischer dort bietet jeden Sonntag frische Austern an, von denen ich mir auf der Stelle vier Stück aufmachen liess.
Auf einem Schild an seinem Stand hängt eine Tafel mit dem Zitat eines gewissen Léon-Paul Fargue: J’adore les huîtres, on a l’impression d’embrasser la mer sur la bouche. Das hat etwas: Austern verprühen im Mund eine Geschmack-Sinfonie von Dingen, die wir sonst nur als einzelne Gerüche wahrnehmen: Salzwasser und Tang und ganz frischen, rohen Fisch und wahrscheinlich eine Prise Sternschnuppe. Die Austern waren jedenfalls herrlich, auch ohne jede weitere Zugabe.
Dass ich danach noch einen Thonsalat mit Reis ass, sämtliche Macarons und das Eclair, war wahrscheinlich etwas übertrieben, aber im Moment regnet es sogar ein wenig, und da soll man sich etwas gönnen. Wie gut, dass immer ein paar gute Gründe zur Hand sind, oder ? 😊 Das finde ich auch.
